Ukrainekrieg: Mit mehr Waffen zum Ende der Gewalt?

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Was in der aktuellen Diskussion über den Ukraine-Krieg zu kurz kommt – und warum wir abseits der Aufrüstung eine Wiederentdeckung von Friedenstheorien brauchen. Ein Gastkommentar.

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Was in der aktuellen Diskussion über den Ukraine-Krieg zu kurz kommt – und warum wir abseits der Aufrüstung eine Wiederentdeckung von Friedenstheorien brauchen. Ein Gastkommentar.

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Die Herrschaft des Rechts galt lange als unangreifbare Maxime. Zumindest in diesem Punkt war sich zuletzt die Ethik nach Jahrhunderten zurückliegender Kriege einig. Um militärische Konflikte zu verhindern, schworen Intellektuelle wie Immanuel Kant auf die Gründung supranationaler Institutionengefüge. Doch wie stark wirken solche auf Dialog und gegenseitiger Abhängigkeit basierenden Gebilde nach dem Vorbild der UNO, wenn ihnen die Vollzugskraft fehlt?

Putins Feldzug veranschaulicht uns schmerzlich, dass es keine Weltpolizei gibt und die abendländische Geschichte des Völkerrechts an ihr Ende gekommen zu sein scheint.

Desillusioniert sieht sich daher der Westen von Beginn der russischen Invasion an in der Rolle, dem Aggressor mit dessen eigenen Mitteln zu begegnen. Die Wehretats werden aufgestockt. Polen beispielsweise, ein militärisch bislang unterschätzter Player, fährt massiv die Produktion von Piorun-Raketen hoch und soll bald schon über die größte NATO-Artillerie­armee verfügen.

Militarisierungsskepsis als Tabu

Was in der Diskussion zu kurz kommt, ist die Einsicht, dass mit der Aufrüstung der demokratischen Nationen mithin schon eine Strategie Putins aufgegangen ist, fußt doch dessen Weltbild vor allem auf einem maskulinen Kräftemessen. Der Antidiplomat kennt nur das Prinzip der Aufteilung des Planeten in Einflusssphären. Indem der Westen in die Spirale des Wettrüstens einsteigt, folgt er implizit dem Imperativ des Diktators: Lasst die Gewalt die Sache regeln!

Diese Militarisierung in der Öffentlichkeit zumindest mit Skepsis zu betrachten stellt inzwischen ein Tabu dar. Intellektuelle wie Ulrike Guérot oder Richard David Precht haben durch massive Shitstorms erlebt, wie andere ethische Optionen jenseits des geltenden Meinungskorridors zum Ukraine-Konflikt diffamiert werden. Dabei erweisen sich beider Überlegungen weder als naiv noch als privilegiert. Erstere hat zuletzt in Tweets gefragt, wie die Verabsolutierung des Lebens zulasten der Freiheit in der Corona-Pandemie nun umgekehrt werden konnte, zumal es im militärischen Konflikt mit Russland einzig und allein noch um ein Freiheitsnarrativ ginge. Der Philosoph Precht dachte hingegen u. a. in der FURCHE darüber nach, ob eine Kapitulation der Ukraine nicht unausweichlich sei und ein frühes Aufgeben demnach zahlreiche Menschen retten würde – worauf wiederum der Völkerrechtler Ralph ­Janik replizierte, dass bei einer russischen Eroberung bestenfalls ein negativer, instabiler Frieden zu erwarten sei.

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