Was "links-link" ist
Wie politische Etikettierungen heute vonstatten gehen – und was sie über diejenigen, die sie äußern, aussagen können. Ein Gastkommentar von Josef Christian Aigner.
Wie politische Etikettierungen heute vonstatten gehen – und was sie über diejenigen, die sie äußern, aussagen können. Ein Gastkommentar von Josef Christian Aigner.
Heute hört man oft, dass politische Links-rechts-Schemata nicht mehr zeitgemäß seien: Die politische Großwetterlage habe sich so verändert, dass es anderer Parteilichkeiten – etwa für Maßnahmen zum Erhalt des Planeten – als der traditionellen bedürfe. Dennoch erleben diese Etiketten eine gewisse Renaissance. Davon ist „rechts“ insofern betroffen, als Rechte und Rechtsextreme in ganz Europa mit recht deutlich identifizierbaren Merkmalen (u. a. Feindseligkeit gegenüber Migrantinnen und Migranten, rassistische Zuschreibungen, Relikte aus der Nazizeit) stark zugelegt haben und sich auch selbst so verstehen. Insbesondere in Österreich haben sie durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ ungewohnte Prominenz erzielt.
Der Begriff „links“ – wie er von Mitte-Rechts-Politikern und Rechten gegen Andersdenkende verwendet wird – erscheint dagegen eher undifferenziert und ohne deutliches Identitätsmerkmal. Und während sich rechte Parteien und Strömungen selbstbewusst, aber wehleidig gegen angebliche Ausgrenzung durch Kulturschaffende oder Journalisten („Jagdgesellschaft“) wehren, verwenden sie selbst „links“, „linksextrem“ oder „links-link“ ausschließlich negativ und entwertend für all jene Menschen und Gruppen, die sich zum Beispiel für Flüchtlinge, gesellschaftliche Minderheiten, aber auch für radikales ökologisches Umdenken und gegen die ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums einsetzen.
Linke „Einheitsfront“
Der Weltmeister dieser „Links-Diagnostik“ ist zweifellos Herbert Kickl, der bei seinen recht verzweifelt wirkenden Versuchen, seine beschämende Demontage als (rechts-rechter?) Innenminister zu bewältigen, wild mit solchen Etikettierungen um sich schlägt. Bei ihm rückte sogar Mitte-Rechts-Kanzler Kurz nach links, weil er mit den gefährlichen Grünen koaliert. In den Medien (besonders im ORF) wittert Kickl – und mit ihm mancher Konservative – treffsicher eine links-linke „Einheitsfront“ und nach der Ernennung der aus Bosnien stammenden Alma Zadic zur Justizministerin warf er auch dem grünen (= linken) Bundespräsidenten vor, „Spielräume für gemeingefährliche links-linke Experimente“ (APA) zu ermöglichen! Wie das Zusammenwirken des „tiefschwarzen Machtapparats gepaart mit links-linken Anarcho-Experimenten“ (Kickl) praktisch vorstellbar ist, dafür blieb er allerdings jede Erklärung schuldig. Heinz-Christian Strache durfte diesem Kicklʼschen Punzieren jedenfalls um nichts nachstehen und attestierte sogar dem nunmehrigen Widersacher Norbert Hofer, er hätte beim Rausschmiss Straches aus der FPÖ „die Geschäfte der Linken“ erledigt.
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