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Wohnungs-Wirtschaft

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Das Wohnbauproblem steht gegenwärtig im Mittelpunkt der heißesten Debatten. Vorschläge und Forderungen sind reichlich vorgebracht, um eine Reihe von Streitpunkten wird heftig gekämpft. Sowohl links wie rechts macht sich im Grundsätzlichen eine weitgehende Desorientierung bemerkbar. Vor allem muß man in der Behandlung dieses wichtigen, das Wohl der breitesten Volksschichten angehenden Sachgebietes eine Ausrichtung nach den sozialethischen Gesichtspunkten nicht selten vermissen. Wir geben hier dem bekannten Dog-matiker christlicher Sozial- und Volkswirtschaftslehre zu einer prinzipiellen Auseinandersetzung das Wort. Der Autor selbst sagt zu seinem Aufsatz: „Ich weiß, daß keiner meiner Gadanken neu ist, jeder ist irgendwann von irgendwem schon ausgesprochen worden. Ich aber habe versucht, sie in eine logische Reihe zu bringen und so ihre ethisch-prinzipielle Richtigkeit schlüssig aufzuzeigen. Mögen diese Ausführungen zur Orientierung breiter Kreise beitragen.“

„Die Furche“

Nahrung, Kleidung und Wohnung sind die drei elementaren, körperlich-materiellen Bedürfnisse des Menschen. Die Arbeit insgesamt, die zur Erzeugung und Bereitstellung all der Sachgüter zur Befriedigung dieser Bedürfnisse erforderlich ist, nennen wir „Wirtschaft“. D i e Wohnungsvorsorge ist somit wesenhaft und naturhaft ein Zweig der nationalen Wirtschaft, nur unter diesem Gesichtspunkt richtig zu begreifen und sachgemäß zu bewältigen. Es ist dies eine Binsenwahrheit, deren Konsequenzen aber leider oftmals völlig übersehen und mißachtet werden. Es seien daher der wichtigsten einige angeführt.

1. Wohnungsbau und Wohnraumbeistellung ist eine ökonomische und nicht eine caritative Aufgabe der Völker.

Gewiß, für Fälle akuter oder außergewöhnlicher Notlage muß, genau wie bei Mangel an Nahrung und Kleidung, auch gegen die Obdachlosigkeit eine sofortige caritative Abhilfe versucht werden, in der Regel behelfsmäßig und für kurze Frist. Die Bibel führt ganz richtig „Hungrige speisen, Nackte bekleiden und Fremde beherbergen“ in einem Atem als Werke der Barmherzigkeit an. Der Vorgang ist dabei so, daß eine gewisse Menge auf normalem wirtschaftlichem Wege erzeugter Güter, nicht mehr auf normalem, wirtschaftlichem. Wege,, das ist gegen vollen Preis, sondern auf caritativem Wege, das ist verbilligt oder kostenlos dem Konsum zugeführt wird; niemand aber denkt daran, auf caritative Weise oder mit caritativen Methoden Wirtschaftsgüter zu produzieren! Die Erkenntnis des ausgesprochenökonomischen Charakters der Wohnungsvorsorge macht uns Aufgabe und Grenze der Caritas auf diesem Gebiet sichtbar.

Es ist begreiflich und erfreulich, daß in der außerordentlichen Wohnungsnot unserer Zeit idealgesinnte Menschen auch hier ihre helfende Hand anzulegen versuchen; ihr Bemühen ist aufrüttelnd, beispielgebend und in dieser Hinsicht von einem nicht zu unterschätzenden moralischen Wert; aber eine Illusion wäre es zu glauben, das Wohnbauproblem könnte auf diese Art gelöst oder auch nur spürbar erleichtert werden. Dies kann vielmehr nur in der Weise erreicht werden, daß die Wohnungswirtschaft wieder als regulärer Wirtschaftszweig freigemacht wird.

