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Diversifizierter Verlag

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Der österreichische Wirtschaftsverlag gehört einer Parteiorganisation, genau gesagt dem österreichischen Wirtschaftsbund. Trotzdem oder deshalb (je nach dem, ob man dem Wirtschaftsbund mehr oder weniger freundlich gegenübersteht) ist der Wirtschaftsverlag ein straff und hocheffizient geführter, moderner Konzern, der nicht Geldmittel schluckt, sondern Gewinne abwerfen soll — und auch abwirft, ohne dabei seine gesellschaftspolitische Aufgabe aus dem Auge zu verlieren. So betrachtet, ist der Wirtschaftsverlag ein Modell für gesellschaftspolitisches Handeln im privatwirtschaftlichen Bereich.

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Der österreichische Wirtschaftsverlag gehört einer Parteiorganisation, genau gesagt dem österreichischen Wirtschaftsbund. Trotzdem oder deshalb (je nach dem, ob man dem Wirtschaftsbund mehr oder weniger freundlich gegenübersteht) ist der Wirtschaftsverlag ein straff und hocheffizient geführter, moderner Konzern, der nicht Geldmittel schluckt, sondern Gewinne abwerfen soll — und auch abwirft, ohne dabei seine gesellschaftspolitische Aufgabe aus dem Auge zu verlieren. So betrachtet, ist der Wirtschaftsverlag ein Modell für gesellschaftspolitisches Handeln im privatwirtschaftlichen Bereich.

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Seine gesellschaftspolitische Aufgabe kann als Teilfunktion innerhalb der übergeordneten Zielsetzung des österreichischen Wirtschaftsbundes definiert werden, bei dessen Gründung im Jahre 1945 sozusagen als Motto ein Satz im Räume stand, den der damalige Kanzler Seipel einst Julius Raab gegenüber ausgesprochen harte: „Kümmern Sie sich um die politische Erfassung und Betreuung der Selbständigen in unserem Lande!“

Der Wirtschaftsverlag ist dabei wesentlich mehr als ein Verlag, der aufgebaut wurde, um der Presse des Wirtschaftsbundes eine gesunde wirtschaftliche Basis zu geben. Er ist einer der größten Fachzeitschriftenverlage — nicht Österreichs, sondern des deutschsprachigen Raumes. Als privatwirtschaftlich organisierter Verlag der gewerblichen Wirtschaft Österreichs ermöglichte er den Blättern zahlreicher Berufsgruppen, die andernfalls längst in die roten Zahlen geraten wären und eingestellt hätten werden müssen, so lange das

Überleben, bis die Zeit für einen Konzentrationsprozeß reif war, der keine Schwächung, sondern im Gegenteil eine bedeutende Stärkung der gewerblichen Fachpresse bedeutete.

Delegieren spät gelernt

Der Maiin, der diesen Verlag seit 17 Jahren in Alleinverantwortung leitet, heißt Dr. h. c. Fritz Eckert. Man begegnet diesem Namen in so manchem Zusammenhang. Seine Gegner kreiden dem Mitglied und stellvertretenden Präsidenten des Bundesrates und Fraktionsvorsit-zenden der ÖVP-Abgeordneten zum Bundesrat, dem langjährigen Generalsekretär des österreichischen Wirtschaftsbundes, dem Geschäftsführenden Präsidenten des „österreichischen Clubs“ und Obmann des Julius-Raab-Gedenkvereines und nicht zuletzt dem Vorsitzenden des gesellschaftspolitischen Ausschusses im MKV und unermüdlichen Redner, der fast jede Woche, und meistens draußen in den Bundesländern, mit der Jugend diskutiert, sowie dem Präsidenten des Universitätsbundes Alma Mater Rudolfina, als einen Fehler an, was seine Freunde einfach als Ausdruck seiner Vielseitigkeit für ganz natürlich halten: Die Vielzahl seiner Tätigkeiten. Tatsache ist: Viele Titel und Funktionen geben heute eine prächtige Zielscheibe ab, hinter der ein Mann leicht verschwindet. Tatsache ist aber auch, daß ein Mann fünf Funktionen gerecht werden kann — während ein anderer in einer einzigen versagt. Und wer die Entwicklung des österreichischen Wirtschaftsverlages betrachtet, käme nie auf den Gedanken, der Mann an der Spitze dieses Unternehmens, das man ruhig als Konzern bezeichnen kann, hätte in den letzten zehn Jahren jemals Zeit gefunden, einen Gedanken an etwas zu verschwenden, was außerhalb seines Aufgabengebietes als Firmenchef lag.

