Roboterwerdung
Die digitale Transformation stellt uns vor völlig neue Fragen: Was heißt es überhaupt noch, Mensch und nicht Maschine zu werden? Ein Gastkommentar von Peter Kirchschläger.
Die digitale Transformation stellt uns vor völlig neue Fragen: Was heißt es überhaupt noch, Mensch und nicht Maschine zu werden? Ein Gastkommentar von Peter Kirchschläger.
Zu Weihnachten feiern Christinnen und Christen die Menschwerdung Gottes in seinem Sohn. Gott geht aus Liebe zu den Menschen auf die Menschen zu und wird ein armes jüdisches Kind in der Krippe, um die Menschen zu befreien. 2019 begehen Christinnen und Christen das Weihnachtsfest aber auch angesichts einer aktuellen Entwicklung, die ihren Denk-, Verstehens-, Wissens- und Glaubenshorizont prägt: Der rasant fortschreitende technologische Fortschritt lässt in unserer Zeit Roboter werden.
Die Robotisierung, Maschinisierung, Automatisierung, Digitalisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz durchdringen zunehmend das menschliche Leben. Sie lösen Fragen hinsichtlich des Selbstverständnisses von Menschen, hinsichtlich des Menschenbilds und in Bezug auf Menschwerdung im Unterschied zur Roboterwerdung aus. Wie wirkt es sich auf Menschen aus, dass sie bereits in einigen Intelligenzbereichen Maschinen massiv unterlegen sind (z. B. Erinnerungsfähigkeit, Umgang mit Datenmengen)? Wohin führt die Menschen die angestrebte Überwindung ihrer Verletzbarkeit? Was bedeutet es für Menschen, dass sie vermehrt als Mangelwesen wahrgenommen werden, die einer Optimierung bedürfen – z. B. im Streben nach höherer Lebenserwartung, nach mehr körperlicher Resilienz und stärkerer mentaler Leistungsfähigkeit? Welche Rolle spielen noch Individualität, Freiheit, Selbstbestimmung der Menschen und die Menschenwürde im Zuge datenbasierter Manipulation? Worauf stützt sich der technologische Drang zur Perfektionierung bei den Menschen, der eine diskriminierende Wirkung auf Menschen auslöst, die in den zu verbessernden Eigenschaften und Merkmalen anders sind?
Innovation ist nicht per se gut oder schlecht
Aus ethischer Sicht lässt sich zunächst feststellen, dass kontinuierliche Fortschritte in Wissenschaft und Forschung zu einer Verbesserung von Lebensbedingungen der Menschen führen kann. Damit dies geschieht, braucht Innovation ethische Orientierung. Denn Innovation ist per se weder gut noch schlecht. Innovation kennt aus ethischer Perspektive Ambiguität (eine Maschine kann ethisch Gutes oder Schlechtes bewirken), Ambivalenz (eine Maschine kann einem ethisch guten Zweck dienen, dabei gleichzeitig aber auch Schlechtes verursachen) und die sogenannte dual use-Problematik (die gleiche Maschine kann für einen ethisch guten Zweck oder für einen ethisch schlechten Zweck eingesetzt werden). Technologiebasierter Fortschritt kann diese Orientierung nicht selbst hervorbringen. Gelingt diese ethische Ausrichtung, ergeben sich ethisch betrachtet einzigartige Chancen zum Wohl von Menschen und Umwelt – so auch im Zuge digitaler Transformation. Roboter können so von Menschen gesetzte ethische Prinzipien und Regeln befolgen, dementsprechende Entscheidungen fällen und korrespondierende Handlungen vollziehen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!