ORF: Keine Agitation auf unsere Kosten!

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Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF umfasst auch das Objektivitätsgebot. Mit tendenziösen Beiträgen droht man das noch vorhandene Vertrauen zu verspielen. Ein Gastkommentar.

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Der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF umfasst auch das Objektivitätsgebot. Mit tendenziösen Beiträgen droht man das noch vorhandene Vertrauen zu verspielen. Ein Gastkommentar.

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Ein wesentliches Anliegen von Franz Küberl in seinem letztwöchigen Gastkommentar besteht darin, den ORF in die Lage zu versetzen, seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht zu werden. Dabei geht es dem Autor um die finanziellen Möglichkeiten. Der öffentlich-rechtliche Auftrag beinhaltet aber noch ein anderes Gebot, nämlich jenes nach Objektivität – oder zumindest das Bemühen darum. Dieses ist mit keinem monetären Aufwand verbunden, sondern erfordert bloß die Sorgfalt, die man als Konsument erwarten darf. Nur dann wird es eine entsprechende Akzeptanz für welches Finanzierungsmodell auch immer geben.

Leider lassen manche ORF-Redakteure genau diese besondere Verantwortung vermissen, zu der sie in einem öffentlich-rechtlichen Medium verpflichtet sind. Ein Beispiel aus dem Radioprogramm von Ö1, für das der ORF den Anspruch, Kultursender zu sein, geradezu wie eine Monstranz vor sich herträgt, mag dies verdeutlichen. Problematisch sind natürlich nicht die Musiksendungen, die sich weithin großer Beliebtheit erfreuen, sondern vielmehr die Sprechsendungen. Dabei geht es vor allem um die erweiterten Nachrichtenprogramme, „Journale“ genannt, aber auch die Magazine.

Das Ziel: Denunzierung

Das „Morgenjournal“ befasste sich unlängst mit der Umbenennung einer Kärntner Bundesheerkaserne. Diese war bisher nach Generalmajor Alois Windisch benannt, sollte aber aufgrund des Vorwurfs von Kriegsverbrechen gegen ihn einen neuen Namen erhalten. Der in dem Beitrag als Namensgeber Vorgesehene war der erste Verteidigungsminister der Zweiten Republik (1956–1961), Ferdinand Graf (ÖVP). Das Setting verhieß eine seriöse Abhandlung des Themas, nämlich ein Interview (von Stefan Kappacher, Anm.) mit einem als Experten präsentierten Historiker (Florian Wenninger, Anm.). Rasch wurde aber klar, dass das Ziel in der Denunzierung Grafs als ungeeignet für die Namensgebung bestand. Die Botschaft: Graf war „Austrofaschist“, sein „Pluspunkt“ KZ-Aufenthalt wird ihm aber gestrichen wegen der Gespräche, die er nach 1945 mit ehemaligen Nationalsozialisten führte.

Diese Darstellung wird weder der Person noch den zeitlichen Umständen gerecht. In den Jahren 1933–1938 war Graf als Direktor des Kärntner Bauernbunds primär Interessenvertreter einer Berufsgruppe. Der Ausdruck „Austrofaschismus“ ist zudem ein ideologisch umkämpfter Begriff und dürfte daher nicht unkommentiert verwendet werden. Da das autoritäre Regime entscheidende Merkmale des Faschismus nicht beinhaltete, hat sich das „Haus der Geschichte Österreich“ bewusst für den Ausdruck „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“ entschieden. Eine Dokumentation in ORF III über diese Zeit trägt den Titel „Kanzlerdiktatur“.

Wie sehr Ferdinand Graf von der nationalsozialistischen Diktatur als Gegner eingestuft wurde, lässt sich daraus ableiten, dass er von 1938 bis 1940 in Gestapohaft sowie in den Konzentrationslagern Dachau und Flossenbürg verbringen musste.

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