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Viesen und AActiiodc der Propaganda

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Das folgende Kapitel ist dem soeben erschienenen Werk „3000 Jahre politische Propaganda“ entnommen. (Verlag Herold, Wien, 468 Seiten, 135 Abbildungen im Text, 81 Abbildungen auf Kunstdruckpapier, Preis 185 S.) Ueber einen Tatsachenbericht hinausgehend, bildet das Werk einen interessanten und amüsanten Behelf, in der Vielfalt modernster politischer Beeinflussung offene Augen und klares Denken zu bewahren.

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Das folgende Kapitel ist dem soeben erschienenen Werk „3000 Jahre politische Propaganda“ entnommen. (Verlag Herold, Wien, 468 Seiten, 135 Abbildungen im Text, 81 Abbildungen auf Kunstdruckpapier, Preis 185 S.) Ueber einen Tatsachenbericht hinausgehend, bildet das Werk einen interessanten und amüsanten Behelf, in der Vielfalt modernster politischer Beeinflussung offene Augen und klares Denken zu bewahren.

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Seitdem sich die Menschen zu sozialen Gemeinschaften zusammengeschlossen haben, erhebt sich immer wieder die Frage, nach welchen Gesichtspunkten und in welcher Art und Weise das Leben der Gemeinschaft am zweckentsprechendsten zu gestalten sei.

Es ist in der menschlichen Natur begründet, daß bei der Beurteilung der gemeinsamen Lebensfragen zwangsläufig verschiedene, oft einander widersprechende Ansichten und Ideen zutage treten. Je mehr sich das menschliche Denken entwickelt, je differenziertere Glieder ein staatlicher Verband aufweist, um so mehr müssen solche Meinungsverschiedenheiten auftreten.

Aus diesen Tatsachen ergeben sich der Wunsch und die Notwendigkeit, den Mitmenschen Auffassungen und Ueberzeugungen zu übermitteln und auf sie einwirken zu lassen und widerstreitenden Einflüssen zu begegnen.

Deshalb gibt es, seitdem soziale Gemeinschaften überhaupt existieren, auch politische Propaganda.

Ihre Formen und Mittel variieren selbstverständlich nach den gegebenen Notwendigkeiten und Möglichkeiten, nach den Volks- und Rassegegebenheiten, dem Stande der Zivilisation und der Technik, der Kulturstufe und nach der taktischen Situation.

Die Methoden der Propaganda wechseln, je nachdem, ob sie von den Inhabern der staatlichen Macht oder von der Opposition angewandt werden.

Im ersten Fall werden zum Beispiel — je nach den politischen Einrichtungen und Verfassungs- formen — die verschiedensten Abstufungen wahrzunehmen sein: Es kann sich um bloße Selbitverlje rlichung handeln tj j jM.g

Staatspropaganda, welche die Wirtschaft .;und. Kulturpropaganda embezieht und auch auf die Erziehung und die Aemterorganisation Einfluß nimmt.

Im zweiten Fall stehen diese Möglichkeiten wohl nicht zur Verfügung, dagegen können die stets vorhandenen oppositionellen Neigungen nutzbar gemacht werden. Diese oppositionelle Propaganda wird verschieden sein, je nachdem, ob sie offen hervortreten kann oder im geheimen wirken muß. So werden sich etwa im „Katakombenstadium“ vornehmlich versteckte, verschwörerische Formen herausbilden, während der legale, offene Kampf um die Macht viel größere Möglichkeiten erschließt.

Bei all uiesen Verschiedenheiten bleibt eines aber doch immer gleich: die menschliche Natur.

Daher ist es begreiflich, daß die Beeinflussungsmethoden seit jeher und überall doch wieder große Aehnlichkeit aufweisen.

Die Geschichte zeigt uns, daß für die politische Propaganda zu allen Zeiten bestimmte gleichbleibende Momente maßgebend sind.

Vor allem mußte die Propaganda seit jeher mit den psychischen Eigenschaften des Menschen rechnen, besonders mit seinen Leidenschaften, mit allen seinen Vorzügen und Mängeln. Wer immer seine Mitmenschen politisch planmäßig zu beeinflussen sucht, muß vorerst erkennen, wie diejenigen beschaffen sind, auf die es tatsächlich ankommt. Er muß die psychologischen Gegebenheiten erfassen und auf diese entsprechend eingehen, den psychologisch richtigen Moment wählen und mit den seelischen Energien hauszuhalten verstehen.

