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Raritätenausgrabungen sind in der Oper an der Tagesordnung. Auch solche kommen zum Zug, die zwar kaum noch auf eine Bühne gehievt werden können, aber immerhin auf Platten für den Musikfreund eine große Entdeckung bedeuten: Joseph Haydns „La fedeltä premiata” (Die belohnte Treue) ist sozusagen ein solcher „Fall”. Versuche, diese Festoper heute szenisch herauszubringen, wie dies in London, Kiel, Amsterdam, Zürich und Karlsruhe geschah, müssen wohl immer ein wenig im langweiligen Klischee steckenbleiben. Aber die Platte - Philips legt nun eine kritische Gesamtaufnahme vor-istein musikalisches Ereignis! Dank dem Dirigenten Antal Dorati, der mit dem Orchėstre de Chambre de Lausanne und dem Chor von Radio Suisse Romande eine musikalisch sehr feinfühlig gestaltete Wiedergabe voll eigenartiger Farben erarbeitet hat, und dank einem hervorragenden Solistenteam.

Der Anlaß für den Auftrag dieser „Fedeltä” war eine festliche Eröffnung: Nikolaus Esterhäzy, der Prachtliebende, entschloß sich, nach dem Brand seines Opernhauses auf Esterhäza (1779) ein neues, noch prunkvolleres Theater zu errichten. Kostbare Streichinstrumente, Noten, darunter auch Aufführungsmaterial der Haydn-Sym- phonien, ein Teil der Bibliothek waren zwar zerstört worden. Aber zum Glück nicht Haydns Autogra- phe, die er in seiner Wohnung aufbewahrte. Esterhäzy forderte von Haydn möglichst rasch eine neue Partitur, ein neues Werk, und er drängte so sehr, daß nicht einmal Zeit blieb, den Hausdichter Trava- glia mit einer Neufassung eines alten Stoffs zu beauftragen. So daß Haydn nach (sattsam bekannter Un-)Sitte des 18. Jahrhunderts sich einfach ein Libretto eines Konkurrenten aussuchte.

Er stieß auf Domenico Cimarosas „L’Infedeltä Fedele”, nach einem Libretto Lorenzis. Das neapolitanische Teatro del Fondo war damit erst 1779 eröffnet wörden. Um Verwechslungen zu vermeiden, nannte Haydn sein Werk einfach „La Fedeltä premiata”.

Wieviel Festlichkeit und Klangluxus Haydns Oper mit ihren Kesselpauken, Fortissimo-Finali, ihren großen Steigerungen und schönen Partien verbreitet haben muß, das gelingt auch der Aufnahme, dem Zuhörer zu vermitteln. Ein Bombenerfolg also. Ja, auf Esterhäza wurde die „Fedeltä” auch in der nächsten Saison mehrmals gespielt; dann entschloß sich die Opemtruppe des Grafen Erdödy, das Werk in deutscher Sprache herauszubringen; in Preßburg gefiel die „Fedeltä” ebenso. Und Emanuel Schikaneder nahm sich des Hits sogar im Kärntnerthor- Theater an, wo Kaiser Josef II. 1784 eine Aufführung besuchte.”

H. C. Robbins Landon entdeckte Haydns Oper 1958 in der Buda- pester Nationalbibliothek Bereits die erste Auseinandersetzung mit dem nicht kompletten Autograph war für ihn ein Ereignis. Die BBC entschloß sich, die Oper als Produktion vorzubereiten. Fehlende Arienteile wurden in der Wiener Nationalbibliothek ausfindig gemacht, Abschriften des Klavierauszugs in der Donaueschinger Fürstenbergbibliothek, schließlich fand man sogar ein von Haydn korrigiertes Partiturmanuskript in der Turiner Biblioteca Nazionale, und in einer Buchhandlung in Mailand eine Dirigentenpartitur Haydns, die für Eisenstadt angekauft wurde. Die Oper war erstmals wieder komplett. Robbins Landon mußte dann vor allem aus den verschiedenen Fassungen Haydns eine brauchbare neue ausarbeiten, die heute wie ein Werk aus einem Guß wirkt.

JOSEPH HAYDN: La Fedeltä Premiata; mit Lucia Valentini Ter- rant, Tonny Landy, Frederica von Stade, Ileana Cotrubas, Alan Titus, Luigi Alva u. a.; Chor der Radio Suisse Romande, Orchėstre de Chambre Lausanne; Dirigent: Antal Dorati; Philips 6707 028; 4 Lps.

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