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Rasse ist Klasse

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Schluß mit Rasse!” titelte Irene Jancsy ihren Artikel im verga-nenen profil, in dem sie den Sturmlauf der Amerikaner gegen die „Affirmative Action” beschreibt, die gesetzlich verankerte Förderung von Mitgliedern benachteiligter Bevölkerungsgruppen auf dem Arbeitsmarkt. „Es ist absurd, daß ausgerechnet die Progressiven eine Einteilung in Rassen verteidigen”, zitiert Jancsy ein linksliberales Monatsmagazin und dazu die Vision der weißen Historikerin A. Thernstrom, die eben ihr Buch „America in Black and White” veröffentlicht hat: „Es wird nicht mehr so leicht sein, jemanden festzunageln: Du gehörst zu dieser Gruppe und du in die andere.” - Im gleichen profil, ein paar Seiten weiter vorne, spricht der Schriftsteller Karl-Markus Gauß vom „Absterben der Nationalstaaten” in Europa und einem künftigen Schlag von Europäern, die „nicht mehr nach ethnischen Kriterien” wahrgenommen werden. Das neue Kriterium: die wirtschaftliche Potenz oder Impotenz des einzelnen in einer „Ökonomie, der die europäischen Nationalstaaten zu eng geworden sind, und die sich deshalb größere, transnationale Bedingungen geschaffen hat”. Gauß formuliert deutlich, was Jancsy eher im Hintergrund hält: die hehre Proklamation von Freiheit und Gleichheit, der Überwindung von Grenzen - von Nation, von Rasse - ist nichts anderes als ein verdrehtes, geschickt zurechtgedrech-seltes Argument, mit dem die Anhänger des Wirtschaftsliberalismus ihre Ideologie des grenzenlosen Gewinns verbrämen. „Rasse” (in diesem Fall die der Schwarzen) steht in den USA noch immer für „Armut” - nicht weil „schwarz” per se mit mangelnder ökonomischer Intelligenz und Potenz gleichzusetzen wäre, sondern weil die sozialen Folgen aus der Zeit der staatlich legitimierten Rassendiskriminierung noch immer die Chancen „der Schwarzen” bestimmen. Die „positive Diskriminierung” am Arbeitsmarkt hat wenig geholfen, weil der soziale Unterbau (z. B. im Bereich des Schulwesens) fehlt. Clinton, den Jancsy am Rande erwähnt, zielt gar nicht so falsch mit dem Ansinnen, die Förderprogramme auf sozial benachteiligte Bürger aller Hautfarben auszudehnen. Auch wenn das nur ein Gedanke und das Bruchstück einer Analyse ist - zumindest scheint der Präsident zu erkennen, daß das Rassenproblem ein soziales ist. Im Fall der schwarzen Bevölkerung heißt es aber trotz alledem, eine „Rasse” zu fördern, denn die amerikanische Wirklichkeit definiert noch immer klar: „Rasse” ist „Klasse”.

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