Wir wollen versuchen, das ungeheure Gebiet, auf welches die politische Propaganda Bezug nimmt, einigermaßen zu ordnen. Dabei wird es am zweckmäßigsten sein, zunächst die Grund- sachverhake der menschlichen Seele ins Auge zu fassen, welche die politische Propaganda besonders berücksichtigen muß:

Das metaphysische Element, das dem Menschen die Sehnsucht nach dem Guten, Schönen, Wahren und Gerechten eingibt, den Zug zum Wunderbaren und Geheimnisvollen, hat die politische Beeinflussung niemals ungerächt ver nachlässigen oder gar verletzen dürfen, wollte sie dauernden Erfolg haben. „Der mystische Trieb ist nun eben mal vorhanden. Es wäre töricht, ihn nicht zu nutzen.“ (Joseph Goebbels.)

Ein ganz großes, weites und in ungeahnte Tiefen reichendes Gebiet breitet sich vor uns in den psychologischen Sachverhalten aus, welche oft verworren und unklar nebeneinander, ja gegeneinander im Menschen vorhanden sind. So werden die Ur-Hoffnung und die Ur-Angst des Menschen bald durch hoffnungsvolle Zukunftsbilder belebt, bald durch Beschwichtigung oder durch Warnung und Einschüchterung beeinflußt.

Von ganz großer Bedeutung werden ohne Zweifel immer die persönlichen Interessen sein.

Mag sich das, was wir Egoismus nennen, wie immer äußern, mögen Selbsterhaltungstrieb, Geltungsbedürfnis, die Sucht nach Macht oder Gewinn oder andere Beweggründe Komponenten hierzu bilden; möge all dies noch so sehr — bewußt oder unbewußt — verhüllt sein oder offen in Erscheinung treten: Egoismus ist eine dem Menschen eingeborene Eigenschaft. Es ist daher nicht verwunderlich, daß Verlockungen und Versprechungen auf den überwiegenden Teil der Menschen nicht ohne Eindruck bleiben. Daß demgegenüber das altruistische Element steht, ja daß gerade durch das Verlangen von Opfern Menschen politisch gewonnen werden können, ist ein versöhnliches Moment. Tragisch allerdings, wenn es mißbraucht wird.

Nebeneinander finden sich auch die Bereitschaft zum Mitleid, zur Mitfreude und die entgegengesetzte Neigung zur Schadenfreude, zu Neid und Bosheit. Ebenso wie sich die Menschen durch den Appell an ihr Mitgefühl, durch Unglück und Opfertaten rühren lassen, so reagieren sie auch auf Herabsetzung, Verächtlichmachung und Verhöhnung — besonders wenn Höherstehende davon betroffen werden —, und die politische Propaganda zieht hieraus sehr oft Nutzen.

Tatsache ist auch, daß die Sensationssucht, ob sie sich nun in der Schaulust, der Neugierde, der Klatschsucht, der Gerüchtemacherei oder in anderen Formen äußert, seit jeher der Beeinflussung ein breites Feld bietet.

Je höher die Wogen der Erregung, je leidenschaftlicher der Kampf, desto mehr treten auch die Atavismen der Menschheit zutage, oft bloßgelegt und in Wallung gebracht durch Erwecken und Aufpeitschen niederer Triebe und Instinkte.

Die den Menschen ferner eigenen sozialen Grundsachverhalte sind für alle Fragen der Politik von größter Bedeutung. Der fast allen Menschen angeborene Gemeinschaftstrieb, der sich im guten Sinn in der Liebe zur Familie, zur Gesinnungsgemeinschaft, zum Vaterland, ja zur ganzen Menschheit äußert, läßt natürlich die verschiedensten Ausdrucksformen und Möglichkeiten zu. Wohl immer wird ein Appell, der diesen Gegebenheiten entspricht, auf fruchtbaren Boden fallen.

Noch eines psychologischen Grundsachverhaltes sei gedacht, der statischen und der dynamischen Tendenz: der Neigung zum Festhalten am Ueberkommenen der Traditionsgebundenheit, dem Wunsch nach Ruhe einerseits und der Sucht nach Veränderung, nach dem Neuen, dem Wunsch nach „Erneuerung" anderseits. Das eine Mal ist es das „konservative", das andere Mal das „fortschrittliche“ Moment, welches jedes für sich oder in zweckmäßiger Verbindung diesen Empfindungen entgegenzukommen sucht.