Dabei hat Bundesrat Dr. Eckert eine Fähigkeit, die heute als wichtige Voraussetzung des Managers auf oberster Ebene gilt, erst verhältnismäßig spät und nicht ganz leicht erlernt — die Fähigkeit, zu delegieren, statt sich um Details selbst zu kümmern.

Expansion und Konzentration

Zahlreiche Entscheidungen und Erfolge der letzten Jahre bewiesen, daß der österreichische Wirtschaftsverlag gemäß den Grundsätzen moderner Managements geführt wird. Dies beginnt bei den drei Grundvoraussetzungen, auf die die gesamte Geschäftspolitik ausgerichtet ist:

• Expansion nach außen. Das heißt vor allem: Steigerung der Auflagenzahl. Von 1970 auf 1971 konnte die Gesamtauflage der im österreichischen Wirtschaftsverlag publizierten Blätter von 6,6 Millionen (Jahresauflage) auf rund 7,6 Millionen angehoben werden.

• Konzentratdon und Rationalisierung innen. Das beginnt bei der Zusammenlegung von Zeitungen, die allein nicht mehr lebensfähig wären, und endet noch lange nicht mit der Anschaffung eines Bürocomputers, der mehrere Mitarbeiter von unproduktiven Tätigkeiten befreit und für andere Aufgaben verfügbar macht.

• Krisenfestigkeit durch Diversifizierung. Eine p. r.-Agentur wurde gegründet, ein Modeverlag gekauft. Beide Entscheidungen erwiesen sich als äußerst gewinnbringend.

Eines der Erfolgsgeheimnisse des österreichischen Wirtschaftsverlages mag darin gelegen sein, daß sein Chef zwar das ist, was man als einen Vollblutpolitiker zu bezeichnen pflegt, daneben aber ein Mann mit solider handwerklicher Basis. Er lernte das publizistische Handwerk in einer Zeit, in der in dieser Sparte auf das Detail noch viel mehr Wert gelegt wurde als heute. Fritz Eckert trat vor dem zweiten Weltkrieg unter den Fittichen von Leopold Kun-schak als Reporter bei der „Neuen Zeitung“ ein und stieg zum Hilfsredakteur, später zum Redakteur und schließlich zum Ressortchef auf. In der NS-Zeit wurde er zweimal für längere Zeit verhaftet, zwischen den beiden Aufenthalten im KZ beziehungsweise Gefängnis aber von der Gestapo in einen „Kommerzia-Verlag“ vermittelt, dem der Regimegegner seine Fachkenntnisse zur Verfügung stellen sollte.

Patriarchentum

Er kam zu Fuß nach Wien zurück und wurde von Julius Raab sofort zum Generalsekretär des österreichischen Wirtschaftsbundes berufen. Sein Auftrag lautete, der wirtschaftsfremden Presse eine wirtschaftsfreundliche Presse entgegenzustellen, er hat den Wirtschaftsverlag von Anfang an, auch schon vor seiner formellen Bestellung zum alleinigen Geschäftsführer, mitgeleitet. Raab und Eckert hatten eine starke Sympathie füreinander, sie waren in mancher Beziehung Männer aus demselben Holz. Beide „Patriarchen“ — aber beider Patriarchentum gemildert einerseits durch eine starke Menschlichkeit und Verbundenheit mit der Jugend, anderseits durch die Bereitschaft, stets zu lernen und angesichts neuer Notwendigkeiten alte Anschauungen, soweit nicht im Grundsätzlichen verwurzelt, über Bord zu werfen. Beide unbeugsam in ihren Prinzipien. Beide von einem starken Verantwortungsbewußtsein erfüllt — aber auch von der Beredtschaft, nach Abwägung aller Für und Wider Entscheidungen in eigener Verantwortung zu fällen und durchzustehen.

