Österreich und Schengen: einst und jetzt

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Dass Wien vorerst den vollkommenen Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum Schengen-Raum verhindert, sorgt für heftige Kritik. Zu Recht? Ein Gastkommentar mit Blick in die Geschichte.

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Dass Wien vorerst den vollkommenen Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum Schengen-Raum verhindert, sorgt für heftige Kritik. Zu Recht? Ein Gastkommentar mit Blick in die Geschichte.

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Der österreichische Innenminister Gerhard Karner hat dem Druck standgehalten und den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien mit einem Veto blockiert.“ So jubelte die Kronen Zeitung am 9. Dezember noch. Zwischenzeitlich hat sich eher ein europapolitischer Katzenjammer breitgemacht. Offensichtlich hatte man nicht mit der massiven Kritik und den Boykottaufrufen gegen österreichische Firmen insbesondere in Rumänien gerechnet.

Was ist nun wirklich passiert? Natürlich hat niemand beim Treffen der EU-Innenminister am 8. Dezember in Brüssel über einen „Schengen-Beitritt“ von Rumänien und Bulgarien abgestimmt. Diese beiden Länder sind seit dem 1. Jänner 2007 Mitglieder der EU, und seit 1999 ist festgeschrieben, dass die Regelungen des sogenannten Schengen-Besitzstandes (also alles das, was Schengen ausmacht seit seiner Gründung am 14. Juni 1985) automatisch auch für alle der EU neu beitretenden Mitgliedstaaten gelten. Zu entscheiden ist nur, ab wann welche Teile dieses Schengen-Besitzstandes für das jeweilige Neumitglied gelten.

In Wahrheit wurde letzte Woche lediglich über die „vollständige Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstandes in Bulgarien und Rumänien“ abgestimmt. Die polizeiliche Kooperation, die Zusammenarbeit bei Terrorbekämpfung und Drogenhandel, die gemeinsamen Regeln im Waffenrecht, die Computersysteme zur Ausstellung und Kontrolle der einheitlichen Visa – all das und noch viel mehr beinhaltet Schengen; und all das gilt auch schon längst in Rumänien und Bulgarien. Nur der allerletzte Baustein, der Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zu den anderen EU-Staaten, fehlte noch.

Unerwartet, aber kein politischer Beinbruch

Und auch nur das wurde den beiden Staaten letzte Woche verwehrt. Konkret geht es um die Landgrenze zwischen Bulgarien und Rumänien, die Landgrenze zwischen Rumänien und Ungarn und um die Personenkontrollen auf den bulgarischen und rumänischen Flughäfen für Flüge nach und von Schengen-Ländern. Die Ablehnung mag unerwartet gewesen sein und auch als ungerecht empfunden werden.

Ein wirklicher politischer Beinbruch ist es aber nicht. Es ist nicht ungewöhnlich, ja eigentlich ein völlig normaler Vorgang, dass dieser allerletzte Schengen-Schritt einem Land im Regelfall mehrfach verwehrt wird. Ein Blick in die Schengen-Geschichte Österreichs zeigt, dass auch die Alpenrepublik mehrfach scheiterte und schlussendlich mit dem einen oder anderen Vorurteil kämpfen musste, bevor auch für uns die Grenzen zu Italien und Deutschland ihre Bedeutung verloren.

Schengen wurde 1985 als internationales Übereinkommen außerhalb der damaligen EG-Institutionen geschaffen, um das Prinzip der Personenfreizügigkeit umfassend – und weitergehend als damals zwischen den EG-Mitgliedsländern angewendet – umzusetzen. Deutschland, Frankreich und die drei Beneluxländer entschlossen sich, als eine Art „Kerneuropa“ die europäische Integration voranzutreiben. Es dauerte schlussendlich bis 1993, bis dieses hohe Ziel technisch und organisatorisch Realität werden konnte.

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