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Religion am Markt
Die Schule hat versagt, der Religionsunterricht ebenso. Dies konstatierte die Erzie-hungswissenschaftlerin und VP-Abgeordnete Gertrude Brinek bei einer Diskussion in Wien zu „Religionsunterricht versus Ethikunterricht”. Erziehung sei in den letzten Jahren durch Surrogate wie Animation, Gruppendynamik oder Therapie ersetzt worden. Auf diesem Hintergrund bewertete die Politkerin die gegenwärtige Diskussion um die Einführung eines Ethikunterrichts.
Doch was für eine Ethik? Kann sie „neutral” vermittelt werden? Alle Teilnehmer an der Veranstaltung, neben Brinek die konfessionellen Vertreter Christine Mann (Schul-amtsleiterin der Erzdiözese Wien) und Johannes Dantine (evangelischer Oberkirchenrat), waren sich einig, daß Unterricht und Erziehung generell nicht „wertfrei” sein können.
Für Christine Mann ist in erster Linie der Staat gefordert, denn dieser sei gesetzlich verpflichtet, für die ethische Erziehung der Schüler zu sorgen. Mann zeigte sich interessiert an den Schulversuchsprojekten zum Ethikunterricht, die in Westösterreich und Wien anlaufen sollen. Allerdings müsse kompetente Begleitung und Auswertung gewährleistet sein - die Schulversuche dürften nicht als ein „Provisorium” verstanden werden, das dann ohne Diskussion als genereller „Ethikunterricht” eingeführt werden könne.
Einig waren sich die konfessionellen Vetreter, daß der Religionsunterricht vieles bietet, unter anderem auch eine hohe Kompetenz der Lehrer. Denn in keinem anderen Fach müßten die Lehrer so um die Schüler werben: Religion habe sich am „Markt” zu bewähren, da es die Möglichkeit gebe, sich abzumelden.
Johannes Dantine propagierte für den konfessionellen Unterricht denn auch ein Kurssystem mit fächerübergreifenden Themen und Kooperationen. Der Religionsunterricht solle sich dem Wettstreit mit anderen Angeboten (auch einem Ethikunterricht) stellen - und hätte beste Chancen.
Skepsis herrschte gegenüber diesem Vorschlag angesichts der leeren Kassen. Wie ganz allgemein das Diktat der Finanzen gefürchtet' wird. Die Frage der Inhalte eines Ethikunterrichtes und der Zielgruppe - alle Schüler; alle , die nicht am konfessionellen Unterricht teilnehmen? - blieb auch diesen Abend ungeklärt. Die Auseinandersetzung -für Fachleute und Betroffene -scheint noch lange nicht zu Ende.
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