So erfuhr der Obmann des österreichischen Wirtschaftsbundes, Julius Raab, eigentlich erst dann, daß sein Bund Eigentümer eines modern adaptierten und ausgestatteten Verlagshauses in der Wiener Nikols-dorfergasse geworden war, als er eingeladen wurde, dieses Haus feierlich seiner Bestimmung zu übergeben. Über dieses Haus hält auch der nunmehrige Präsident des Wirtschaftsbundes, Rudolf Sallinger, stets seine schützende Hand und seine fördernde der Präsident des Aufsichtsrates, NR. Robert Graf.

21 Redakteure

Als Generalsekretär des österreichischen Wirtschaftsbundes ist Bundesrat Dr. Fritz Eckert zurückgetreten, um der Jugend eine Chance zu geben, seine Nachfolge trat Doktor Erhard Busek an, und zusammen mit der Nachfolge ein beachtliches Erbe. Der österreichische Wirtschaftsverlag stellt in seiner Gesamtheit ein Vermögen dar, wie es kein anderer ÖVP-Bund aufzuweisen hat. Dieses Vermögen ist nicht vom Himmel gefallen, sondern es wurde hart erarbeitet — erarbeitet in erster Linie von einem Mann, dessen in frühen Jahren erworbenes politisches Fingerspitzengefühl sich mit Wirtschaftlichem Weitblick paarte und dessen Arbeit für die Wirtschaft auf die Weise gleich zu einem Beispiel für wirtschaftliche Arbeit geriet. Diese Fähigkeiten, zusammen mit Eckerts „Kapital“, das sein starker Rückhalt bei tausenden kleinen Leuten, vor allem gewerblichen Pensionisten, darstellt, bleiben dem Wirtschaftsbund auch unmittelbar erhalten, da Eckert weiterhin als ÖWB-Vizepräsident amtieren Wird. Wobei seine Kontakte zu den Konfessionen, speziell den katholischen Ordinarien, in der ÖVP eine echte Lücke schließen.

Der Löwenanteil seiner Arbeitskraft und Arbeitszeit gehört freilich mehr denn je dem Veflag, wo, den harten Gesetzen dieser Branche folgend, neuen Anforderungen besser zuvor- als nachgekommen werden muß: Mit einem Chefredakteur und drei Redakteuren begann es einst, heute machen unter Dr. Eckert und Zentraldirektor Hans Mosel ein Chefredakteur (Dr. Manfred Jasser) und ein stellvertretender Chefredakteur, 21 Redakteure und rund 30 ständige Mitarbeiter rund 35 periodische Publikationen.

Kranke Titel zusammengelegt

Während die Gesamtzahl der ausgelieferten Zeitungen steigt, sank die Zahl der Titel — das Mitschleppen dahinkümmernder, eher Verluste als Gewinne einbringender Zeitungen ist vor allem dann nicht zu rechtfertigen, wenn die Zusammenlegung mehrerer kränkelnder Zeitungen zu einer gesunden auch den Lesern bessere redaktionelle Bedienung sichert.

So wurden drei Blättchen zu einem Blatt: Die Zeitungen der Schmiede, der Schlosser sowie der Galvaniseure und verwandten Berufe wurden zu „Metall“ vereinigt, deren Auflage die Gesamtauflage der drei Blätter übersteigt und auch als Medium für die werbende Wirtschaft interessanter ist, da die werbliche Information auch die verwandten Bereiche erreicht.

Auflage verdoppelt

Zum Blatt „Der Lebensmittelkaufmann“ wurden mehrere kleine

Zeitungen, die teils wöchentlich, teils alle vierzehn Tage erschienen, vereinigt. Sie hießen „Lebensmittel-händler“ und „Lebensmittelpost“, „Der Lebensmittelgroßhandel“ und „Der niederösterreichische Kaufmann“ und so weiter und hatten teilweise nur regionale Verbreitung, als sie gegründet wurden, waren sie völlig richtig am Platz, sie entsprachen den Bedürfnissen der Zeit. Das neue, wöchentlich erscheinende Blatt ist den Erfordernissen von heute angepaßt und sprang mit seiner Auflage von 32.000 (Gesamtauflage aller zusammengelegten Blätter: rund 16.000) vom Start weg umsatzmäßig an die 4. Stelle, ertragsmäßig an die 3. Stelle unter den Publikationen des österreichischen Wirtschaftsyerlages.