2. Wirtschaft ist eine Tätigkeit der freien Gesellschaft. Wenigstens war sie das bisher in der Menschheitsgeschichte und ist es heute noch überall dort, wo nicht aus ideologischen Vorurteilen und gewalttätig die Wirtschaft zu einer Tätigkeit des Staates gemacht wird. So wie wir aus ethischem Prinzip und aus praktischer Erfahrung die Kolchosen in der Landwirtschaft ablehnen und die Sozialisierung in der Industrie als ausnahmsweisen Notbehelf auf engbegrenzte Einzelfälle einschränken müssen, so müssen wir aueh die Verstaatlichung und Monopolisierung sowohl des Hausbesitzes, als des Wohnungsbaues, als des Wohnungsmarktes grundsätzlich verwerfen und bekämpfen, gleichviel, ob sie auf legalem Wege direkt, oder auf kaltem Wege indirekt herbeigeführt werden soll,

Wie in allen anderen Zweigen, be-dculet der Staatseingriff auch in der Wohnungswirtschaft Lahmlegung der produktiven Tätigkeit, Ausschaltung der wirtschaftlichen Mitspielskräfte und somit nicht eine Behebung, sondern eine Verschärfung der Wohnraumnot. Ihre Überwindung ist undenkbar und unmöglich, ohne daß im Wohnungswesen die gesellschaftliche Freiheit wieder hergestellt und der wirtschaftliche Kreislauf wieder aufgemacht wird. Ohne die tausenderlei denkbare private Bautätigkeit kann die Lösung nicht gefunden werden; die einerlei ausgerichtete öffentliche Bautätigkeit kann nur zusätzliche Hilfe bringen. Die eigentliche und große Aufgabe der öffentlichen Hand liegt, wie wir sehen werden, in ganz anderer Richtung.

3. „Wirtschaften“ heißt, mit möglichst geringem Aufwand einen möglichst großen Nutzeffekt, also einen Überschuß, einen „Gewinn“ erzielen. Jedermann arbeitet in erster Linie für sich und seine Familie und arbeitet um dieses Gewinnes willen. Wo „es sich nicht mehr rentier t“, hört die „W i r t-schaff1 auf.

Der Bauer darf keine Pflanzung anlegen, die nicht ihren Ertrag einbringt; der Industrielle muß unrentabel gewordene Erzeugungszweige auflassen; die Arbeiter fühlen sich zum Streik getrieben, wenn sie ihre Arbeit unterbewertet finden. Was in den anderen Wirtschaftszweigen recht ist, muß in der Wohnungswirtschaft als billig anerkannt werden. Der Wohnungspreis, die Miete also, muß die aufgewendeten Kosten decken (das ist Forderung der Verkehrsgerechtigkeit) und muß irgendwie doch auch die Mühe der Hausverwaltung und -erhaltung lohnen (das ist Forderung der sozialen Gerechtigkeit). Wo diese Doppelforderung nicht mehr erfüllt wird, kann von „Wirtschaft“ ' nicht mehr die Rede sein, dort hört auch die Tätigkeit auf. Das ist keine freie und geordnete Gesellschaft mehr, die einer vollbrachten Leistung Kostenersatz und Lohn verweigern will.

Was bei uns unter dem Schlagwort vom Mieterschutz geschieht, ist nichts anderes als der groteske Versuch, einen ganzen Wirtschaftszweig umzukrempeln in einen Fürsorgezweig. Welche noch so starke Volkswirtschaft könnte das auf die Dauer ohne schwerste Schädigung ertragen! Dabei wird die Fürsorgelast nicht gleichmäßig dem ganzen Volk, sondern durch eine Art Ausnahmegesetz den Hauseigentümern aufgebürdet, auch zugunsten solcher Mieter, die in besten Einkommensverhältnissen leben oder durch Untermiete einen wucherischen Nebenerwerb erzielen. Für einen Staat, der Rechtsstaat sein will, ein wenig rühmlicher Zustand! Angesichts dieser Lage können die Politiker sich nicht mehr in Unschuld die Hände waschen mit dem gern gemachten Hinweis auf die ungewöhnliche Schwierigkeit der Frage; wenn ihre Politik noch Staatskunst sein will, dann müssen sie hier Ausweg und Abhilfe finden können, ohne daß eine Erschütterung des Lohn-und Preisgefüges oder eine Überbelastung der Arbeiterschaft verursacht wird. Und vielleicht kommt es mehr auf den guten Willen als auf das große ICön-nen an.

Den Mieterschutz in Ehren in allen Fällen, wo der Mieter der Gefahr der Ausbeutung ausgesetzt ist! Wird aber der Hauseigentümer ausgebeutet, dann müßte es auch für ihn den gleichen Schutz geben. Was in Wahrheit des gesetzlichen Schutzes wert ist, ist nicht das einseitige Interesse des einen oder des anderen, sondern die Mietengerechtigkeit, der beide Teile sittlich unterworfen sind. Ist erst der gerechte Preis der Wohnung gefunden und gesichert, dann ist der Weg für eine gesunde Entwicklung der Wohnungswirtschaft wieder offen.

