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Doping - die unendliche Geschichte

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Der Dopingskandal in der österreichischen Leichtathletik ist mittlerweile aus den Schlagzeilen verschwunden. Damit ist aber das Thema nicht vom Tisch. Nun ist es Zeit, Bilanz zu ziehen und grundsätzliche Überlegungen anzustellen. Wohin ist der Berufssport unterwegs?

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Der Dopingskandal in der österreichischen Leichtathletik ist mittlerweile aus den Schlagzeilen verschwunden. Damit ist aber das Thema nicht vom Tisch. Nun ist es Zeit, Bilanz zu ziehen und grundsätzliche Überlegungen anzustellen. Wohin ist der Berufssport unterwegs?

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Ist der Kampf gegen Doping nicht schon verloren, oder aussichtslos? Nicht, weil man keinen erwischen würde, sondern weil die zunehmende Engmaschigkeit der Dopingkontrollen offensichtlich wenig abschreckende Wirkung hat. Zu viele Ungereimtheiten gibt es noch. Nur einige wenige sollen aufgezeigt werden.

□ Dopingkontrollen sind teuer, daher sind wirklich flächendeckende, regelmäßige Kontrollen in allen Ländern einfach nicht möglich. Wer wann wo und wen kontrolliert, wer kontrolliert, daß dies ein gerechtes und ausgewogenes System ist? Sind Kon-trollore nicht ebenso unbeliebt, wie Straßenbahnkontrollore? Stehen die Verbände und Verantwortlichen tatsächlich hinter ihnen - oder eher nur verbal?

□ Der oberste Hüter Olympias, Juan Antonio Samaranch, signalisiert Unvereinbares. Einerseits forciert er für Olympia die weitbesten Athleten, wobei der Eindruckbesteht, daß man den Rest nur mehr als Aufputz beim Auf-und Einmarsch benötigt. Somit ist auch seine Rolle als primärer Forderer des Kommerzes verständlich.

Andererseits sollte er oberster Hüter der Olympischen Idee sein, die dem Dabeisein, der Fairneß und Ritterlichkeit und vielen anderen olympischen nicht-kommerziellen Werten ihren unverzichtbaren Platz zuweist.

Unvereinbarer geht es nicht!

□ „Es geht auch ohne Doping”, sollte mit Jürgen Matzku bewiesen werden. Ja, aber mit welch unrealistischem Aufwand, mit welchen Kosten und intensiver Zuwendung! Davon kann ein Sportler ja nur träumen.

Und dann ist noch immer nicht bewiesen, daß mit gezielten, wissenschaftlich verab-reichten Dopingsubstanzen die Leistung nicht noch besser ist, damit man zum erlesenen Kreis der Weltbesten gehört. Deshalb ein weiteres Problem:

□ Die Ärztemeinung, Doping bringe nichts, ist derzeit einfach noch nicht überzeugend, sowie Alternativen nicht ausreichend. Wie ist es nach Verletzungen und Operationen: Ist da eine ärztlich verordnete „Nachhilfe” beim Muskelaufbau in der Rehabilitationsphase („Substituierung”) Doping oder nicht? Das Problem vieler Sportler ist ja nicht mangelnde Trainingseinstellung oder mangelnder Trainingsfleiß, sondern viele verletzungsbedingte Probleme, Überehrgeiz, Erfolgssucht und Erfolgsdruck. Daher eine weitere Beobachtung:

□ Wir (das heißt die Sportfans, die Öffentlichkeit, die Medien) bejubeln erfolgreiche Athleten. Sind sie international nicht erfolgreich, werden sie bemitleidet, verachet, oft beschimpft. Solange ein Athlet erfolgreich ist, interessiert die meisten nicht, ob er gedopt ist oder nicht. Wird er erwischt, dann sagen viele: „Warum ist er so dumm und läßt sich erwischen?” Das ist eine „Vogel-Strauß-Moral”.

Es wird weiter gedopt werden

Realistischerweise muß damit gerechnet werden, daß weiterhin gedopt wird - mehr oder weniger geschickt. Gleichzeitig darf angenommen werden, daß auch ehrlicherweise nicht gedopt wird. Das Vertrauen zu unseren Athleten darf nicht leiden. Und moralisch verurteilen sollte man keinen, auch wenn einer falsch und gegen die Regel gehandelt hat.

Die Dilemmata sind zu offensichtlich. Doping ist nicht nur ein indivi-dual-, sondern auch ein sozialethisches und damit unser aller Problem. Das ganze System Hochleistungssport ist fragwürdig, wenn es nicht gelingt, seinen positiven Sinn herauszuarbeiten und ihn von einer reinen Erfolgsund Kommerzphilosophie zu lösen.

Persönlich bin ich gegen Doping, weil die Gefahr gesundheitlicher Schäden viel zu groß ist, weil es zweitens gegen die sportliche Regel ist und drittens, weil eine mit Doping erbrachte Leistung eine Fremdleistung (mit Hilfe körperfremder Substanzen) und damit keine lupenreine eigene, persönlich erbrachte Leistung ist.

Bei der Beurteilung der ganzen Dopingproblematik sollte umfassend an allen Aspekten der Bekämpfung und einer gezielten Hilfe für Athleten gearbeitet werden. Vielleicht wird der Spitzensport dann noch wesentlich teurer werden und es noch weniger Weltspitzenathleten in Österreich geben. Daher abschließend die Frage: Was ist uns ein saubererund ehrlicher Spitzensport wert?

Der Autor ist Sport- und Olympiakaplan.

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