6804456-1971_50_17.jpg
Digital In Arbeit

Drei Bücher zu drei Bildern

Werbung
Werbung
Werbung

Bild eins: Im Sitzungssaal der UNO geht es zu wie nach einem K. o. im Boxring. Klatschende, brüllende und gestikulierende Vertreter aller Couleurs der politischen Linken und ihrer bürgerlichen Kofferträger feiern den Hinauswurf des „nationalen“ China und die Hereinkom- plimentierung des „kommunistischen“, sowie die Pleite der USA- Politik. Bild zwei: In Los Angeles schmeißt ein Bub Brandbomben auf das Gebäude seiner Schule. Der Bub ist schon Guerillero und mit dabei, die Schule und das ganze „Establishment“ der USA, Ordnungsmacht Nr. 1 des Kapitalismus, Militarismus und Rassismus, niederzukämpfen. Bild drei: Beifall und Gratulationen im Bonner Bundestag für Willy Brandt, dessen Linkspolitik durch Verleihung des Nobelpreises quasi tabuisiert wurde. Säkularisierte Heiligsprechung.

Die zum 65. Geburtstag Klaus Mehnerts erschienene Analyse der Beziehungen im Dreieck Washington—Moskau—Peking dokumentiert, mit welcher Beschleunigung die große Wende nach links bereits unterwegs ist: Mehnert, zum Chinaexperten des Jahres beförderter Bestsellerautor, meint in diesem Band noch, Peking werde sich wegen seiner UNO-Mitgliedsehaft nicht engagieren. Und betreffs Taiwan erwarte sich Mao den Rückzug Nixons. Jetzt ist Mao schon in der UNO. Taiwan ist hinausgeschmissen und liegt auf dem Präsentierteller. Dazu brauchte es keine Gewaltanstrengung der kultivierten Chinesen; die Linke aller Konfessionen und die loyalen Kapitalisten verrichten für sie die Arbeit der Hausknechte. Diese ganze Entwicklung, die schon geschieht, interpretieren in dem Sammelband noch sieben weitere gescheite Autoren.

Seit einiger Zeit ist die Weltöffentlichkeit alarmiert von dem, was eine in Kanada gedruckte Zeitung über den Guerillakampf in den USA berichtet. So wie in Nordirland: Bürgerkrieg in den Ursprungsländern der Demokratie. Die USA haben die Partisanen ihrer Verbündeten von 1945 und Gesprächspartner von 1971 bereits im eigenen Haus. Ganz im Sinne maoistischer Taktik sollen diese Guerilleros auf einer Welle der Sympathie der amerikanischen Bevölkerung schwimmen. Dazu tun die Massenmedien ihr Bestes. Man erinnert sich der auch hierzulande verbreiteten Reportagen über eine Gefängnisrevolte in den USA. Aufseher waren ermordet worden. Die Verbrecher stellen auch politische Bedingungen. Der Gouverneur des Staates New York, eben noch wegen seines Linksrutsches des Beifalls sicher, muß den Einsatzbefehl geben. Wieder gibt es Tote. Aber: Nicht die Mörder, der Ermordete ist schuld.

Zu diesen beiden Bänden der Deutschen Verlagsanstalt, die wie oft mit ersten Reports hinter der Spitze der Aktualität her sind, gehört ein im Seewald-Verlag erschienener Sammelband von Aufsätzen über die ins Kreuzfeuer geratene Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel. Conrad

Ahlers, Exchefredakteurstellvertreter des „Spiegels“, nunmehr Regierungssprecher, dessen Namen auf dem Umschlag noch genannt ist, ging aus dieser Schußlinie. Die SPD ist mit einer Äußerung eines ihrer Experten für Probleme der Vertriebenen und Flüchtlinge vertreten. Das ungeordnete Büchsenfeuer der CDU- Opposition artikulieren einige ihrer Experten und Politiker in diesem Band. Sie tun es ungleich besser als mancher Sprecher mit klingendem Namen. Alfred Dregger, durch hessische Verhältnisse mit der politischen Existenz unter kompakten SPD-Mehrheiten besser vertraut, resümiert: die neue Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel ist im An-- satz verfehlt, in der Durchführung fehlerhaft und in ihren Ergebnissen bereits verhängnisvoll. Jetzt wird es sich erweisen müssen, ob er und andere gegenüber jenen Fraktionskollegen recht bekommen werden, die es offen heraussagen Nach der Nobelpreisverleihung wird es noch schwerer, Brandt anzugreifen. Indessen: So totalitär schützt nicht einmal die katholische Kirche ihre Heiligen.

Alles in allem: Es geht nicht um Brandt oder um die USA oder um Taiwan als isolierte Fakten. Es geht um Unterscheidungen, die heute offenbar rechts wie links überhaupt nicht mehr realisiert werden. Bücher der vorliegenden Art erhellen in dieser Situation wenigstens diesen Zustand.

DAS GROSSE DREIECK. Washington—Moskau—Peking. Beiträge zum 65. Geburtstag Klaus Mehnerts. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1971. 208 Seiten.

GUERILLAKRIEG IN DEN USA. Von Warren Hinckle. Deutsche Verlagsanstalt. Stuttgart 1971. 276 Seiten.

OSTPOLITIK IM KREUZFEUER. Sammelband von Beiträgen. Herausgegeben von Hans Graf Huyn. Seewald-Verlag. Stuttgart 1971. 235 Seiten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung