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Dix und Brauer

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Die „Neue Sachlichkeit“, eine europäische Bewegung in die damals für manche Maler der Futurismus, der Kubismus und der Expressionismus austolang (Carra, Derain, Kanold, Schritnpf u. a.), hat in Deutschland vor allem in Otto Dix — geboren 1891 in Gera, gestorben 1969 in Sin-gen/Hohentwiel — einen Hauptmeister gefunden. Der gelernte Dekorationsmaler, der an den Akademien von Düsseldorf und Dresden studierte, kam über den Futurismus zum Dadaismus, schuf aber schon früh (1921) ein Bildnis seiner Eltern in dem er einen kompromißlosen Realismus anstrebte und auf die altdeutsche Malerei zurückgriff. Das traumatische Erlebnis seiner vier Jahre als Frontsoldat und die Schieber- und Dirnenwelt der Nachkriegszeit schlug sich in Bildern und Graphiken nieder, dlie, in ihrer erbarmungslosen Härte und schonungslosen Anklage, sowohl ein soziales Engagement wie ein konsequentes Bemühen um Wahrheit zeigten. Grünewald und die Donauschule sind damals in seinem Werk ebenso zu spüren wie andere Meister der deutschen Spätgotik und Frührenaissance: Baidung Grien, Herlin, Maler, Strigel, Uffenbach. Hinter der altmeisterlichen Form und Technik verbarg sich ein aggressiver Expressionismus, der sich um allgemeinverständliche, ja volkstümliche Ausdrucksformen bemühte.

Um 1930 wich der beinahe karikaturistische Zug in Dix' Werken einer stilleren Malerei, die nun Einflüsse der deutschen Romantik des 19. Jahrhunderts — unter anderem auch Runges — aufnahm. Von den Nazis wurde Dax seiner früheren Sujets willen verfehmt und von seiner Dresdner Professur enthoben. Er zog sich nach Süddeutschland zurück, wo er idealisierende Bildnisse romantischer Landschaften und religiöse Themen malte. Das Ende des Zweiten Weltkrieges, das ihn in französischer Kriegsgefangenschaft sah, brachte eine neuerliche Wendung in seinem Werk: Mit flächigen, von der Ecole de Paris her entwickelten Landschaften und religiösen Kompositionen näherte er sich seinen Anfängen und dem Expressionismus in einer abgeklärten Form wieder an. (Außer in der Ausstellung „Entartete Kunst“ war Dix in Wien nie zu sehen.) Es ist daher ein besonderes Verdienst von Koinmerzrialrat Wilhelm Herzog, daß er eine beträchtliche Anzahl von Dix' Zeichnungen, Aquarellen und Druckgraphiken angekauft und aus Privatsammlungen geliehen hat und sie nun in einer Verkaufsausstellung in seiner „Galerie Herzog im Pferdestall“ zugänglich macht. Sie gibt einen zum Teil hervorragenden Querschnitt durch die Entwicklung dieses vor allem in den zwanziger Jahren wirklich bedeutenden Malers. Man findet darin die noch vom Kriegstrauma geprägtes Skizzen und Zeichnungen der ersten Nachkriegszeit, die bösen und gnadenlosen Sittenschilderungen einer makaberen Gesellschaftskritik, und man kann den hervorragenden Zeichner Dix in realistischen Akten ebenso bewundern wie den Maler in den stillen und gelösten Aquarellen mit den Bildnissen seiner Frau. Und es fehlen auch nicht die eindringlichsten Bildniszeichnungen der Spätzeit, die in manchem an Barlach erinnern. Eine wirklich bedeutende Ausstellung also, die eigentlich in die Albertina gehören würde.

Dort zeigt man jetzt das gesamte graphische Werk von Erich Brauer. In Brauers bunter und manieristi-scher Märchenwelt, die sich aus einem Amalgam von orientalischer und jüdischer Volkskunst entwickelt hat, ist kein Hauch von harter Realität zu spüren. Die Fülle der Ausstellung unterstreicht die formelhaften Charakteristika dieser Graphiken. Von keinem Naturerlebnis und keiner Auseinandersetzung mit der objektiven Formenwelt getragen, setzen sie sich aus Stereotypen und pseudosymbolischen Kürzeln zusammen, spiegeln lediglich die subjektive Wirklichkeit ihres Schöpfers, die in ihrer sympathischen Naivität vor allem in den Illustrationen der „Menschenrechte“ zutage tritt.

Die der Ausstellung angeschlossene Schau von Faksimiledrucken von Meisterzeichnungen der Albertina unterstreicht aMefdlngs die sehr limitierte Fähigkeit und Bedeutung dieses Malers und Graphikers.

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