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Wir haben den Bogen unseres Anspruchsdenken überspannt
Die empfindliche Niederlage der Regierungsparteien bei der Nationalratswahl vom vergangenen Sonntag hat deutlich gezeigt, daß auch die Wirtschaftspolitik der Koalition in keiner Weise honoriert wurde: Weder die leistungsfreundliche Steuerreform noch der großzügige Ausbau des Sozialnetzes fanden die erwartete Anerkennung. Ebensowenig hatte die Bekämpfung der Rezessionsfolgen durch hohe Staatsverschuldung positive Auswirkungen auf das Wahlverhalten.
Die neue Regierung wird es nun in der Wirtschaftspolitik sehr schwer haben: Sie sieht sich einerseits nach dem Verlust der qualifizierten Mehrheit im Parlament einer deutlich gestärkten Opposition gegenüber und muß andererseits höchst unpopuläre Maßnahmen treffen, um die Defizite im Budget und in der Leistungsbilanz unter Kontrolle zu bringen. Zugleich steht die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf dem Spiel. Ökologische Versäumnisse der Vergangenheit erfordern kostspielige Korrekturen. Es wäre falsch, den Versicherungen im Wahlkampf zu glauben, die in den letzten Jahren gezogenen Wechsel auf die Zukunft könnten angesichts des erwarteten Konjunkturaufschwungs und der EU-Mit- gliedschaft ohne materielle Opfer eines sehr großen Teils der Bevölkerung eingelöst werden.
Es wird sich — um nur ein Beispiel zu nennen — rächen, daß man Transferleistungen wie Pensionen oder Insolvenzgelder mit Krediten finanzierte, die kommende Budgets zusätzlich belasten.
Als einzig erfolgversprechender Ausweg bietet sich an, der Bevölkerung klar zu machen, daß wir den Bogen unseres Anspruchsdenkens überspannt haben. Es muß in Erinnerung gerufen werden, daß sich der Lebensstan dard der österreichischen Bevölkerung in den letzten 40 Jahren real verfünffacht hat.
Viele Sozialgesetze aber gehen noch immer davon aus, daß ein großer Teil unserer Landsleute an oder unterhalb der Armutsgrenze lebt (wobei auf die echten Notfälle oft vergessen wird). Wünschbarkeit darf nicht mit Machbarkeit und Finanzierbarkeit verwechselt werden. Die Koalitionsparteien müssen diesen Grundsatz bei aller Verschiedenartigkeit ihrer Interessen ohne erbitterten Streit in der Öffentlichkeit gemeinsam vertreten.
Das war in der Vergangenheit — auf Kosten der Glaubwürdigkeit -
oft nicht der Fall. Eine Regierung wird die großen wirtschaftspolitischen Aufgaben der nächsten Jahre nur lösen können, wenn die kleinkarierte Haxelbeißerei der profilierungssüchtigen Hinterbänkler und Parteisekretariate in den Hintergrund gedrängt und eine Politik verfolgt wird, die der eigenen — nicht der fremden - Anhängerschaft verständlich macht, was an Belastungen notwendig ist, zugleich aber auch erkennt, was dem Koalitionspartner gerade noch zugemutet werden kann. Sind die Verantwortungsträger von heute in ihrer Mehrzahl dazu imstande? Werden sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen?
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