Würden Sie Österreich mit der Waffe verteidigen?

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Die hiesige Regierung lehnt Assistenz bei der Entminung der Ukraine ab, weil dies eigene Soldaten gefährden würde. Ist diese Argumentation legitim? Ein Gastkommentar über Post-Heroismus.

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Die hiesige Regierung lehnt Assistenz bei der Entminung der Ukraine ab, weil dies eigene Soldaten gefährden würde. Ist diese Argumentation legitim? Ein Gastkommentar über Post-Heroismus.

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Am Pfingstwochenende wurde einmal mehr klargestellt, dass keine Soldaten des österreichischen Bundesheeres zur Entminung in die Ukraine entsendet werden: „Wer österreichische Soldaten in ein Kriegsgebiet schicken will, der riskiert, dass sie nicht mehr lebend zurückkommen“, hatte Karl Nehammer bereits vor zwei Wochen verlautbart.

Derartige Aussagen kommen nicht von ungefähr. Vielmehr stehen sie exemplarisch für etwas, das der deutsche Politologe als „postheroische Gesellschaften“ umschrieben hat. Die Bereitschaft, sein Leben in einem anderen Land zu riskieren, ist naturgemäß noch niedriger als bei der eigenen Heimat. Und sie ist nicht einmal da sonderlich hoch: Einer älteren Umfragen – aus dem Jahr 2015 – zufolge würden nur etwa 21 Prozent der Befragten ihr Land mit der Waffe verteidigen, in Deutschland 18 Prozent.

Daran dürfte sich trotz der russischen Aggression gegen die Ukraine wenig geändert haben, ganz im Gegenteil: Laut einer Erhebung vom Februar 2023 sind nur zehn Prozent der Deutschen „darauf eingestellt“, im Kriegsfall zur Waffe zu greifen, nur fünf Prozent würden das freiwillig tun. Dem steht ein Viertel entgegen, das Reißaus nehmen würde. Für Österreich gibt es (noch) keine vergleichbare rezente Umfrage. Man darf aber davon ausgehen, dass es nicht wesentlich anders aussieht.

„Die Waffen nieder!“

Das war nicht immer so. Im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es noch den „Heldentod“, auf dem Schlachtfeld trat der Einzelne hinter der größeren Sache zurück: „Ein Reich, ein Staat lebt ein längeres und wichtigeres Leben als die Individuen. Diese schwinden, Generation um Generation, und das Reich entfaltet sich weiter; wächst zu Ruhm, Größe und Macht, oder sinkt und schrumpft zusammen und verschwindet, wenn es sich von anderen Reichen besiegen lässt“, stimmt der fiktive Vater der Protagonistin in Bertha von Suttners Pazifismus-Klassiker „Die Waffen nieder!“ von 1899 sein Loblied auf patriotische Kriege an.

Von Suttner kritisierte den kollektiven Wahn, für Staat und Reich kämpfen und gegebenenfalls sterben zu müssen, ja gar zu „dürfen“. Lebte sie doch in einer Welt, die wir hinter uns gelassen haben: Eine Welt, in der der Krieg als unabdingbare Möglichkeit erscheint, Ehre zu erlangen und zu verteidigen. Lange Phasen des Friedens galten hier nicht als Errungenschaft, sondern als fehlende Gelegenheiten.

Wohin das geführt hat, ist bekannt. Daher ist Westeuropa seit Ende des Zweiten Weltkriegs dazu übergegangen, kriegerische Notwendigkeiten mit friedlichen Versprechen zu ersetzen: freiwillige Kooperation statt Aggression und Eroberung, individueller Wohlstand statt nationalem Ruhm. Eine Denkart, die nach dem Kalten Krieg Richtung Osten erweitert wurde.

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