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Drei Schlüssel zur Zukunft

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Der Pflug, den der moderne Steyr-Traktor bei Nakuru — 155 Kilometer nördlich von Nairobi — über das Demonstrationsfeld zieht, gräbt nur seichte Furchen in die kenianische Erde. „Modernes“ Tiefpflügen würde die Erosionsgefahr erhöhen. Und mit einem Mal erscheint die traditionelle Bearbeitungsform, bei der der Boden mit einer primitiven Hacke eigentlich nur oberflächlich gelockert wird, gar nicht mehr so „rückständig“.

Drei Viertel der Bevölkerung Kenias arbeiten in der Landwirtschaft, der größere Teil lebt noch überwiegend vom Eigenanbau.

Kenia zählt — ebenso wie Simbabwe — zu den wenigen Staaten Afrikas südlich der Sahara mit Uberschußproduktion. Die knappen Ressourcen — nur rund ein Fünftel der Landesfläche eignet sich für den Ackerbau — werden durch günstiges Klima ausgeglichen. Kaffee und Tee sind — gefolgt übrigens vom Ferntourismus — wichtige Devisenbringer.

Andere Staaten müssen schon längst Devisen aufwenden, üm mehr schlecht als recht die Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Bis Anfang der sechziger Jahre war Afrika Selbstversorger. Heute werden pro Kopf—und damit schon das Bevölkerungswachstum miteingerechnet - nur noch drei Viertel der Nahrungsmenge der frühen siebziger Jahre produziert.

Die Ursachen sind vielfältig. Erosion durch Wind und Regengüsse sind nur ein Grund. Bodenkonservierung ist selten: Tierischer Dung wird häufig als Holzersatz verwendet. Bewässerungsmöglichkeiten sind rar.

Und auch die Politik hat dazu beigetragen. Zugunsten der Industrialisierung wurde die Landwirtschaft oft bewußt vernachlässigt. Und um die rasch wachsenden Städte mit billigen Nahrungsmitteln zu versorgen, werden vielfach niedrige Preise festgesetzt — mit dem Erfolg, daß Bauern der Anreiz fehlt, über die Eigenversorgung hinaus zu pro-. duzieren.

Nicht zuletzt: Das hochsubventionierte Agrar-Dumping der westlichen Welt raubt afrikanischen Bauern im eigenen Land wie in Drittländern die Konkurrenzfähigkeit.

Kommen dann noch Dürre oder Heuschreckenplage dazu, ist die Katastrophe perfekt.

Die Entwicklung einer standortgerechten Landwirtschaft ist der Schlüssel zur Zukunft Afrikas. Nationale Anstrengungen — wie Nigeria und Ghana gegenwär- tig mit einer beachtlichen Steigerung ihrer Agrarproduktion beweisen — und internationale Hilfe

— wie sie auch Österreich seit drei Jahren beim rwandischen Bauernförderungsprogramm in den Gemeinden Cybingo, Gatonde und Ndusu (Projekt CYGAND) leistet — sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Voraussetzung ist in jedem Fall, die Bauern

— voran die Frauen — zu motivieren.

„The people were expected not to initiate, but to obey“—al so: Von den Leuten wurde nicht Initiative erwartet, sondern Gehorsam. Der ghanaische Gesprächspartner zitiert den ehemaligen — gescheiterten und gestürzten — Premierminister Kofi Busią als Spitze gegen den Fliegerleutnant Jerry Rawlings, der das Heft an der ehemaligen „Goldküste“ ab Ende 1981 zum zweiten Mal schon in die Hand genommen hat, doch steckt in diesem Wort über die Kolonialzeit mehr als ein Körnchen Wahrheit.

Vielleicht mehr als im Vorwurf der Trägheit. Leistung und Arbeitstempo müssen in Schwarzafrika sicher mit anderen Maßstäben gemessen werden. Schlechte Ernährung — auch daher die Schlüsselrolle der Versorgungssicherung - und Krankheiten spielen ebenso eine wesentliche Rolle.

Wer mit Impfungen und tropenmedizinischen Ratschlägen im Reisegepäck nach Schwarzafrika kommt, ist gut beraten. Bei Afrikanern wird er auf amüsiertes Schmunzeln über diese Vorsicht stoßen.

Der Afrikaner lebt mit Krankheiten, die ihm mehr oder minder zu schaffen machen und ihn oft langfristig - auch in seiner Arbeitsleistung - schwächen: Malaria etwa, Schlafkrankheit, Bil- harzia, Hakenwürmer…

Das führt unmittelbar zum nächsten Problem, zum Gesundheitsdienst, zur ärztlichen Versorgung, aber auch zum Trinkwasser.

Österreich hat sich hier im kenianischen Loitokitok besonders engagiert. Das vom österreichischen Entwicklungsdienst (ÖED) 1972 erbaute 120-Betten-Spital im Massai-Land dient der Versorgung von 60.000 Menschen. 1978 wurde das Projekt um eine Spitalstechnikerschule unter rotweißroter Leitung erweitert, jetzt soll eine Krankenschwestemschule folgen.

Spital — das heißt in Loitokitok: eine Einrichtung zur medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung mit zwei Ärzten. Sie haben neben den stationären Patienten täglich rund 170 ambulant zu betreuen.

Im Vorjahr gingen über 35.000 Patienten durch die Hände der beiden Mediziner, über 500 davon kamen bei größeren oder kleineren Operationen unters Messer.

Ebenso wurde mit österreichischer Hilfe jetzt ein Wasserversorgungssystem für die Gemeinde Loitokitok installiert: gesundes Wasser ist in Afrika in jedem Fall ein Lebens-Mittel.

Die Fassung der Nol Turesh- Quelle acht Kilometer östlich der Gemeinde, Pumpenanlagen und ein Leitungsnetz von 60 Kilometern ersparen heute den Frauen einen beschwerlichen Marsch zur Quelle: Gegen ein geringes Entgelt öffnet sich der Wasserhahn am Dorfplatz.

Ein gutes Projekt — und trotzdem Kritik. Österreicher bemängeln die fehlende Eigenleistung, Afrikaner fürchten Entwicklungsfolgen. Das Zentrum im Massai-Land könnte sich mit seiner Infrastruktur als Magnet für Zuzügler aus anderen Landesteilen erweisen: obwohl heute durchaus auch manche Massai seßhaft werden, sehen sie sich als Nomaden verdrängt, bedroht. Eine Entwicklung, die auch aus anderen Gründen gar nicht so problemlos ist: ihr Rückzug ist mit der Abwanderung unserer Berg- und Almbauern vergleichbar — mit Konsequenzen für die Umwelt.

Neben Ernährungssicherung und Gesundheitswesen liegt im Erziehungsbereich der dritte Schlüssel einer zukünftigen Entwicklung. Der Anteü der Analphabeten ist hoch. 70 Prozent sind es in Ghana, 58 Prozent in Nigeria und jeweils die Hälfte der Bevölkerung betrifft es in Kenia und Simbabwe.

Doch es geht nicht nur um Lesen und Schreiben, sondern um handwerklich-technische Ausbildung ebenso. Weil es kaum Ausbildungsmöglichkeiten gibt, fehlen auch Fachkräfte an allen Ecken und Enden. Die SOS-Kinderdör- fer in Nairobi und Tema haben aus der Not eine Tugend gemacht: In Lehrwerkstätten erfahren die Jugendlichen nicht nur eine fundierte Ausbildung — etwa als Schlosser oder als Tischler -, die eigene Werkstätte produziertauch für den Eigenbedarf.

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