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Digital In Arbeit

Draht zur Zukunft

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Eine Konferenz per Telefon, neue Teilnehmer melden sich mit Klopfen an, unliebsame Anrufer werden abgewimmelt. Der neue heiße Draht hat einiges zu bieten.

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Eine Konferenz per Telefon, neue Teilnehmer melden sich mit Klopfen an, unliebsame Anrufer werden abgewimmelt. Der neue heiße Draht hat einiges zu bieten.

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In einem der Räume klappern die mechanischen Einrichtungen so laut, daß man das eigene Wort nicht versteht, in dem daneben ist es sehr ruhig und kühl. Fortschritt manifestiert sich heutzutage leise.

Seit 1982 arbeiten Spezialisten von vier bedeutenden Konzernen unter der koordinierenden Leitung der Osterreichischen fern-meldetechnischen Entwicklungsund Förderungsgesellschaft (ÖFEG) im Auftrag der Post im Wiener Arsenal an der Entwicklung und Einführung des digitalen Telefonsystems.

Da für Österreich ein eigenes System zu teuer käme, wurden zwei ausländische Systeme, nämlich DMS 100 von Northern Telecom durch Schrack Elektronik AG und Kapsch AG und als Konkurrenzsystem das Basissystem EWSD von Siemens München durch die Alcatel Austria und Siemens Österreich angepaßt und in Versuchsanlagen getestet.

Im Jänner 1986 konnten bereits je 8.000 Teilnehmer an die digital ausgestatteten Telefonzentralen in Wien, in der Krugerstraße und in der Dreihufeisengasse, angeschlossen werden. Da sich der Bedarf an Telefonanschlüssen von 2,5 Millionen auf über vier Millionen erhöhen wird, sollen jährlich 170.000 Apparate umgerüstet beziehungsweise rund 85.000 neu installiert und die langen Wartelisten endlich abgebaut werden.

Die Post wird sich die Umstellung auf digitale Ämter in den nächsten fünf Jahren 8,7 Milliarden kosten lassen, Investitionen in andere Hochtechnologie nicht mitgerechnet. Was aber kann nun das österreichische digitale Telefon (OES) mehr?

Zunächst bringt die Umstellung von Elektromechanik auf Elektronik eine Kostenersparnis von etwa 66 bis 75 Prozent, und es können bis zu 30 Gespräche gleichzeitig über eine Leitung geschickt werden. Die alten Relais werden durch Mikrocomputer ersetzt, und statt des Telefonfräuleins wird ein programmgesteuerter Computer die Verbindungen und die Koordination übernehmen.

Beim bisherigen sogenannten analogen System wurde die Sprache in Form von Schwingungen über die Leitung übertragen. Beim digitalen Kommunikationsweg wird 8.000mal pro Sekunde eine Probe der Sprachschwingungen genommen und jede ihrer Größe entsprechend in eine Zahl verwandelt, die in Form von elektrischen Impulsen über die Leitung geschickt und beim Empfänger wieder rückverwandelt wird.

Diese Form der Übertragung hat den Vorteil, daß es zu viel weniger Störgeräuschen kommt. Dem ist allerdings nicht so — die Besitzer eines digitalen Apparates können ein Lied davon singen — wenn altes und neues System zusammenarbeiten. Dann hört man meist einen leisen und schlechten Ton.

Dafür können sich Teilnehmer an der neuen Kommunikationsvariante einiger — meist gebührenpflichtiger — Serviceleistungen mehr erfreuen: Auf Wunsch erhält man eine detaillierte Gebührenverrechnung, oder man kann das Telefon - schneller und effizienter — überwachen und jeden Anrufer identifizieren lassen.

Um Mißbräuchen vorzubeugen, kann dies jedoch nur vom Anschlußinhaber angefordert werden.

Die Verbindungen zu Notrufen werden gebührenfrei, und der Verbindungsaufbau erfolgt schneller. Der Gebührenzähler läuft erst, wenn der andere den Hörer abhebt. Bisher wurde alle 72 Sekunden eine Einheit verrechnet, unabhängig vom Zustandekommen einer Verbindung.

Das neue Komforttelefon ist mit 16 Tasten ausgestattet und beherrscht das Zusammenschalten mehrerer Teilnehmer zu einem konferenzartigen Gespräch, ver-

Computer-Experten unter sich bindet automatisch zu einem besetzten Anschluß nach Ende des anderen Gesprächs oder schaltet einen Klopfton bei einem gerade Telefonierenden ein.

Für besonders unter der Telefo-nitis leidende Postkunden eignen sich die Tonbanddienste, die dem Anrufer Ruhe vor dem Telefon, Urlaub oder Inventur melden. Außerdem kann man über zehn Nummern speichern, mit einer einzigen Taste wiederwählen, und die zuletzt gewählte Nummer bleibt gespeichert.

Das OES, mit dem auch neue Hörtöne eingeführt werden, scheint in erster Linie für reaktionsschnelle und gedächtnisstarke Personen konzipiert: Spätestens nach zehn Sekunden muß gewählt werden, und wer die Galgenfrist von fünf Sekunden ohne weitere Ziffernwahl verstreichen läßt, kann von vorne beginnen. Sicher kein Kundendienst an älteren Menschen. Darüber hinaus erfordert die Benützung der Sondertasten schon einige technische Kenntnis.

Den Sprung in den Hyperraum der Kommunikation jedoch sichert die Umstellung auf das Integrierte Nachrichtennetz für verschiedene Dienste (ISDN), das in der Bundesrepublik bereits in einem Pilotversuch in 14 Großstädten erprobt wird.

Dabei werden in einer „Nachrichtensteckdose” mehrere Dienste unter einer Rufnummer möglich. An einem Anschluß können sowohl Telefon, Telekopierer, Heimcomputer et cetera verwen-

(Karikatur Süddeutsche Zeitung) det werden, vorausgesetzt, die Stecker entsprechen der international vereinbarten Norm.

In Österreich wird diese Kommunikationsform 1988 erstmals erprobt. Hand in Hand mit der Umstellung auf OES, die etwa 30 Jahre dauern wird, geht die Verlegung der Glasfaserkabel, in die in den nächsten fünf Jahren rund eine Milliarde investiert wird. Die Glasfaser ermöglicht eine praktisch störungsfreie und abhörsichere Übertragung. Außerdem entsprechen 100 Gramm Glasfaser von der Kapazität her 10 Kilogramm herkömmlicher Kabel. Bis 1990 sollen 5.000 Kilometer der Lei(s)tungsgiganten verlegt sein.

Wie allerdings der Sprung in die Zukunft für die Telefonfräulein aussehen wird, ist fraglich. Vielleicht könnte man sie bei der Auskunft einsetzen, damit auch dieses ewige Besetztzeichen der Vergangenheit angehört.

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