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Doch kein Werbekrieg

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Während in den amerikanischen Werbeagenturen immer häufiger die Frage gestellt wird, wer denn nun eigentlich die Anzeigen texte, der Texter oder der Anwalt“, darf die österreichische Werbung abschnallen. Als die, Regierung Kreisky jung war, schienen Pläne, die Forderung nach „Wahrheit in der Werbung“ gesetzlich zu untermauern und die Werbebranche überhaupt stärker zu reglementieren, zeitweise recht gute Chancen zu haben. In der Zwischenzeit hat man sich zusammengeredet — beide Seiten beteuern jetzt, vom Gesprächspartner gelernt zu haben und schwören auf Vernunft und auf das Prinzip der Freiwilligkeit.

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Während in den amerikanischen Werbeagenturen immer häufiger die Frage gestellt wird, wer denn nun eigentlich die Anzeigen texte, der Texter oder der Anwalt“, darf die österreichische Werbung abschnallen. Als die, Regierung Kreisky jung war, schienen Pläne, die Forderung nach „Wahrheit in der Werbung“ gesetzlich zu untermauern und die Werbebranche überhaupt stärker zu reglementieren, zeitweise recht gute Chancen zu haben. In der Zwischenzeit hat man sich zusammengeredet — beide Seiten beteuern jetzt, vom Gesprächspartner gelernt zu haben und schwören auf Vernunft und auf das Prinzip der Freiwilligkeit.

Werbung
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Die Beziehungen zwischen den unter den Fittichen von Handelsminister Staribacher erstarkter Konsumentenschützern auf dei einen Seite und der heimischer Werbebranche auf der anderen, begannen mit einem Schuß, der nach hinten losging. Die Arbeiterkammer stellte ihren Pavillon auf der Frühjahrsmesse des Vorjahres unter das seltsame Motto einer Alternative zwischen Werbung und Forschung, klagte, abseits jeglicher volkswirtschaftlicher Erfahrung, die Werbung an, die Waren künstlich zu verteuern sowie zu verwirren statt zu informieren und bot in einem Flugblatt selbst Wirres statt Information: „Für die Werbung in Österreich werden jährlich 3 Milliarden Schilling ausgegeben. Das ist doppelt so viel wie für die industrielle Zweckforschung. Das ist offensichtlich ein Mißverhältnis. Die Werbung ist allzu aufgebläht und die Forschung kommt zu kurz.“

Den technischen Fortschritt symbolisierte dabei eine amerikanische Raumkapsel, wobei offenbar niemandem aufgefallen war, daß ein direkter Zusammenhang zwischen Werbung und Forschungsausgaben besteht: In Österreich liegt sowohl der Forschungs- als auch der Werbeaufwand unter einem Prozent des Nationalprodukts, in den entwickelten Industriestaaten mit hohem Forschungsaufwand werden jeweils 1,5 bis 3,8 Prozent für Werbung ausgegeben. Anderseits sind Industrieprodukte nirgends so teuer wie gerade in jenen Ländern, in denen Werbung so gut wie überhaupt nicht existiert.

Noch während der letzten Werbetagung, nach dem charmant vorgetragenen, in der Sache aber äußeret harten, einer Kampfansage an die Werbung gleichkommenden Referat von Frau Dr. Demuth, die den Standpunkt der Konsumentenschützer artikulierte, konnte man vor den Kulissen die österreichische Werbung in einem Zweifrontenkrieg gegen wirtschaftliche Schwierigkeiten einerseits, Versuche, sie gesellschaftspolitischen Leitbildern zu verpflichten, anderseits, sehen. Hinter den Kulissen war der Krieg zu jenem Zeitpunkt freilich wohl längst abgewendet. Und auch die zeitweise unausweichlich scheinende wirtschaftliche Krise der österreichischen Werbung blieb aus.

