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Muslimin aus Brigittenau

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Für im Westen lebende Musliminnen gilt zweierlei: Einerseits sind sie rechtlich oft bessergestellt als in ihren Heimatländern -was sich allerdings nicht automatisch auf die familiäre Praxis auswirkt - andererseits sind sie dadurch, daß sie sich nicht in einer islamischen Gesellschaft bewegen, großen Unsicherheiten ausgesetzt. Denn kein anderes Thema ist so sehr mit Mißverständnissen belastet, wird im Westen lieber als Vehikel zum Transport von Vorurteilen verwendet als „die Bolle der Frau im Islam”. Massenpsychologisch verständlich (aber deshalb um nichts weniger primitiv), denn während der „muslimische Mann” im europäischen Straßenbild weiter nicht auffällt, verkörpert das Kopftuch, das lange Kleid heute „das Fremde” an sich. Im Zusammenhang mit der jüngsten österreichischen „Kopftuchdiskussion” sagte übrigens der österreichisch-bosnische Islamgelehrte Smail Balic einmal zur Verfasserin: der Sinn des islamischen Kopftuches sei doch gewesen, die Frauen der vormodernen Gesellschaften vor Anpöbelung zu bewahren. Wenn man es ihnen nun in einer völlig anderen Umgebung als einer islamischen aufzwingen wolle, erreiche man das absurde Gegenteil.

Ein interessantes Phänomen ist, daß diejenigen, bei denen der Anblick einer orthodoxen muslimischen Frau Aggressionen erweckt, sich - bei völliger Zurückweisung jeglicher xenophober Gefühle - oft auf den Feminismus berufen. Man hasse in den Frauen lediglich das Unterdrückungssystem des Islam. Wenn diese Argumentation ehrlich wäre (was sie nach Meinung der Verfasserin selten ist), würden einmal mehr Frauen für ihre eigene Geschichte verantwortlich gemacht. Sklavennaturen eben. Bei der Diskussion zum Thema „Frau im Islam” in Österreich fällt auf, daß sie sich auf der unteren und mittleren Bildungsebene (zum Beispiel Volkshochschulen) meist fest in der Hand von österreichischen Proselytinnen ist, die - meist mit Kopftuch angetan - dem Publikum näherbringen wollen, wie gut es der Frau im Islam gehe.

Für viele Musliminnen aus islamischen Ländern ist dies der pure Hohn: Österreicherinnen verteidigen die rechtliche Benachteiligung von Frauen im Islam, ohne auch nur einen Augenblick praktisch davon gefährdet zu sein, ohne im Ernstfall die Zeche bezahlen zu müssen. Ihre Zeugenaussage ist - anders als im islamischen Becht - genauso viel wert wie die eines Mannes, und ihre Apologetik der Polygynie hat für sie selbst keine Kon -Sequenzen, denn sie sind vom österreichischen Becht geschützt.

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