Schule: Seelenbalsam statt Uniformierung

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Die Rede von einer „verlorenen Generation“ ist unangebracht. Aber nach diesem Ausnahmejahr brauchen Schülerinnen und Schüler mehr als nur eine abgespeckte Matura. Plädoyer eines Lehrers.

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Die Rede von einer „verlorenen Generation“ ist unangebracht. Aber nach diesem Ausnahmejahr brauchen Schülerinnen und Schüler mehr als nur eine abgespeckte Matura. Plädoyer eines Lehrers.

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Vor einem Jahr, am 13. März 2020, waren viele von uns Lehrerinnen und Lehrern zuerst erschöpft – und dann ein wenig erleichtert. In den Wochen zuvor hatten wir viel Zeit und Energie investiert, um Schülerinnen und Schüler zu Verantwortungsbewusstsein und Besonnenheit zu animieren, um selbst virologisch zu dilettieren und mit den Klassen Abstandhalten, Handhygiene (beim Essen) und Hirnhygiene (im Umgang mit Sozialen Medien) zu praktizieren. Am Abend des 13. März waren die Schulen dann geschlossen. Die Ungewissheit war zwar noch da, aber der allergrößte Druck entwichen. Zeit zum Durchatmen, zur Suche nach kreativen Potentialen in dieser Ausnahmesituation und vielleicht sogar nach Möglichkeiten, Schule neu auszurichten. Nach Ostern würde der Betrieb wieder aufgenommen, hieß es. Vielleicht sogar besser als zuvor.

Ein Jahr später ist die Erschöpfung noch massiver, von normalem Betrieb – geschweige denn einem besseren – keine Spur. Letzten Mittwoch veröffentlichten die Salzburger Nachrichten eine beunruhigende Studie über den psychischen Zustand der Jugend. Am Donnerstag wurden unter der Devise „Matura ­Futura“ einschneidende Veränderungen bei der Reife- und Diplomprüfung vorgeschlagen – und am Freitag setzte der Bildungsminister die verpflichtende mündliche Matura ein weiteres Jahr aus. Langweilig wird es nicht.

Ahnungslose Kommentare

Abgesehen vom Gesundheitssystem stand im vergangenen Jahr kaum ein Bereich so sehr im Zentrum der Aufmerksamkeit wie die Schule. Umso wichtiger erscheint eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Einschränkungen des Präsenzunterrichts. Ja, in den letzten Monaten sind Lücken entstanden – und es gibt Schülerinnen und Schüler, die in manchen Fächern den Anschluss verloren haben. Aber so mancher Kommentar aus Politik und Presse ist eher dazu angedacht, die Contenance zu verlieren. Verantwortungs- und ahnungslos verwendete Schlagwörter wie „Bildungskatastrophe“ oder „verlorene Generation“ machen einmal mehr deutlich, dass man nicht sehr viel Ahnung von Schule haben muss, um über sie schreiben zu können. Die Situation ist herausfordernd genug. Panikmache, was die Vermittelbarkeit dieser Generation am Arbeitsmarkt betrifft, ist nicht nur unverantwortlich, sondern auch unangebracht. Dass diese Kassandren oft genug nur den Markt als Ziel der Schule voraussetzen, ist ein eigenes trostloses Kapitel.

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