6829072-1974_28_07.jpg
Digital In Arbeit

Doppelte Enosis?

19451960198020002020

Mit der öffentlichen Feststellung des Erzbischof-Präsidenten Makarios von Zypern, daß niemand anderer als das griechische Militärregime hinter den Anschlägen der nationalistischen Terrororganisation EOKA II auf sein Lehen und die Souveränität der Inselrepublik stehe, hat sich in dem seit genau zwei Jahren schwe-lenden Zypernkonflikt eine völlig neue Konstellation ergeben.

19451960198020002020

Mit der öffentlichen Feststellung des Erzbischof-Präsidenten Makarios von Zypern, daß niemand anderer als das griechische Militärregime hinter den Anschlägen der nationalistischen Terrororganisation EOKA II auf sein Lehen und die Souveränität der Inselrepublik stehe, hat sich in dem seit genau zwei Jahren schwe-lenden Zypernkonflikt eine völlig neue Konstellation ergeben.

Werbung
Werbung
Werbung

Bisher hatte der von der Kolonialzeit bis zur Eigenstaatlichkeit kontinuierlich an der Spitze der zypriotischen Griechen stehende Makarios den in Athen ständig wechselnden Regierungen und Staatsformen zumindest nach außen die Treue und die Stange gehalten. Auf Zypern standen sich damit eine von Griechenland gedeckte hellenische Bevölkerungsmehrheit und eine türkische Minderheit gegenüber, deren zahlenmäßige Schwäche auf der Insel (rund 18 Prozent der 500.000 Einwohner) durch die Stärke des türkischen Hinterlandes, Ankaras kluge Diplomatie und eine der griechischen weit überlegene Armee ausgeglichen wurden.

Auf einmal sieht es jetzt aber so aus, daß sich die Türkei und Hellas wegen der beiderseitigen Erdölansprüche im Ägäischen Meer in den

Haaren liegen, während Makarios auf seiner Insel ziemlich unbeobachtet und endlich befreit vom Ballast jahrhundertealter griechisch-türkischer Differenzen agieren kann. Ob diese Ausgangssituation zur Versöhnung der Regierung in Nikosia mit den in Aufrühr befindlichen zyperntürkischen Stadtvierteln und Landstrichen oder zu deren Unterdrük-kung in einer militärischen Blitzaktion führen wird, hängt ausschließlich vom Dialog zwischen den beiden

Volksgruppen ab, der Mitte Juni nach mehrmonatiger Untenbrechung, aber unter guten Vorzeichen, wiederbegonnen hat.

So hat der zypemtürkische Sprecher Denlktasch mit Genugtuung auf Makarios“ Differenzen mit Athen hingewiesen, die für die Türken Zyperns — bei denen es sich übrigens um islamisierte Griechen handelt — eine Garantie dafür sein könnten, daß der Erzbischof sein altes Fernziel der „Enosis“, des Anschlusses an Griechenland, aufgegeben habe. Nicht weniger positiv war das Echo, das nun zum Monatsende die Entlassung im Sold Athens stehender Stabsoffiziere der zypriotischen Regierungstruppen in der türkischen Tagespresse von Nikosia, Limassol, Famagusta und Lefka, einschließlich des radikal-nationalen „Bozkurt“, gefunden hat. Auf dem venezianischen Vorwerk der Altstadt von Nikosia, wo sich jeden Freitag Nachmittag die zyperntürkische Führer-

schaft ausschließlich der Kommunisten ein Stelldichein gibt, hält man es nicht für ausgeschlossen, daß es im Lauf des Sommers sogar noch zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Zypern, wo die Popen bei der Sonntagsmesse noch immer für den abgesetzten griechischen König Konstantin II. beten, und der „hellenischen Demokratie“ des Generals Gizikis kommt. In dieser günstigen Stunde soll dem um seinen alten Kampfruf „Zypern heim ins Griechenreich“ gebrachten Makarios der innere Friede um den Preis weitgehender Autonomie für die türkischen Stadt-Gettos in Form eigener Gemeinden — und ländlichen Siedlungsräume — Halbkantone nach dem Appenzeller Modell angeboten werden.

Von den alten Zweiteilungsplänen zwischen Griechenland und der Türkei will Denlktasch heute nichts mehr wissen. Er scheint sich nur so lange auf diese versteift zu haben, als das internationale Spannungsklima am östlichen Mittelmeer die Duldung der USA für einen griechischen Eno-sis-Handstreich erwarten ließ, der die neutralistische Inselrepublik mit prosowjetischer Schlagseite automa-

tisch in die NATO gebracht hätte. In einem solchen Fall wollten die Zyperntürken ihre Insel zumindest zwischen Athen und Ankara geteilt wissen. In der Ära Kissingers und der Nähostbefriedung kommen aber solche Raubritterstücke auf dem benachbarten Zypern nicht mehr in Frage. Die Türken der Insel wollen einfach nicht länger Bürger zweiter Klasse sein, wollen aber auch keineswegs den Anschluß an die von politischen und sozialen Wirren geschüttelte Türkei.

Wenn sie auch heute noch dann und wann vor der „doppelten Enosis“ reden, dann ist das mehr Schreckgespenst, um Makarios ihre anderen Forderungen schmackhafter zu machen. So steht auf ihrer Wunschliste gleich nach der Selbstverwaltung die Selbstlbeschränkung des Erzbischof-Präsidenten auf eine rein repräsentative Rolle, während er die Staatsgeschäfte an seinen Kronprinzen Kleridis mit Denktasch als Stellvertreter mit Vetorecht abtreten solle. Noch ist ungewiß, ob Makarios aus der Not seiner Schwierigkeiten mit Athen die Tugend solcher Selbstverleugnung machen wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung