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Dirigismus verschärft nur

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Die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Energiekrise sind auch heute, 100 Tage nach ihrem Ausbruch, noch nicht zu übersehen. Zunächst soll die aktuelle Energiekrise im Zusammenhang mit den von den Zukunftsforschern behaupteten „Grenzen des Wachstums“ beurteilt werden; kurzfristig haben wir dabei zu berücksichtigen, daß der Ausbruch der Energiekrise in eine Phase der Konjunkturabschwächung fällt.

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Die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Energiekrise sind auch heute, 100 Tage nach ihrem Ausbruch, noch nicht zu übersehen. Zunächst soll die aktuelle Energiekrise im Zusammenhang mit den von den Zukunftsforschern behaupteten „Grenzen des Wachstums“ beurteilt werden; kurzfristig haben wir dabei zu berücksichtigen, daß der Ausbruch der Energiekrise in eine Phase der Konjunkturabschwächung fällt.

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Wir haben demnach stets zu unterscheiden, wovon wir sprechen: ob von der Energiekrise als einem strukturpolitischen Problem unserer Wirtschaft oder aber von aktuellen Phänomenen unserer Konjunkturentwicklung — der Lohnkosteninflation, dem Preisauftrieb, der sinkenden Ertragslage der Unternehmungen und den Investitonseinschränkungen als Folge einer sich verschlechternden Auftragslage. Die Behandlung dieser beiden ökonomischen Probleme macht den Einsatz vieler und unterschiedlicher Instrumente unserer Wirtschaftspolitik erforderlich, ihre befriedigende Lösung erscheint mir nur dann möglich, wenn alle Kräfte unseres Landes von der Einsicht getragen sind, daß dazu immer noch die marktwirtschaftlichen Methoden am besten geeignet sind.

Ich kann nicht verhehlen, daß sich auf Grund zahlreicher Äußerungen die Sorge aufdrängt, daß die gegenwärtige Energiekrise manche aufgestaute anti-marktwirtschaftliche Vorstellungen aufkommen läßt. Ich halte das nicht nur für ordnungspolitisch äußerst bedenklich, sondern bin darüber hinaus auch der Meinung, daß staatlicher Dirigismus nur dazu beiträgt, die großen wirtschaftlichen Probleme zu verschärfen, wenn nicht sogar unlösbar zu machen.

Ich habe eingangs erwähnt, daß die gegenwärtige Energiekrise vor afflem ein strukturpolitisches Problem ist. Ein Energierohstoff ist knapp und damit teurer geworden. Das muß zwangsläufig dazu führen, daß der Anteil der Energiekosten an den Gesamtproduktionskosten steigt und damit neben anderen Faktoren — ich denke da nur an die progressiv steigenden Lohnkosten — die Produktionskosten maßgeblich erhöht. Ähnliches gut, wenn auch mit geringerem Gewicht, für die Energiekosten der privaten Haushalte.

Wichtig ist, hervorzuheben, daß der Preismechanismus als einer der entscheidenden Faktoren unseres marktwirtschaftlichen Systems Rohstoffengpässe Signalisiert. Dieser Pneismechanismus weist uns darauf hin,

• neue Rohstoffvorkommen zu suchen;

• alternative Rohstoffe zu verwenden;

• neue Produktionsverfahren zu entwickeln;

• neue Produkte zu erzeugen und auf den Markt zu bringen.

Wäre dieser Preismechanismus ausgesChaflttet, so würde diese Selbstregulierung nicht erfolgen, was einen erheblichen gesamtwirtschaftlichen Aufwand zur Folge hätte. Gerade am Energiesektor läßt sich leicht beweisen, daß allein die Marktwirtschaft in der Lage ist, rasch auf Engpässe zu reagieren und darüber hinaus Probleme der Produktion und der Versorgung zu lösen.

Selbstverständlich ist es nicht nur der Preismechanismus, der für eine rasche Beseitigung von Energieengpässen sorgt. Es sind dies vor allem die zahlreichen und vielfältigen Initiativen, die durch Preissignale ausgelöst werden. Diese Initiativen konkurrieren im marktwirtschaftlichen Wettbewerb mit sehr unterschiedlichen Lösungsvorschlägen um die Gunst entscheidungsfreier Konsumenten. Nur die besten Ideen können sich in einem demokratisch organisierten Staatswesen auf dem Markt durchsetzen. Wiederum erweist sich im Dienste einer optimalen Versorgung mit den preisgünstigsten Angeboten das marktwirtschaftliche System allen anderen Organisationsformen einer Volkswirtschaft überlegen.

Bei der Bewältigung der aktuellen Probleme der österreichischen Volkswirtschaft kommt selbstverständlich den Sozialpartnern und der Bundesregierung eine große Bedeutung zu. Ihre Aufgabe dabei besteht nur darin, in der gegebenen Situation die marktwirtschaftlichen Kräfte zu bremsen, wo die Gefahr einer verschärften Lohnkosteninflation droht, und sie anzuregen, wo Rohstoffengpässe eine Verringerung der Kapazitätsauslastung befürchten lassen. Dabei sollte stets davon ausgegangen werden, daß ein optimaler Konsens zwischen den politischen und wirtschaftlichen Kräften unseres Landes an der Regel zu den besten Lösungsvorschlägen führt.

Die Sozialpartner haben zu berücksichtigen, daß eine Erhöhung der Preise für bestimmte Produkte bei einer Energiekrise unvermeidlich ist, aber auch, daß es notwendig sein wird, diese Preiserhöhungen in engen Grenzen zu halten; sie müssen zugleich aber auch erkennen, daß massive Lohnforderungen Schwierigkeiten, besonders für die stark konjunkturabhängigen Sektoren unserer Wirtschaft, mit sich bringen.

Die Budget- und Geldpolitik hat die Aufgabe, den gesamtwirtschaftlichen Ausgabenspielraum mit den gegebenen Angebotsmöglichkeiten abzustimimen. Das erfordert in der Budgetpolitik sowohl realistische Einnahmenerwartungen als auch gezielte ausgabenpolitische Maßnahmen in Richtung der bevorzugten Förderung krisenanfälliger Branchen, also besonders der Export-, der Fremdenverkehrs- und der Bauwirtschaft. Darüber hinaus ist, soweit das budgetpolitisch geschehen kann, die Förderung von Forschungsvorhaben im Hinblick auf energiewirtschaftliche Engpässe stärker zu foerücksichtigen. Die restriktive Geldpolitik der Notenbank hat in den letzten Monaten zu großen Schwierigkeiten, vor allem in der anlage-und kapitalintensiven Produktion geführt. Hier wäre zu überlegen, ob nicht eine Lockerung der kreditpolitischen Fessel auch kostenmäßig günstige Wirkungen haben könnte.

Auf diese Weise könnte man auch dazu beitragen, die so stark steigenden Energiekosten ein wenig zu neutralisieren.

Im Mittelpunkt dieser Betrachtungen stand die Frage, ob die Energiekrise eine Änderung der Marktwirtschaft bringt. Ich denke, daß die Marktwirtschaft, wie schon so oft, gerade unter den gegebenen Bedingungen ihre Bewährungsprobe bestehen wird. Damit wir die großen wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit lösen können, sind vor allem zwei Voraussetzungen zu erfüllen: das Bekenntnis zu den marktwirtschaftlichen Methoden und die Bereitschaft aller wirtschaftspolitisch relevanten Kräfte, bei der Lösung dieser Probleme zusammenzuarbeiten.

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