„Miteinander reden“

Im Konsumentenforum sowie im

Werbebeirat hatten sich die Standpunkte bereits vor längerem so angenähert, daß Handelsminister Staribacher in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung erklären konnte, an eine gesetzliche Reglementierung der Werbung sei nicht gedacht, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb biete im Zweifelsfall genügend Handhaben, um gegen Übergriffe vorzugehen, im übrigen ziehe man das direkte Gespräch mit den Werbern und ihren Auftraggebern vor. Die Konsumentenschützer, die einst recht militant an den Verhandlungstisch marschierten, gelangten mittlerweile geschlossen zu der Ansicht, daß man, so ein Teilnehmer der sozialistischen Seite, „in diesem Lande besser miteinander redet als gegeneinander schießt“.

Auch Professor Mittag, Chef der Hager-Werbung und gewiegter Wortführer eines flexiblen konservativen Standpunktes, registriert „Verständnis auf beiden Seiten“ und ist davon überzeugt, daß es gelungen ist, das „Verständnis der Konsumentenvertreter für viele Dinge“, vor aliem wirtschaftliche Zusammenhänge, zu wecken. In seiner Sicht wird zwar von radikalen Kreisen immer wieder versucht, Zwangsmaßnahmen ins Spiel zu bringen, trotzdem ist er optimistisch — die Werbebranche wird auf „Außenseiter“ von sich aus Einfluß nehmen. Professor Mittag zufolge soll aber auch eine bessere Schulung des Werbenachwuchses den Quell mancher Unzukömmlichkeit beseitigen.

Wirklich informiert über den Stand der Gespräche ist nur ein kleiner Kreis. Ein gewisser Mangel an Konkretem wird zweifellos von vielen bereits als Sieg in einer Abwehrschlacht gewertet. Innerhalb der Werbebranche wird dabei von verschiedenen Seiten ein Mangel an Transparenz registriert, so etwa von Agenturleiter Johann Georg Herberstein (Herberstein-Kutschera-Inmann), der zweimal zu den Gesprächen eingeladen wurde, einige Papiere entwickelte und dann vergessen wurde: „Ich habe nichts mehr gehört und nichts mehr gelesen, alles verlief im Sande wie Kinderpipi.“

Damit aber erscheint die österreichische Werbung vor Gängelungs-tendenzen bewahrt, die vor allem dann gefährlich hätten werden können, wenn dabei amerikanische Vorbilder zum Tragen gekommen wären. Die US-Werbung hat in den letzten Monaten lernen müssen, unter dem Damoklesschwert eines gesetzlich verankerten Kontroll-instrumentariums zu leben, das kühnste Wunschträume europäischer Konsumentenschützer glatt ' überbietet. Nicht nur eklatante Unwahrheiten, sondern auch unbeweisbare Werbebehauptungen können, auf Gerichtsbeschluß, in Form von Gegenanzeigen, Gegenwerbespots im Fernsehen und so weiter berichtigt werden, was unter Umständen die Kosten einer Werbekampagne verdoppelt und ihren Erfolg vernichtet, wenn nicht ins Gegenteil kehrt — eine Katastrophe für die betroffene Werbeagentur und ihren Auftraggeber. Als Kläger können die Konsumentenschützer auftreten, die Beweislast liegt weitgehend beim Beklagten, und die Gerichte der USA urteilen traditionell konsumentenfreundlich.

Trotzdem hat sich die vor ein, zwei Jahren noch vom Pleitegeier gepeinigte Werbebranche in den USA glänzend erholt — und im Gefolge der Konjunktur auch die deutsche, während den österreichischen Agenturen die Talfahrt überhaupt weitgehend erspart blieb.

