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Doch keine „Tendenzwenden“?

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Ein Urteil über die SPD/FDP-Regierung unter Bundeskanzler Schmidt und eine wichtige Vorentscheidung über deren weiteres Schicksal werden die Landtagswahlen von Nordrhein-Westfalen und im Saarland bringen, die am 4. Mai stattfinden. Der Urnengang im volkreichsten Bundesland an Rhein und Ruhr und in einem der kleinsten Bundesländer, jenem an der Saar, bedeuten eine gewichtige Entscheidung.

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Ein Urteil über die SPD/FDP-Regierung unter Bundeskanzler Schmidt und eine wichtige Vorentscheidung über deren weiteres Schicksal werden die Landtagswahlen von Nordrhein-Westfalen und im Saarland bringen, die am 4. Mai stattfinden. Der Urnengang im volkreichsten Bundesland an Rhein und Ruhr und in einem der kleinsten Bundesländer, jenem an der Saar, bedeuten eine gewichtige Entscheidung.

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• Eine Veränderung der Machtverhältnisse in Nordrhein-Westfalen könnte nicht ohne Einfluß auf Bonn bleiben; die Regierung Schmidt/ Genscher wäre in ihrer Substanz getroffen.

• Gelingt den Bonner Regierungsparteien im Saarland bei gleichzeitiger Behauptung in Nordrhein-Westfalen eine Ablösung der CDU-Regierung, so würden sich die MehTiheitsverhältnisse im Bundesrat entscheidend zugunsten des sozialliberalen Bündnisses verändern. Die dort jetzt herrschende Einstimmen-mehrheit der von den Ünionspar-teien regierten Länder wäre dann für CDU/CSU verloren.

Die Chancen stehen dabei für SPD und FDP, die sich ohnedies durch das für sie relativ günstige Wahlergebnis von Schleswig-Holstein ermutigt fühlen, gar nicht so sohlecht. Denn die FDP, die bei der letzten Landtagswahl unter der Fünfprozentgrenze und damit ohne Mandat blieb, dürfte aller Voraussicht nach in den Landtag zurückkehren. Bereits auf eine Koalition mit der SPD festgelegt, zwingt die FDP daher die CDU dazu, die absolute Mehrheit der Landtagssitze zu erringen. Für die in langen Jahren des Regierens schon etwas verschlissene CDU keine leichte Aufgabe.

Norärhein-Westfalen, das zur gleichen Zeit wählt und von seinem Stimmenpotential (12 Millionen Wäh-

ler) her weitaus bedeutender ist, wird in der Frage der Bundesratsmehrheit kaum eine Entscheidung bringen. Denn auch hier müßte die CDU die absolute Mehrheit erringen, was jedoch weitaus schwieriger sein dürfte. Zwar hatte die CDU bereits bei der letzten Landtagswahl eine knappe Mehrheit, aber gegen das SPD/FDP-Bündnis hatte die Partei des nordrhein-westfälischen CDU-Spitzenmannes Heinrich Köppler keine Chance. Auch bei der jetzt anstehenden Landtagswahl hat der FDP-Landesvorsitzende Horst-Ludwig Riemer, nach anfänglichem Schielen zur CDU hin, eindeutig für eine Fortsetzung der Koalition mit den Sozialdemokraten votiert.

Obwohl Köppler der FDP nun sogar das Angebot gemacht hat, im Fall einer CDU-FDP-Koalition im Bundesrat bei kontroversen Fragen Neutralität zu üben und nicht den CDU-CSU-Block zu stärken, muß eine Koalition zwischen den' Liberalen und der Union als nahezu ausgeschlossen angesehen werden.

In Rheinland-Pfalz konnte sich die FDP eine Koalitionsaussage zugunsten der CDU leisten, da dieses unentschieden beendete Experiment ohne Relevanz für andere Länder und die Bundespolitik blieb. Für Nordrhein-Westfalen hätte der gleiche Schritt, einen erfolgreichen Ausgang vorausgesetzt, das Ende des

Kabinetts Schmidt-Genscher bedeutet.

Das feste SPD - FDP - Bündnis zwingt die oppositionelle CDU Heinrich Köpplers dazu, die absolute Mehrheit anzusteuern. Dies ist jedoch ein Ziel, das, von Anfang an nicht gerade greifbar nahe, durch die jüngste Entwicklung bereits unerreichbar zu sein scheint. Denn die politische Großwetterlage hat sich eindeutig zuungunsten der CDU entwickelt. Nach den großen Zugewinnen in Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Berlin und Rheinland-Pfalz hat Schleswig-Holstein offen aufgezeigt, daß die CDU nicht mehr ganz automatisch mit einer Vergrößerung ihres Stimmenanteils rechnen darf.

Als Trost verbleibt für die Unionsparteien in Nordrhein-Westfalen und im Saarland, daß die CDU in den großstädtischen Gebieten Schleswig-Holsteins relativ gut abgeschnitten hat und der SPD in deren Hochburgen weiter Stimmen abnehmen konnte. Beide Bundesländer, in denen am 4. Mai gewählt wird, sind soziologisch jenen Gebie-

ten ähnlich, in denen die CDU auch in jüngster Zeit erfolgreich ist. Vor allem die SPD-Hochburgen im Ruhrgebiet könnten manche Überraschung bringen.

Allerdings kommt die wirtschaftliche Situation der CDU hier bei weitem nicht in dem Maße zugute, wie bei früheren Prognosen für die Wahl in Nordrhein-Westfalen angenommen worden war. Dazu trägt vor allem bei, daß dieses klassische Industriegebiet bisher nicht in dem Maße von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen ist wie andere Landstriche.

Inzwischen läßt der Presselärm über manche Strauß-Äußerungen schon nach und Heinz Kühn, SPD-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, hat bereits seine Parteifreunde davor gewarnt, Sonthofen zum „Dauerlutscher“ des Wahlkampfes zu machen.

Auf Grund der jetzt kurz vor der Wahl vom 4. Mai zu beobachtenden politischen Situation rechnet man daher allgemein mit einem knappen Ausgang des Rennens, aber doch mit einem Fortbestand der SPD-FDP-Koalition in Düsseldorf. Sollte nicht das Saarland den Wechsel bringen, bliebe, so paradox es klingt, trotz aller Veränderungen bei den zurückliegenden Wahlen, alles beim Alten. Das Ergebnis der immer wieder beschworenen „Tendenzwenden“ wäre dann, daß sich nichts geändert hätte und Bundeskanzler Schmidt gefestigt auf die nächste Bundestagswahl zugehen könnte.

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