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Diplomaten aus Belgrad abziehen!

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Welche Erleichterung war das, als sich die EG des Jugoslawien-Problems annahm: So, jetzt geht's uns nichts mehr an. Nein. Natürlich sagte das niemand offen, aber ein paar öffentliche Erklärungen klangen so ähnlich. Unsere Parlamentarier begründeten dann mehrheitlich in einer Sondersitzung des Nationalrates, warum ein Alleingang in der Frage der Anerkennung unangemessen sei, und jetzt sind alle heilfroh, daß eine Anerkennung angeblich sowieso nichts mehr nützen würde.

Indes sterben in Kroatien weiter Menschen und immer mehr werden als Flüchtlinge heimatlos. Vor einer Libanonisie-rung in unserem Nachbarstaat wurde gewarnt, aber es wird nichts Ernsthaftes getan, um sie zu verhindern.

Niemand kann Gewähr geben, daß sich die kommunistischen Militärs nicht wieder Slowenien zuwenden, wenn sie auf ihre Weise in Kroatien „Ordnung" gemacht haben. Ständig droht die EG damit, daß sie irgendwelche

Maßnahmen ergreifen würde, aber niemand nimmt diese Drohungen ernst. Dabei sind uns die Kroaten sehr nahe. In jeder Beziehung. Aber die Mehrheit der Europäer geht zur Tagesordnung über, wenn mitten in Europa ein Problem mit Waffengewalt gelöst werden soll.

Es redet auch niemand mehr über die Albaner im Kosovo, die sich mit einer Gandhi-Politik gegen die serbische Unterdrückung wehren. Sie wurden aus dem Wortschatz der europäischen Politik ausgegliedert, wie es dieser Tage Professor Hrvoje Kaciv formulierte, der Vorsitzende des Komitees für außenpolitische Angelegenheiten im kroatischen Parlament.

Der Wissenschaftler, den es in die Politik verschlagen hat, machte vor dem Ennstaler Kreis auch eine Bemerkung, die weitergedacht werden sollte. Er fragte nämlich, warum es denn keine Überlegungen gäbe, die diplomatischen Beziehungen zu einem Staat abzubrechen, dessen staatliche Organe nicht mehr funktionieren. Man könnte ja einige untergeordnete Organe in Belgrad lassen, meinte der Rechtsanwalt und

Spezialist für Seerecht: „Was haben diplomatische Vertreter in einem Staat noch zu tun, wenn es niemanden mehr gibt, mit dem sie reden können?"

Der Mann hat recht. Wer vertritt eigentlich noch den Staat Jugoslawien? Das Staatspräsidium, dessen Präsident nicht mehr zu den Sitzungen kommt? Eine Regierung, die längst gezeigt hat, daß sie gegenüber den Militärs völlig machtlos ist? Der Verteidigungsminister, der zu Friedensverhandlungen fährt, um dann zu erklären, er habe nichts unterschrieben?

Wenn schon niemand mit einer Anerkennung Kroatiens vorpreschen will und wenn schon eine gemeinsame Anerkennung auf beträchtliche Schwierigkeiten stößt - warum wird nicht wirklich dieser Schritt getan: Abzug der diplomatischen Vertretungen, um wenigstens einmal zu demonstrieren, daß es Grenzen für Brüskierungen und die ständige Mißachtung internationaler diplomatischer Gepflogenheiten gibt.

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