4. Alle wirtschaftlicheTätigkeit dient nicht einzig der materiellen Bedürfnisbefriedigung, sie soll vielmehr die Voraussetzung schaffen zur geistigen und sittlichen Erhöhung der Persönlichkeit. Hiezu ist nach allgemeiner Anschauung der Naturrechtslehrer „das Sondereigentum in hervorragendem Maße berufen. Das Eigentum an Haus oder Wohnung ist außerdem für die freie und selbständige Entfaltung des Familienlebens von unberechenbarer Bedeutung,- Deshalb muß gerade in unserer Zeit, da Besitzlosigkeit eine Massenerscheinung geworden ist, auch in der Wohnungswirtschaft der Eigentumsbildung ein besonderes Augenmerk zugewendet werden.

Demgemäß sind die Eigenheim-werber ganz besonders zu fördern, ob sie nun das Einfamilienhaus oder das Stockwerks- oder Wohnungs-eigentum anstreben, ob sie allein oder genossenschaftlich sparen oder hauen wollen. Dabei ist es. keineswegs eine

Ungerechtigkeit, sondern lediglich die Folge der wirtschaftlichen Natur des Wohnungswesens, daß dabei jene Wohnungssuchenden zuerst zum Zuge kommen, die bereits durch Baugrundbesitz oder Ersparnisrücklagen eine besondere Voraussetzung hiefür mitbringen; den völlig Mittellosen kommt die Eigenheimbewegung indirekt zugute, indem jede neue Eigen wohnung den Wohnqngs-rnarkt für die anderen entlastet.

Da nicht alle Menschen Eigenheime erwerben wollen und können, darf auch der Miethausbau nicht gehemmt oder vernachlässigt werden.

5. Aller gesellschaftlichen Tätigkeit, also auch der Wirtschaft, steht der Staat in dienender Rolle gegenüber; er hat die wirtschaftliche Tätigkeit nur zu ergänzen, zu unterstützen, zu kontrollieren, er darf sie nicht beherrschen, geschweige denn unterdrük-ken oder von Staats wegen ersetzen wollen.

Vom Naturrecht her gesehen, muß es als ungerechtfertigte Überspannung der Regierungsgewalt und Ausbeutung der Steuerkraft bezeichnet werden, wenn die öffentliche Hand mit Steuergesetzen Gelder zusammenbringen will, um sie dann, simpel wie jeder private Bauherr, in Häusern zu investieren. Für Staatskunst müssen denn doch höhere Ziele gesteckt, für Steuergelder ein befruchtenderer Einsatz gesucht werden! Mit seinen Gesetzen muß der Staat der privaten Bautätigkeit die Wege ebnen, ausreichenden und billigen Baugrund sicherstellen, für die behördlichen Formalitäten eine einfache und wohlwollende Abwicklung garantieren, die Baustofferzeugung anregen, die in jeder Konjunktur erwachenden Gewinntriebe auch in der Baustoffindustrie zügeln, funktionslosen Zwischenhandel ausschalten und vieles ähnliche. Seine Finanzkraft aber muß der Staat dazu einsetzen, gehörtete Gelder aus dem Sparstrumpf hervojzu.lQ.Gken. Privatkapital für den Wohnungsbau zu interessieren, sei es durch öffentliche Ausfallshaftung für Zins- und Rückzahlungsquoten, sei es durch Steuerbegünstigungen für die Hypothekargläubiger, sei es durch Einräumung einer Valorisierungsklausel für Baudarlehen und Pfandbriele. Und ehe der Fiskus seine Steuergelder selbst verbaut, ist noch einmal die bessere Verwertung die, welche zweite Hypotheken gibt, deren Annuitäten in ihren Säckel zurückfließen und zum gleichen Zwecke abermals fruchtbar gemacht werden können. N i r-gends anders kann die echte Subsidiarität des Staates größeren Segen stiften, als bei der Ankurbelung der Wohnungswirtschaft.

Zweck aller Arbeit, auch der Wirtschaft, ist nicht ein an Macht und Besitz gesättigter Staat, sondern der in seiner Freiheit und Entfaltung gesicherte Mensch. Gebt dem Menschen, auch dem Wohnungssuchenden, die Möglichkeit, sich selbst zu helfen, dann habt ihr ihm am besten geholfen!

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