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Dobar dan Hrvati!

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Die etwa 60.000 burgenländischen Kroaten leben heute zerstreut in sechs von sieben Bezirken des Burgenlandes, in Wien, in einigen Dörfern entlang der österreichischen Grenze in Ungarn und in der Slowakei.

Durch die Grenzziehung nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie wurden sie zersplittert. Die rasante politische Entwicklung und der Demokratisierungsprozeß, deren Zeitzeugen wir im Laufe des vergangenen Jahres wurden, brachte den burgenländischen Kroaten die einmalige Chan-

ce, die de facto nie abgebrochenen, aber durch den Eisernen Vorhang erschwerten Kontakte wieder aufzunehmen und im gegenseitigen Austausch zu vertiefen.

Es entstehen neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten, insbesondere im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich. Vertreter einiger kroatischer Organisationen aus dem Burgenland und aus Wien treffen sich regelmäßig mit Kroatenvertretern aus Ungarn und der Slowakei, um Pläne zu koordinieren. So erhielten Volksschüler Lehrbücher in kroatischer Sprache, es wurden Seminare für Kindergärtnerinnen und Lehrer abgehalten, Kinderaustausch in den Ferien organisiert, gemeinsame Feste veranstaltet und anderes mehr. Erfreulich ist vor allem das Erlebnis der gemeinsamen Muttersprache.

Die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg zog in

den einst bäuerlichen kroatischen Dörfern strukturelle und soziologische Veränderungen nach sich. Viele Menschen fanden in der näheren Umgebung keinen Arbeitsplatz mehr und zogen in die industriellen Ballungszentren, vor allem nach Wien. Die Folge der beruflichen Mobilität und der allgemein geringeren Nativität sind ein großer Bevölkerungsrückgang in vielen Dörfern des mittleren und südlichen Burgenlandes. Ein sehr krasses Beispiel ist die kroatische Gemeinde Nikitsch. Hier gab es 1933 420 Schüler in der achtklassigen Volksschule, 1991 sind es in der vierklassigen nur mehr 19.

Der Weiterbestand einer Volksgruppe ist abhängig von ihrem Wollen, aber auch vom Verständnis des Mehrheitsvolkes und von der Unterstützung der Öffentlichkeit -durch die Vertreter des Landes und Bundes. Es gibt viele freundliche Worte bei feierlichen Anlässen, es fehlen aber die Taten. 36 Jahre sind seit der Unterzeichnung des Staatsvertrages vergangen, der in Artikel 7 Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheit definiert. Einige wesentliche Punkte, wie „die verhältnismäßige Anzahl einiger Mittelschulen" oder topographische Aufschriften wurden immer noch nicht erfüllt. Aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1987 wurde Kroatisch als Amtssprache zu-

gelassen. Die derzeitige Lösung, die Übersetzungen anstelle von zweisprachigen Formularen vorsieht, ist nicht zufriedenstellend. Immer wieder wurde vom Kroatischen Kulturverein im Burgenland die Herausgabe von zwei- beziehungsweise dreisprachigen Formularen gefordert, jedoch nicht erfüllt. Derzeit wird Kroatisch an vier

Gymnasien als zu wählendes Pflichtfach unterrichtet. Diese Schul versuche gibt es seit vier Jahren. Sie können allerdings ein Volksgruppengymnasium nicht ersetzen. Es gab einige Modelle, ein solches Gymnasium auch im Burgenland zu errichten, sie wurden allerdings nicht ernsthaft diskutiert. Ob das letzte Modell, das einen zweisprachigen Unterricht (deutsch und kroatisch) vorsieht, realisiert wenden kann, werden die nächsten Monate zeigen.

Völlig unverständlich ist für die Kroaten des Burgenlandes die Vergabe der Förderungen durch das Bundeskanzleramt. Während in den vergangenen drei Jahren die slowenischen Volksgruppenorganisationen 15,7Millionen Schilling anFörderung erhielten, wurde den im Burgenland lebenden Kroaten, die laut Volkszählung zahlenmäßig etwas größer sind (1981: 18.800), eine Förderung von insgesamt 4,4 Millionen Schilling gewährt. Der Kroatische Kulturverein erhielt zum Beispiel für 1990 eine Förderung von nur 180.000 Schilling. Dieser Betrag soll für die Bezahlung von zwei Halbtagskräften, für Büroaufwand und für die Herausgabe eines zweisprachigen Kinderbuches ausreichen!

1990 war es zu weiteren Gesprächen bezüglich der Zusammensetzung des Volksgruppenbeirates im Bundeskanzleramt gekommen. Vom

Kanzleramt wurden jedoch überproportional viele Persönlichkeiten nominiert, die als Exponenten jener Vereinigungen bekannt sind, die bisher eine konsequente Assimilie-rungspolitik betrieben haben und deshalb nicht den Erfordernissen des Volksgruppengesetzes entsprechen. Des weiteren haben die Ereignisse rund um die Generalversammlung der Volkshochschule der burgenländischen Kroaten am 22. September 1990 einmal mehr unter Beweis gestellt, daß es gerade den Anhängern jener politischen Partei (SPÖ, Anm. d. Red.), die jetzt so sehr in den Volksgruppenbeirat drängt, weniger um Volksgruppeninteressen als viel mehr um parteipolitische Dominanz in dem zu bildenden Gremium geht. Ein Volksgruppenbeirat als parteipolitische Spielwiese entspricht jedoch weder dem Geist noch den Buchstaben des Volksgruppengesetzes, noch dient er der um ihren weiteren Bestand ringenden kroatischen Volksgruppe.

Positiv sei die Erweiterung der Rundfunksendungen und die Einführung der TV-Sendung „Dobar dan Hrvati!" erwähnt. Die qualitativ gute und wichtige Sendung müßte auch in Wien zu empfangen sein, da dort eine namhafte Zahl burgenländischer Kroaten lebt.

In den letzten Monaten ist eine gewisse Aufbruchstimmung, gerade bei jungen Leuten, zu bemerken. Das wachsende Selbstbewußtsein und das Auftreten als volkstumsbe-wußte Kroaten führte dazu, daß sich die jungen Menschen verschiede-nenorts besonders engagieren.

Mag. ZLATKA GIELER ist Mittelschulprofessorin aus Trausdorf und Vertreterin des Kroatischen Kulturvereins im Burgenland (Hrvatsko Kulturno Drustvo u Gradiscu).

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