Fernsehland Österreich

In den Wiener Niederlassungen der Weltagenturen sind die Meinungen über die ökonomische Situation der österreichischen Werbung geteilt. Während Lintas-Boß Willem van der Geest hier die Werbung als „Instrument der Wirtschaft und Informant der Öffentlichkeit“ auf Sparflamme sieht, als einen Schatten dessen, was an Werbung in anderen westlichen Ländern stattfindet, von den Werbegegnern „Positionierung des eigenen Standpunktes“ fordert („Die profilierten Antimeinungen haben sich allerdings abgeschwächt“) und trotz Preissteigerungen auf dem Werbemarkt Stabilität mit leichtem Abwärtstrend registriert, gibt sich der aus Deutschland an die Spitze der Wiener J.-Walter-Thompson-Niederlassung zurückgekehrte

österreicher Tiefenbrunner optimistisch: „Ich sehe die Zukunft sehr rosig, in den USA hat vor sechs Monaten ein starker Aufwärtstrend begonnen, in der Bundesrepublik einen Monat später.

Dabei muß man sich fragen, ob es überhaupt zweckmäßig wäre, wenn

Österreich die Pro-Kopf-Aufwendungen anderer Länder für Werbung aufholt — es kommt darauf an, den Effekt, nicht den Aufwand zu steigern. Wir sind ein Fernsehland, Fernsehen aber ist ein rationelles, kostengünstiges Medium, und Österreich hat keine Illustrierten — bekanntlich ist der Anzeigenraum in Illustrierten besonders teuer. Dazu kommt, daß bis zu 65 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in österreich von den deutschen Werbemedien, zum Beispiel den deutschen Illustrierten, erreicht werden.“

Gegen Zigaretten und Alkohol

Daß Österreich, gemessen an seinen Werbeaufwendungen, eher zu den unterentwickelten Ländern zählt, könnte die vom Institut für empirische Sozialforschung (Ifes-Chef Karl Blecha illustriert in seiner Doppelfunktion als SPÖ-Linker und Leiter einer streng an den Bedürfnissen der kapitalistischen Wirtschaft orientierten Marktforschungsfirma die pragmatische sozialistische Haltung gegenüber der Werbung und der Wirtschaft überhaupt) ermittelte Tatsache erklären, daß hierzulande eine überraschend positive Einstellung gegenüber der Werbung vorherrscht.

In den USA, wo ein durchschnittlicher Student bis zum Zeitpunkt seines Hochschulabschlusses rund 350.000 Werbespots im Fernsehen ausgesetzt ist und das durchschnittliche Vorschulkind täglich acht Stunden vor dem Bildschirm verbringt, herrscht nicht nur Überdruß an der Werbung, sondern auch der psychologische Boden für eine hierzulande heute noch unnötige Reglementierung. Besonders hart sind die Bestimmungen für an Kinder gerichtete Werbung: Verpönt ist, was kindliches Prestigedenken fördern könnte, verpönt ist jede illusionistische Täuschung, verpönt ist das Unterlegen eines Werbespots für Matchboxautos mit echten Renngeräuschen, verpönt jeder Tanzschritt einer Puppe, die an sich nicht tanzen kann, auf dem Bildschirm.

Verpönt ist selbstverständlich auch jede Zigarettenwerbung im Fernsehen. In dieser Beziehung zieht Österreich nun gleich — und auch die Alkoholwerbung hierzulande soll bestimmten, voraussichtlich eher liberalen Einschränkungen unterworfen werden,

Aber auch in der psychologischen Effizienz werblicher Ansprache zieht Österreich mehr und mehr gleich, österreichische Konzeptionisten

(wenn sie „in“ sind, nennen sie sich „Konzeptioner“) lernen es immer besser, komplizierte Sachverhalte auf knappste Formeln zu bringen und sich mit ihren Appellen in den Gehirnen, dort, wo die Wünsche wachsen, einzunisten.

Gleichgültig, ob sie nun den Konsumenten hart und frontal nehmen und ihm an den Kopf werfen, was er ohnehin weiß, nämlich Pitralon sei kein Duftwasser, oder ob sie seine geheimsten Minderwertigkeitskomplexe, über all dem lebenslangen Konsumieren keine ausgeprägte Persönlichkeit geworden zu sein, durch ein neues Hemd zu kompensieren versprechen: „Gloriette gibt dem Mann ein Gesicht.“ Zynismus? Oder bereits Menschenkenntnis?

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