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Diplomatie mit doppelter Zunge

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In einigen außenpolitischen Bereichen verwirrt Frankreich augenblicklich seine Partner durch eine zweideutige Sprache, wobei die Hintergründe dafür nicht so leicht zu ergründen sind. v

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In einigen außenpolitischen Bereichen verwirrt Frankreich augenblicklich seine Partner durch eine zweideutige Sprache, wobei die Hintergründe dafür nicht so leicht zu ergründen sind. v

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Die Eröffnungsrede des französischen Präsidenten bei der jüngsten französisch-afrikanischen Konferenz in der Zaire-Hauptstadt Kinshasa enthielt eine scharfe — man kann sagen polemische — Kritik der amerikanischen Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. Als diese unfreundlichen Sätze internationales Aufsehen erregt hatten, beschwerte sich Mitterrand über eine angeblich zu

sensationelle Berichterstattung der französischen Nachrichtenagentur. Außerdem überraschte er eine Gruppe ausgewählter französischer Journalisten durch ein besonders warmes Bekenntnis zur französisch-amerikanischen Zusammenarbeit und zur atlantischen Allianz.

Parallel hierzu führte der französische Außenminister in Kinshasa ein längeres Gespräch mit einem Mitglied der Pariser USA-Botschaft, worin er seine völlige Ubereinstimmung mit der amerikanischen Afrikapolitik bekundete. Dies hinderte ihn nicht, kurz danach in Tansania die amerikanische Haltung gegenüber Angola und den dort stationierten kubanischen Soldaten öffentlich scharf zu kritisieren, obwohl sich die französische Diplomatie diskret in enger Verbindung mit den Amerikanern eifrig darum bemüht, die Voraussetzungen für den Abzug der Kubaner zu schaffen.

In die entgegengesetzte Richtung liefen die Gespräche des amerikanischen Unterstaatssekretärs für Afrika, als er sich drei Tage lang in Paris mit allen zuständigen Instanzen über die gemeinsame Aktion auf dem Schwarzen Erdteil unterhielt und befriedigt abreiste.

Der französische Präsident und seine Minister scheinen antiamerikanische Erklärungen für zweckmäßig zu halten, sobald sie Vertretern der Dritten Welt gegenüberstehen. Im August wendete diese eigenartige Methode der Kulturminister Lang auf einer großen UNESCO-Konferenz in Mexico an, im September Premierminister Mauroy in der Generalversammlung der Vereinten Nationen und im Oktober Mitterrand in Kinshasa.

Man vergißt in Paris allerdings, daß die Dritte Welt auf derartige Verbaldemonstrationen keinen Wert legt, es ihr nicht an zuverlässigen Informationen über die tatsächlich enge Koordinierung zwischen Paris und Washington mangelt und sie außerdem realistisch feststellt, daß in klingender Münze die amerikanischen Hilfskredite unverändert weit substantieller sind als die französischen.

Es besteht die berechtigte Vermutung, daß sich Mitterrand und seine Minister verpflichtet fühlen, auf die sozialistische Partei und in gewissen Grenzen auch auf die Kommunisten Rücksicht zu nehmen. Im sozialistischen Parteiapparat befaßt sich eine einflußreiche Gruppe bevorzugt mit Lateinamerika und zusätzlich mit den mehr oder weniger revolutionären Bewegungen Afrikas.

Als Frankreich entgegen seiner ursprünglichen Absicht plötzlich beschloß, sich in der UNO-Ab-stimmung über den Falklandkonflikt dieser Tage der Stimme zu enthalten, war dies weniger eine liebenswürdige Geste für die britische Premierministerin, die gerade zu der jährlichen französisch-britischen Regierungskonferenz in Paris eintraf, als ein Entgegenkommen an die Sozialistische Partei, der eine Unterstützung des von ihr als mehr oder weniger faschistisch betrachteten Argentiniens widerstrebt.

Im gleichen Augenblick wurde übrigens bekannt, daß sich ein recht ungewöhnlicher „wandernder Botschafter", gerade vom Ministerrat ernannt, nach Argentinien begeben will, um dort mit den Vertretern der Opposition Kontakt aufzunehmen und sich ein persönliches Bild über die Verletzung der Menschenrechte zu machen.

Dieser Sendbote ist kein Diplomat, sondern ein reines Produkt des sozialistischen Parteiapparates. Zudem untersteht er nicht dem Außenminister, sondern dem Premierminister. Er arbeitet in enger Verbindung mit dem Castro-Freund Regis Debray, der im französischen Präsidialamt als Vertreter Mitterrands die Beziehungen zu Lateinamerika abseits von der offiziellen französischen Diplomatie und nicht selten gegen sie pflegt.

Die französische Afrikapolitik leidet unter der Rivalität zwischen Entwicklungsminister Jean-Pierre Cot und Außenminister Cheysson. Die Koordinierung zwischen den beiden Ministerien ist ausgesprochen schlecht. Die Mitarbeiter des Entwicklungsministers unternehmen in Afrika mehr oder weniger peinliche Demarchen, ohne vorher das Außenministerium zu unterrichten. Sie interessieren sich vor allem für die revolutionären Kräfte des Kontinents und stoßen verständlicherweise bei den gemäßigten Regierungen auf erhebliches Mißtrauen.

Das Außenministerium b?at nicht immer die Möglichkeit, rechtzeitig Fehlleistungen zu korrigieren. Deswegen kam es z. B. zu einer fühlbaren Abkühlung des französischen Verhältnisses zu Marokko.

Bekanntlich kam im August die jährliche Gipfelkonferenz der Organisation der afrikanischen Einheit nicht zustande, weil sie von einem nicht kleinen Teil der afrikanischen Regierungen wegen der Zulassung der antimarokkanischen Polisario-Bewegung der westlichen Sahara boykottiert wurde. Während sich in dieser Frage das französische Außenministerium neutral verhielt, versuchte Cot verschiedene afrikanische Staatschefs zu veranlassen, auf ihren Boykott zu verzichten. Hierfür rächte sich der marokkanische König, indem er einen seit langem für Ende Oktober vereinbarten Staatsbesuch Mitterrands absagte.

Reich an Widersprüchen sind schließlich die Beziehungen zu Spanien. Der Wahlsieg der Sozialisten löste natürlich in Paris laute Genugtuung aus, aber die zwischen den beiden Ländern bestehende Interessenkluft vermag dadurch nur vorübergehend und scheinbar überbrückt zu werden.

Um das versprochene Referendum über das Verbleiben Spaniens in der NATO möglichst lange hinausschieben zu können, benötigt die neue sozialistische Regierung eine schnelle Einigung in Brüssel für die Aufnahme Spaniens in die Europäische Gemeinschaft. Mitterrand kann es sich bei seinen augenblicklichen innenpolitischen Spannungen nur schwer leisten, Spanien im wirtschaftlichen Bereich aus politischen Gründen entgegenzukommen.

Eine ernste Meinungsverschiedenheit verbleibt ferner für die Bekämpfung des Terrorismus. Auch die sozialistische Regierung erwartet von Frankreich die Verweigerung des Asylrechtes für die baskischen Extremisten, die mit Gewaltakten die Demokratie zerstören wollen. Das uneingeschränkte politische Asyl ist jedoch für die französische sozialistische Partei geradezu ein Glaubensbekenntnis.

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