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Wähler wollen keine Experimente
Die Freien Demokraten über-sprangenen, entgegen den meisten Voraussagen, in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nicht nur die Fünf-Prozent-Hürde, sondern erzielten sogar bessere Ergebnisse als vor vier Jahren.
An die zwölf Millionen Wähler waren aufgerufen - und die Meinungsmacher erklärten deren Votum im voraus für eine Richtungswahl. Sie sollte entscheiden, ob die Bonner Koalition CDU-CSU-FDP am'Scheitern der FDP zerbricht. In den Couloirs wurden bereits Namen der Minister einer großen Koalition mit Wolfgang Schäuble, dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der CDU, als Kanzler gehandelt. Joschka Fischer, der populärste Politiker der Grünen, hatte bereits Wetten über das Zustandekommen der „unheiligen Allianz" von Christ- und Sozialdemokraten abgeschlossen.
Es kam aber ganz anders. Die Bonner Begierungskoalition wurde gestärkt. Die absolute Mehrheit der Sozialdemokraten im Bundesrat, der Vertretung der Länder, durch das Ausscheiden der SPD aus der Regierung in Stuttgart, geschwächt. Die „totgesagten" Freien Demokraten wurden selbstbewußter. Der Traum der Grünen, sich in Bonn an der Macht zu beteiligen, ausgeträumt.
Trotz der über vier Millionen Arbeitslosen, einem Nachkriegsrekord, sind die Wähler offensichtlich überzeugt, daß die bürgerlichen Parteien ein zuverlässigerer Garant für die Bewältigung der sozialen Probleme sind, als die Sozialdemokraten mit ihrem populistischen Parteichef Oskar Lafontaine. Die Mehrheit der Bundesbürger - so sieht es auch SPD-Bundestagsvizepräsident Ulrich Klose -lehnt rot-grüne Experimente ab.
Gerade in einer Krisensituation, wo es um Sicherung des Besitzstandes der Bürger geht, wollte man nicht die Opposition stärken, die nach Meinung der Wähler keine klare politische Linie hat und die in sich zerstritten und in Flügelkämpfe verwickelt ist.
Und die Grünen mit ihrem weltfremden Programm der ökologischen Steuer, die ausgerechnet in einer Zeit der sozialen Abstriche eingeführt werden soll, sind für die Mehrheit der Bundesdeutschen noch immer nicht regierungsreif.
Gerade der Wunsch nach einer „dritten Kraft" zwischen den beiden Volksparteien CDU und SPD war es, der der FDP zugute kam. Man war sich bewußt, daß das Verschwinden der Liberalen von der politischen Szene eine Lücke hinterlassen würde, die unübersehbare Folgen für das Land haben könnte.
Die Karten sind nun für weitere 16 Monate, in welchen in der Bundesrepublik keine Wahlen stattfinden, neu gemischt. Die Bundesregierung wird - wie Kohl ankündigte - zur politischen Offensive antreten.
Die Sozialdemokraten müßten sich, wenn sie 1998-ernsthaft an den Machtwechsel denken wollen, neu formieren. Die FDP bekam Zeit, ihre Reihen fester zu schließen. Und Bundeskanzler Helmut Kohl wird wohl 1998 wieder Kanzlerkandidat der Christdemokraten werden.
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