Zwei einander widersprechende Tendenzen fordern ebenfalls Berücksichtigung: der Drang zur Freiheit, zur Ungebundenheit, zur Auflehnung gegen die Autorität und die Empörung gegen Unterdrückung. Seit jeher ging von der Parole „Freiheit“ ein magischer Zauber aus, heilsam in der Hand des Meisters, gefährlich in jener des Scharlatans, verhängnisvoll in der des betrügerischen Gauklers. Die Freiheit ist stets einer der Hauptbegriffe, mit denen die politische Propaganda seit Jahrtausenden operiert.

Ebenso alt ist auch die Sehnsucht nach dem Führenden, dem Großer und Starken, dem Ordner der Dinge, dem „Vater". Ob es nun der Wunsch nach Ordnung, nach Einordnung oder der bloße Herdentrieb ist, der nach Schutz, nach

Unterordnung verlangt: stets wird dieses Element im Menschen auf der einen Seite zur Verherrlichung, zum Heroenkult, und auf der anderen Seite zur Darlegung der eigenen Macht, zur Selbstverherrlichung, zur Erzeugung und Pflege des Nimbus führen.

Die politische Propaganda hat sich nicht nur mit den einzelnen auseinanderzusetzen, sondern — besonders in der neueren Zeit — vor allem mit den Massen.

Da die Masse im psychologischen Sinn nicht ein Additionsergebnis, nicht die Summe der in ihr vereinigten einzelnen darstellt, sondern sich vielmehr gleichsam zu einem Kollektivindivi- duum bildet, ist die instinktive oder bewußte Kenntnis dieser besonderen Massenpsyche eine Vorbedingung für ihre Beherrschung.

Ende des vorigen Jahrhunderts, als die Massenbewegungen anfingen, eine ganz beson-

dere Rolle zu spielen, unternahm es besonders Le Bon, diese Erscheinungen wissenschaftlich zu untersuchen und sie in ein System zu bringen.. Die geschichtliche Erfahrung berechtigt dazu, diese Gedankengänge weitgehend als Grundlage anzuerkennen.

In der Hauptsache wurde noch immer die Wahrnehmung gemacht, daß der einzelne als Teil der Masse intellektuell herabgemindert, aber gefühlsmäßig gesteigert wird, was aus dem Verhalten der Massen ohne weiteres hervorgeht. Sie sind ganz besonders triebhaft, wandelbar und erregbar, urteilen meist oberflächlich und nicht logisch, ja unlogisch; sie verallgemeinern, denken in Bildern und lassen sich durch Bilder am ehesten beeinflussen. Alle ihre Gefühle sind einfach, eindeutig und überschwenglich, was ihre Unduldsamkeit erklärt.

Dadurch, daß sie das Unwirkliche, das Wunderbare, dem Realen, Wirklichen vorziehen, sind sie extremen Gefühlen ausgeliefert: Zuneigung wird schnell zur Anbetung, Abneigung zum Haß. Sie sind in gleicher Weise zu Grausamkeiten und blutiger Empörung bereit, wie zu gläubiger, bedingungsloser Hingabe, zu heroischer Selbstaufopferung, ja zur völligen Ausschaltung der persönlichen Interessen. Gerade diese Erfahrungstatsache beweist am eindringlichsten, wie völlig andersgeartet die Masse sich darstellt als die einzelnen, aus denen sie sich zusammensetzt.

Selbstverständlich sind die Meinungen, Ideen und Ueberzeugungen der Massen von den Zeitumständen, den Ueberlieferungen usw. abhängig. Für die Beeinflußbarkeit der Massenpsyche lassen sich jedoch im allgemeinen bestimmte Regeln erkennen:

Die seelische Disposition der Massen führt dazu, daß Bilder, Worte und Redewendungen, Schlagworte auf ihre Einbildungskraft außerordentlich wirken können. Wir wissen, daß derjenige, der es versteht, die Phantasie der Massen zu erregen, mit großem Einfluß auf sie rechnen kann.