Zu solcher „Expansion auf der Basis der Konzentration“ gesellt sich die Diversifizierung. „Astra“ War ein kleiner, aber hocheffizienter Modeverlag in privater Hand — als er zum Verkauf stand, griff Dr. Eckert zu. Die Astra-Publikationen sind teils für den Konsumenten, teils für das Fach (Schneiderhandwerk) bestimmt und vor allem auf die Bedürfnisse jener Frauen zugeschnit-ten, die sich nicht mit dem von der riesigen Palette der anderen Modeblätter favorisierten Leitbild des Teenagers identifizieren wollen. Sie bieten solide, vielleicht etwas biedere, wie manche sagen sogar etwas hausbackene Mode — und machen damit Furore, allen Anschauungen der Blattmacher mondäner Modehefte zum Trotz. Nicht weniger als 90 Prozent der Produktion werden exportiert, ein nicht unbedeutender Prozentsatz der Auflagen nach Südamerika. Die Hefte („Atelierhefte“, „Kindermode“, „Astra-Mode“, „Mantel-Mode“, „La Robe“) enthalten Texte in drei Sprachen — und für Südamerika Einlageblätter auf Spanisch. Der Verlag, nun eine hundertprozentige Tochter des österreichischen Wirtschaftsverlages, wird von demselben kleinen, ausgezeichneten Team geleitet, das unter den Vorbesitzern tätig war — nur eine

Fremdsprachenkorrespondentin mußte neu aufgenommen werden. Und natürlich ein Verlagsletter.

Jährlicher Umsatz: Jetzt rund 7,5 Millionen. Eine weitere Expansion wird erwartet. Die oben angedeutete Marktlücke besteht offensichtlich nicht nur im Westen. Im kommenden Jahr wird auch Polen Astra-Hefte im Wert von zwei Millionen Schilling importieren.

Auch eine andere Tochter des österreichischen Wirtschaftsvefla-ges wuchs in ihrem ersten Lebensjähr schneller als ein Säugling: Die p. r.-Gesellschaft „Informa“ konnte sich in ihrem ersten vollen Geschäftsjahr auf den zweiten Platz in dieser Branche vorkämpfen. Unter den von der Informa betreuten Etats befinden sich neben Bunzl & Biach und der Salzburger Flughafen Ges. m. b. H. die Bundessektionen für Handel und Fremdenverkehr, die Grazer Messe AG, aber auch Firmen wie l'Oreal, Max Factor, Wolff-Ge-räte.

Fremddruckereien, Druckaufträge

Der Politiker Dr. h. c. Fritz Eckert spricht gerne von Julius Raab, von den harten Anfangsjahren, von den Aufstiegs jähren. Der Manager Fritz Eckert, der sich nach nächtlichen Arbeitsstunden selbst ans Steuer seines Steyr-Fiat setzt und im Ausland („Traurnziele“: China, Japan) ohne Begleitung Supermärkte aufsucht, um Preisvergleiche anzustellen und sich „die Leute anzuschauen“, blickt nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Nicht zuletzt in die Zukunft des Druckereigewerbes, wo bekanntlich das leise, ferne Grollen der Maschinen als ein Unterton von Angst in die Chefbüros dringt. Der österreichische Wirtschaftsverlag braucht vorerst keine Angst zu haben. Er ist nicht nur Besitzer der „Ungar-Druckerei“ (die auch nach der Übersiedlung von der Ungar- in die Nikolsdorfergasse so heißt), die über einen Mangel an Auslastung nicht zu klagen hat, sondern auch Auftraggeber mehrerer Fremddruckereien, die für ihn tätig sind.

Immerhin konnte auch die Ungar-Druckerei selbst ihren Fremdauftragsstand steigern — eine Leistung, an der Zentraldirektör Hans Mosel wesentlichen Anteil hat. Mosel war bis vor einem Jahr stellvertretender Chefredakteur des Hauses, in dem Legionen junger Journalisten die Chance fanden, erste Schreibversuche zu unternehmen. Bis dahin hat der „gegautschte Ehrendrucker“ Eckert sozusagen alles allein gemacht. Der kurze Zügel, an dem im Wirtschaftsverlag geführt wurde, blieb kurz: Mosel, der auch eine Buchhandlung im Gebäude der Bundeskammer sowie einen Buchverlag (Bastei-Verlag, vorwiegend Fachliteratur) unter sich hat, leitet beispielsweise die Informa selbst.

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