Synodaler Weg: ein protestantischer Blick
Warum die Sorge, dass aus der römisch-katholischen Kirche eine zweite evangelische werden könnte, zu vordergründig ist – und die Altkatholische Kirche nicht ignoriert werden sollte. Ein Gastkommentar.
Warum die Sorge, dass aus der römisch-katholischen Kirche eine zweite evangelische werden könnte, zu vordergründig ist – und die Altkatholische Kirche nicht ignoriert werden sollte. Ein Gastkommentar.
Während der Mitgliederschwund der katholischen Kirche in Deutschland einen neuen Höhepunkt erreicht, wird weiter heftig über den Synodalen Weg gestritten, bei dem es um nicht weniger als um eine Reform der katholischen Kirche an Haupt und Gliedern geht. Seine Befürworter sehen darin die überfällige Reaktion auf sexualisierte Gewalt in der Kirche, die systemische Ursachen hat. Nur so lasse sich das Übel an der Wurzel packen. Kritiker wie Kardinal Schönborn werfen den Vorkämpfern und Vorkämpferinnen des Synodalen Weges vor, den sexuellen Missbrauch für Reformbestrebungen zu instrumentalisieren, die im Widerspruch zum katholischen Kirchenverständnis und auch zum bischöflichen Amtsverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils stünden.
Offenbar geht auch Papst Franziskus, der seinerseits auf Ebene der Weltkirche einen Synodalen Prozess eingeleitet hat, zum deutschen Weg auf Distanz. Den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, ließ er kürzlich wissen: „Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei von ihnen.“ Der Papst bemängelt außerdem, dass der Synodale Weg ein stark von äußeren Faktoren beeinflusstes Projekt der intellektuellen, theologischen Eliten sei.
Neuerfindung des Katholizismus
Die evangelische Kirche steht allerdings nicht besser als ihre katholische Schwesterkirche da. In Deutschland hat ihre Mitgliederzahl bereits die Marke von 20 Millionen unterschritten. Aus protestantischer Sicht halte ich die Einschätzung, der Synodale Weg könnte im Ergebnis zu einer Protestantisierung der römisch-katholischen Kirche oder gar zu einer zweiten evangelischen Kirche führen, zu vordergründig. Es geht im Kern nicht um eine zweite Reformation, sondern um eine katholische Reform. Konsequent zu Ende gedacht, könnte der Synodale Weg allerdings darauf hinauslaufen, dass neben der Altkatholischen Kirche und der römischen eine weitere katholische Kirche entsteht – gewissermaßen eine deutsche Neuerfindung des Katholizismus.
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