Die Erfahrung lehrt auch, daß den Massen gewisse Anschauungen und Ideen durch folgendes Vorgehen am ehesten einzuimpfen sind:

Durch die Behauptung, in einfacher, aber kategorischer Art und Weise vorgetragen, möglichst frei von Begründungen und Beweisen. Wenn dazu noch deren stete Wiederholung kommt, womöglich mit denselben Ausdrücken, so bildet sich bereits eine gewisse Stimmung, eine Art geistiger Strömung. Nun tritt der mächtig wirkende Mechanismus der Uebertragung, der psychologischen Ansteckung hinzu, unterstützt durch den Wunsch, sich „anzuschließen“, und der Nachahmungstrieb, der einen nicht zu unterschätzenden Faktor darstellt, speziell, wenn seine Ausübung leicht gemacht wird.

Selbstverständlich muß ein „Meister" der Propaganda das richtige Fingerspitzengefühl haben. Er wird eine Atmosphäre der Sympathie schaffen, die richtige Ek sierung im geeigneten Moment „verabreichen", sich vor der Gefahr der „Liebersättigung“ hüten und für eine Koordinierung der verschiedensten Propagandamittel sorgen,

Die Verbreitung einer bestimmten Idee durch Behauptung, immer wiederkehrende Wiederholung und Uebertragung wird zuletzt am gewaltigsten durch jene suggestive, ja mystische Macht gefördert, die von gewissen Menschen, Werken und Ideen ausstrahlt und die wir als Nimbus bezeichnen.

Einer der bedeutendsten Faktoren, die an der Entstehung des Nimbus mitwirken, ist noch immer der Erfolg gewesen. Der Mißerfolg ist sein tödlichster Feind. „Es ist nur ein Schritt vom Kapitol zum Tarpejischen Felsen.“

Dies sind nur einige Streiflichter in das weite und geheimnisvolle Gebiet der menschlichen Natur. Sie sollen nur ein Hinweis darauf sein, mit welchen Gegebenheiten die politische Propaganda seit jeher zu rechnen hat.

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Die Mittel, deren sich die politische Propaganda bedient, um all ihren Zwecken und den an sie gestellten Anforderungen genügen zu können, sind überaus mannigfaltig. Die grundlegendsten sind folgende:

Die ursprünglichste, eindringlichste Verständigungsmöglichkeit ist das gesprochene Wort, die Rede. Mag das Wort auch die fast singuläre Bedeutung, die es seinerzeit hatte, teilweise eingebüßt haben, so war und ist es doch nicht zu ersetzen.

Ueberall und jederzeit finden wir das Wort im Dienste der politischen Beeinflussung: Im Einzelgespräch, ferner so immer Menschen in kleinerem oder größerem Kreis beisammen sind, wie bri Vorträgen und Versammlungen. Deshalb ist die Rede und die Kunst ihrer Anwendung seit jeher und immer noch Gegenstand der Aufmerksamkeit und Schulung.

Gesteigerte Formen des Wortgebrauchs sind der Witz, die Anekdote, das Wort in Reim und Vers, die Spott-, Kampf- und Jubelgedichte.

In früherer Zeit war die Form des Reimes, besonders als Lied, schlechthin die einzige Mög lichkeit, das Wort weithin zu verbreiten, da es in dieser Form allein über Zeit und Raum hin haften blieb.

In besonders eindrucksvoller Art wird das Wort in Verbindung mit anderen Elementen im Theater gebracht. Wir kennen aus der Geschichte dieser Institution die immer wiederkehrenden Versuche, in bestimmter politischer Tendenz zu wirken.

Ein Faktor von ungemein großer Beeinflussungskraft ist auch die Musik, wendet sie sich doch ausschließlich an das Gefühl. Es ist dabei nicht maßgebend, ob dem Komponisten irgendeine Absicht der politischen Beeinflussung vorschwebte, entscheidend ist lediglich, ob das Musikstück zu propagandistischen Zwecken eingesetzt wird. Nicht die ursprüngliche Absicht, sondern die Eignung, der Erfolg ist wichtig. Denken wir an die Hymnen, die Gesänge, die Sprechchöre und Märsche, an die vielen Jubel-, Kampf- und Spottlieder!

Bis vor nicht allzu langer Zeit war das Bild neben dem gesprochenen Wort die einzige Möglichkeit, politische Gedanken zu vermitteln.

Es kam und kommt aber nicht nur den des Lesens Unkundigen entgegen, sondern auch der Denkträgheit. Besonders heutzutage, da die Menschen so vielfach in ewiger Hetzjagd leben, kann es am leichtesten und eindringlichsten wirken.

