7035553-1989_47_14.jpg
Digital In Arbeit

Doping aus dem eigenen Körper

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht nur eine Sexualfunktion, sondern entscheidende Wirkung auf die körperliche Leistungsfähigkeit insgesamt haben die Fortpflanzungshormone, die einander auch wechselseitig beeinflussen. Hypothalamus, ein Teil des Zwischenhirns, Hypophyse, Hirnanhangdrüse und Eierstöcke reagieren gleichzeitig aber auch auf körperliche Anforderungen. Die Hormonproduktion von Hypothalamus, Hypophyse und Eierstöcken greift in höchst komplexen Vorgängen zum

Teil stimulierend, zum Teil hemmend ineinander, und wird durch die Trainings- und Wettkampfbelastungen von Leistungssportlerinnen beeinflußt.

Schon der Zeitpunkt der ersten Regelblutung ist etwa bei Kunstturnerinnen, Eiskunstläuferinnen, aber auch bei Ballettänzerinnen, die bereits im Alter von acht bis zehn Jahren ein umfassendes Leistungstraining absolvieren, um neun bis dreizehn Monate verspätet. Freilich trägt zu dieser Tatsache bei, daß für diese Sportarten grazile, schlankwüchsige Mädchen besonders geeignet sind, deren motorische Fähigkeiten und Koordinationsvermögen besonders entwickelt, deren Größenwachstum aber verzögert ist. Außerdem führt der für diese Sportarten spezifische Zwang zur Schlankheit zu unausgewogener, mangelhafter Ernährung, auch einer möglichen Ursache für eine verzögerte erste Regelblutung.

In den letzten Jahren haben Untersuchungen von Leistungssportlerinnen eine Zunahme von Zyklusstörungen ergeben, wobei nachgewiesen werden konnte, daß die Dauer der körperlichen Belastung dabei eine Rolle spielt. So war ein völliges Ausbleiben der Menstruation bei 21 Prozent jener Läuferinnen festzustellen, die pro Woche mehr als 50 Kilometer liefen.

Mitverantwortlich für diese Störungen könnte auch die Abnahme des Körperfettgehaltes sein, auch bei Ballettänzerinnen wurde ein Zusammenhang zwischen dem Ausbleiben der Menstruation und dem geringen Körpergewicht nachgewiesen. Beim Langstreckenlauf, beim Kunstturnen, bei der rhythmischen Sportgymnastik etwa finden sich zunehmend Sportlerinnen, deren ausgeprägt schlanke Figuren sogar an Magersüchtigkeit erinnern. So wurden in Vergleichsuntersuchungen Persönlichkeitsmerkmale wie Aggressionshemmung, hohe Selbsterwartung, hohe Schmerztoleranz und Depressionsneigung sowie einander ähnelnde soziökonomische und familiäre Hintergründe sowohl bei männlichen (!) Marathonläufern wie auch bei magersüchtigen Frauen festgestellt. •

Wenngleich Leistungsfähigkeit und -bereitschaft eindeutig die Spitzensportlerin von der Magersüchtigen abgrenzen, so tragen nach Meinung von Sportmedizinern doch das Fehlen bestimmter Nahrungsbestandteile, die Belastung durch Training und Wettbewerb, die mangelnde Regenerationsmöglichkeit und das Fehlen spielerischfreudiger Elemente (!) zu ähnlichen äußeren Erscheinungsbildern bei.

Innerhalb des Menstruationszyklus der Frau unterliegen Motorik, Herz-Kreislauf-System, Atmung, Stoffwechsel, Körpergewicht und Psyche deutlich meßbaren Schwankungen. Werden diese Faktoren im Trainings- und Wettbewerbsprogramm der Leistungssportlerinnen nicht berücksichtigt, bleibt eine Möglichkeit ungenützt, frauentypisch und vor allem der einzelnen Sportlerin entsprechend zu trainieren. Entsprechende Untersuchungen haben ergeben, daß in den meisten Disziplinen die Sportlerinnen ihren Leistungstiefpunkt während der Menstruation haben, lediglich Sprinterinnen seien vor der Menstruation weniger leistungsfähig. Am geringsten von ihrem Zyklus beeinträchtigt seien Werferinnen. Würden objektive Leistungsschwankungen, subjektives Befinden gemeinsam mit der Basaltemperatur registriert, können - so meinen Sportmediziner - bessere Grundlagen für die Wettkampf pla-nung und die Trainingsgestaltung erarbeitet werden.

Wie stark sich aber in umgekehrter Weise körperliche und seelische Belastungen durch den Leistungssport auf die Hormonregulierungen der Frauen auswirken, ist bisher leider nur zum geringen Teil erforscht. Über die Auswirkungen der unter körperlicher Belastung geringeren Hormonproduktion der Eierstöcke auf den Hypothalamus gibt es keine Untersuchungen. Widersprüchlich sind auch die Untersuchungsergebnisse über die veränderte Streßhormonausschüttung der Hirnanhangdrüse. Nachgewiesen scheint lediglich ein Zusammenhang zwischen einer verminderten Hormonausscheidung der Hirnanhangdrüse und unregelmäßiger Menstruation von Athletinnen.

Was hingegen eindeutig erwiesen scheint, ist eine Abnahme der Hormonproduktion der Eierstöcke bei akuten sportlichen Anstrengungen oder in den Ausdauerdisziplinen. Die von den Eierstöcken produzierten weiblichen Hormone (Östrogene und Gestagene) werden durch chronische Ausdauerbelastungen vermindert, was bis zu Werten führen kann, wie sie nach dem Klimakterium auftreten. Osteoporose mit Frakturgefahr, Zyklusbeschwerden, die Unfähigkeit, ein Kind auszutragen, Auswirkungen auf das sexuelle Empfinden und die Psyche können die Folge solchen Mangels an weiblichen Hormonen sein. Mit dem (ebenfalls von den Eierstöcken gebildeten) männlichen Hormon Testosteron reagiert der weibliche Körper auf physische Anstrengung, dopt sich also quasi selbst durch die Ausbildung von Muskeln, die dann allerdings auch für eine vermännlichte äußere Erscheinung verantwortlich sind.

Trotz ethisch-medizinischer wie nationaler und internationaler Verbote werden zur Leistungssteigerung von Sportlerinnen und Sportlern anabole Steroide angewendet. Anabole Steroide beein-flußen das Gleichgewicht zwischen Eiweißaufbau (Anabolismus) und Eiweißabbau (Katabolismus) im menschlichen Körper. Für alle kraftorientierten Disziplinen wirken sie also insbesondere bei Frauen leistungssteigernd. Die anabole Wirkung des männlichen Hormons Testosteron vermehrt die Muskelmasse, die roten Blutkörperchen, das Kalzium in den Knochen, verringert den Fettanteil am Gesamtgewicht und den Eiweißabbau. Gleichzeitig ist aber die virilisie-rende, also vermännlichende Wirkung des Testosterons nicht von dessen anaboler Wirkung zu trennen. So müssen Frauen mit einer unterschiedlich stark ausgeprägten Vermännlichung ihres Äußeren rechnen: Haar- und Bartentwicklung, Stimmlagenveränderung, Brustausbildung. Die zum Teil irreversiblen Nebenwirkungen der Anabolika wie Bluthochdruck, Sterilität, Leberanomalien bis zum Karzinom und psychische Störungen können nicht eindringlich genug aufgezeigt werden. Auch über das Absetzen der Präparate hinaus bleibt das Zusammenspiel im Hormonhaushalt über längere Zeit gestört.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung