Wissen um die Geschichte des Judenhasses fehlt

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Auf die Antisemitismuskritik von Martin Jäggle an einem "News"-Cover replizierte ­zuletzt die Artikelautorin Monika Wogrolly in der FURCHE. Ein Gastkommentar einer Antisemitismusforscherin zu dieser Debatte.

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Auf die Antisemitismuskritik von Martin Jäggle an einem "News"-Cover replizierte ­zuletzt die Artikelautorin Monika Wogrolly in der FURCHE. Ein Gastkommentar einer Antisemitismusforscherin zu dieser Debatte.

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Monika Wogrolly, promovierte Philosophin und Psychotherapeutin, ist mit ihrer News-Coverstory „Die Psychologie der Macht“ (15.4.2022) auf heftige Kritik gestoßen. Nicht nur durch eine äußerst problematische Ferndiagnose über die Charaktereigenschaften der Kontrahenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj, vielmehr geriet sie damit auch unter Antisemitismus­verdacht. Der Fokus der Kritik richtete sich auf die Charakterisierung Selenskyjs, den sie als (möglichen) „Histrioniker“ bezeichnet und damit ein krankhaftes theatralisches, geltungssüchtiges, übertrieben egozentrisches Verhalten zuschreibt. Wie ein Vampir müsse ein Histrioniker ständig seine innere Leere ausfüllen, indem er „lügt und blendet, um sich selbst zu beweisen, wie großartig er ist“. Als mögliche Triebfeder dafür vermutet sie das Nachwirken des „psychologischen Traumas seiner jüdischen Vorfahren“ und unbewusste Verschmelzungsfantasien mit dem „Übervater“.

Menschen, die sich mit Antisemitismus beschäftigen, und vor allem Jüdinnen und Juden assoziieren mit diesem Vampirbild nicht nur Ritualmordlegenden, sondern auch die antijüdische Propaganda vom „blutsaugenden Juden“ der Nationalsozialisten. Wogrolly hingegen kann dem Vorwurf des Antisemitismus kein Verständnis entgegenbringen und sieht sich trotz ihres christlichen Lebensstils einer medialen „Hexenjagd“ ausgesetzt.
Übertriebener Vorwurf?

In ihrer Verteidigung stilisiert sie sich zum unverstandenen Opfer eines völlig übertriebenen Antisemitismusvorwurfes sowie Sexismus, worauf sie allerdings nicht näher eingeht. Den Hinweis des katholischen Religionspädagogen Martin Jäggle auf die lange Tradition des christlichen Antisemitismus, den er in ihrem Vampirbild wiederzufinden glaubt, tut sie als eine auf Vorannahmen basierende „willkürliche Deutung“ ihres Textes ab. Mit der Erkenntnisbrille des „Anti­semitismusfahnders“ würde dieser ihren Worten eine toxische Aussagekraft und Explosivität verleihen, statt zu fragen, wie sie es tatsächlich gemeint habe.

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