Ein packendes Bild, ein Plakat, welches nur eines kurzen oder, noch besser, gar keines erläuternden Textes bedarf, ist wirkungsvoller als lange Abhandlungen.

Unendlich viele Beispiele zeigt uns die Geschichte auch dafür, daß die bildende Kunst, die Graphik, Malerei, Bildhauerei wie überhaupt die ganze Plastik und auch die Münzstecherei und Medailleurkunst zur Unterstützung politischer Ideengänge eingesetzt wurde.

Eine ganz gToße Entwicklung, eine sprunghafte Steigerung ihrer Bedeutung als meinungsbildender Faktor erfuhr die Schrift.

Jahrhunderte mußten vergehen, bis die technische Entwicklung und die geistige Aufnahmsfähigkeit der Massen dem geschriebenen und gedruckten Wort jenen Raum gewährten, den es heute innehat.

Vom Bemalen und Bekritzeln der Wände, von der Papyrusrolle bis zum Flugblatt, zum Zeitungsbrief, zur Zeitung, zur Literatur — es war ein weiter Weg, auf dem die Entwicklung nur langsam fortschritt.

Die drei Elemente Wort, Bild und Schrift haben in unserer Zeit teils für sich, teils in Verbindung miteinander durch das Fortschreiten der technischen Entwicklung neue Ausdrucksmöglichkeiten gefunden. Es ist uns allen gegenwärtig, in welchem Maß sie zur politischen Beeinflussung herangezogen werden. So unmittelbar durch Rundfunk, Film, Schallplatten und Television, mittelbar durch motorisierte Fahrzeuge, Flugzeuge usw.

Es ist nicht verwunderlich, daß bei jedem Staatsstreichversuch, bei jeder Revolution, vor allem jedoch bei der Machtergreifung, die neuen Herren es als das Vordringlichste ansehen, sich der Rundfunksender zu bemächtigen. Welche Bedeutung der Rundfunk während de? letzter Weltkrieges gewann, ist uns allen gegenwärtig.

Erinnern wir uns an die „illegalen Sender“, das Verbot des Abhörens ausländischer Sender, an die Störsender!

Eine Ergänzung und ganz neue Möglichkeiten brächte die Erfindung des Fernsehens. Nun sind die Politiker gezwungen, den Regeln der Schauspielkunst zu entsprechen und bedienen sich dazu eigener Fachleute, der „Fernseh- und Make-up-Berater“. In den USA, dem ersten Land, in welchem das Fernsehen zur vollen Verbreitung gelangte, wurden dadurch für die Wahlmanager viele neue Probleme akut. Man ist darauf bedacht, daß die Kandidaten „photogen" sind und in ihrem ganzen Auftreten und Gebaren, in ihrem Mienenspiel, ihren Gesten und in ihrer Sprache sympathisch und eindrucksvoll wirken.

Wir zitieren aus dem aufsehenerregenden Buch „Die geheimen Verführer —. Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann“ _ von Vanee Packard eine Kritik, welche die Fernsehkolumnistin einer republikanischen Zeitung an der Tätigkeit des Femsehberaters Präsident Eisenhowers übte:

„Und nun möchte ich mir ein paar Vorschläge an Mr. M. erlauben. Erstens, Mr. M., muß diese hellumrandete Brille weg. Sie betont die natürliche Blässe jedes Menschen, der mehr als vierzig Winter auf dem Rücken hat. Helle Brillenfassungen pflegen außerdem jeden ziemlich blassen Träger noch mehr zu „verwässern“. Zweitens, sowohl die Beleuchtung als auch das Make-up — falls überhaupt der Präsident die Pfannkuchenschminke, in die er sich auf Chikagoer Parteitag widerstrebend gefügt hatte, gestattet haben sollte — schien darauf angelegt, General Eisenhower blaß aussehen zu lassen. Ein soeben von einem Urlaub im Süden zurückgekehrter Mann sollte sonnengebräunt aussehen. Mr. M. und die Beleuchtung sollte diese gesunde Farbe noch unterstreichen.“

Zwei wichtige Mittel der Beeinflussung seien besonders hervorgehoben — sind sie doch sozusagen klassische Werbemethoden:

Panem et circenses — Brot und Spiele!

