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Dornen für Trudeau
Moskau und Peking bemühen sich heute intensiver als je zuvor um die Freundschaft Kanadas. Wenige Tage nach der Ankündigung des Besuches von Premierminister Kossygin in Ottawa erschienen russische Rieseii- inserate in der kanadischen Presse. Eine vierseitige Anzeige in Torontos „Globė & Mail" — für deren Abfassung W/O Wneschtorgreklame, Moskau, verantwortlich zeichnet — rührt nicht nur für Erzeugnisse, die von Wokda bis zu Uhren reichen, die Werbetrommel, sondern auch für die „UdSSR im Kampf für den Frieden“.
Der überaus freundliche Empfang von Premierminister Pierre Trudeau auf seiner Reise durch die UdSSR war der Auftakt für die Annäherung zwischen Moskau und Ottawa. Kanada erhofft sich wirtschaftliche Vorteile davon. Bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Peking erwies sich Kanada auch als „Eisbrecher für andere NATO- Nationen, und auch davon sollte die Wirtschaft des „Landes der schwarzen Bären“ — besonders in der Sphäre der Weizenexporte — profitieren.
Weit weniger erfolgreich ist Premierminister Pierre Trudeau in der Innenpolitik. Selbst im Hochsommer erreichte die Arbeitslosigkeit die Höhe von 6,3 Prozent. „Die Inflation“ — so Trudeaus Erklärung in Port Hope — „ist wieder da.“ Das Problem des möglichen Abfalles der vorwiegend französischen Provinz Quebec ist, nach wie vor, ein bren- endes Problem.
Als Russell Honey, Abgeordneter der Regierungspartei, vor dem Eintreffen von Premierminister Pierre Trudeau in seinem Wahlkreis Northumberland-Durham (Ontario) eine briefliche Wählerbefragung vornahm, ergaben die Antworten, daß selbst in dieser liberalen Hochburg 47 Prozent mit Trudeaus Führung der Regierungsgeschäfte unzufrieden waren. Eine kürzlich von der liberalen Regierungspartei vorgenommene „survey“ zeigte, daß 70 Prozent den häufigen Vergnügungsreisen des Ministerpräsidenten (Urlaubsfahrten in British Honduras wie. auch im Karibischen und Mittelländischen Meer) ablehnend gegenüberstanden. Konterte Millionärssproß Trudeau: „Wenn ich Wanderlust hätte, wäre ich nicht Politiker geworden.“
Der Volkswirtschaftler Eric Kie-
rans, vor kurzem noch Postminister, brandmarkt die Wirtschaftspolitik Trudeaus, die ihn veranlaßte, aus der Regierung auszuscheiden. Kierans, Sohn eines Iren und einer Deut- scheij, weist darauf hin, daß US- Interessen die kanadische öl- und Erdgasindustrie kontrollieren: „71 Cents von jedem dieser Dollars landen wieder in amerikanischen Taschen…“
Noch vehementer sind die Attak- ken von Paul Hellyer, dem Landes- verteidigungs- und ehemaligen Transportminister. „Ich bin noch ein Liberaler. Ich bin nicht sicher, ob die Parte/ es noch ist“, erklärte Trudeaus früherer Vizepremier. „Maßnahmen, die vor 40 Jahren noch wirkungsvoll waren, sind es nicht mehr, wenn Preise und Löhne schneller steigen als die Produktivität.“
Noch ist der Zeitpunkt der Neuwahlen unbekannt, doch immer härter wird die Kritik an den Aktionen der Regierung. Selbst die Schaffung einer Staatsschutzorganisation stößt in weiten Kreisen auf scharfe Ablehnung. Solicitor-General Goyer verteidigt die Kreierung der aus Spezialisten bestehenden Crack- Einheit: „Wir werden heute attak- kiert, weil wir uns bemühen, eine Wiederholung der Krise des Vorjahres, die in Quebec zu Menschenraub und Mord führte, zu verhindern.“
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