Ist es verwunderlich, daß das Versprechen materieller Vorteile immer und immer wieder angewendet wird, da sich doch daran nichts geändert hat, daß der Großteil der Menschheit „mühselig und beladen“ ist, und viele, leider allzu viele — schwach sind?

Verteilen von Lebensmitteln, Ausspeisungen, unentgeltliche Beratungsstellen, Kurse und alle möglichen anderen Vorteile werden geboten. Gewiß sind oft edle Motive Anlaß hierzu, aber häufig genug, ist es das Bestreben, Menschen dadurch zu gewinnen.

Und erst die’„Schauspiele“! Haben sie heute Wähler AWáhhPcraft a n’Ét&’ iftlfcWOÍf3 es’ m ty&uifrWt, TÄÜfofBüBgÜ:;’ Fl&elWöfe oder Fackelzüge sind, ist es nicht immer dasselbe Eingehen auf die Schaulust der Menge? Haben ihr nicht immer Aufmärsche, Paraden, Feste und Feiern Freude gemacht? Die richtige Aufmachung, die gute Regie, ist, ebenso wie im, Schauspiel, für den Erfolg maßgebend: da werden alle Register gezogen, um auf Ohr und

Auge, auf die Einbildungskraft zu wirken; Musik, Lichteffekte und Farbwirkungen in allen Variationen werden eingesetzt, um die Manifestationen eindringlicher zu gestalten.

Während wir Standarten und Fahnen, Abzeichen und die Verwendung bestimmter Farben und Symbole ebenfalls solchen Hilfsmitteln zuzählen können, eignen sich hingegen besondere Kennzeichen in Begrüßung und Kleidung, wie das Einhalten besonderer Normen, eines Rituals, vornehmlich dazu, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Anhängerschaft zu heben und nach außen zu demonstrieren.

Ein besonderes Kapitel ist die politische Werbung in den öffentlichen Vertretungskörpern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Reden und Demonstrationen in solchen Körperschaften, die Einbringung und Annahme von Gesetzen, ja sogar die Abführung politischer Prozesse propagandistisch ausgewertet, ja oft nur oder hauptsächlich zu diesem Zweck veranstaltet werden. Alle in der Breite der Oeffentlichkeit erhobenen demagogischen Forderungen, alles „Zum-Fenster- hinaus-Reden" ist somit als politische Propagandahandlung zu werten.

Zum Schluß sei noch auf eine ganz besondere, auf die edelste Form der politischen Beeinflussung hingewiesen, auf das Beispiel. Seit jeher ging eine große suggestive Kraft von ihm aus, besonders, wenn Mitglieder einer Bewegung aus idealen Motiven Leiden auf sich genommen haben.

Es wäre unrecht und frivol, wollte man Handlungen, welche wirklichem Heldentum und idealer Opferbereitschaft entspringen, in eine Reihe mit taktischen Erwägungen stellen. Es ist aber kein Zweifel, daß von Opfern, angefangen vom Verlust der Freiheit bis zum Opfer des Lebens, dem Martyrium immer und jederzeit eine gewaltige Wirkung ausgestrahlt hat, sie mag beabsichtigt gewesen sein oder nicht.

Sich mit politischer Propaganda zu beschäftigen. heißt, sich mit dem sichtbarsten und zeitweise aufschlußreichsten Bereich des politischen Lebens zu befassen. Man erkennt wohl jedes politische Wirken an seinen Früchten, früher jedoch kann man es nach seiner Propaganda beurteilen.

Politische Propaganda an sich ist in gleicher Weise wie die Politik selbst weder gut noch schlecht. Erst die Zwecke, denen sie dient, und die Art und Weise ihrer Handhabung entscheiden darüber, ob sie heilsam oder verderblich wirkt.

Deshalb kann der Wunsch nicht eindringlich genug ausgesprochen werden, es mögen sich gerade die ethisch höchststehenden Menschen den Fragen des Gemeinschaftslebens widmen und sich nicht abseits von ihnen halten.

Was die Notwendigkeit und die positiven Möglichkeiten der Propaganda beweist und mit ihren Schattenseiten versöhnt, ist die weltgeschichtliche Erfahrung:

Niemals kann eine Idee so gut sein, um der Werbung entraten zu können.

Niemals jedoch kann die Propaganda so vollendet sein, um einer wertlosen Idee auf die Dauer Geltung zu verschaffen.

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