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Dreimal Tirol

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Wenn man jetzt Carlo Carlones Freskensaal im Oberen Belvedere betritt, wird man von einer freien Kopie des berühmten Kirchenväter-Altars von Michael Pacher begrüßt, die sein Landsmann, der Brixener Maler Andreas Haller, 35 Jahre später geschaffen hat. Sie Ist der Auftakt zu einer wichtigen und schönen Ausstellung im Oberen Belvedere über die „Spätgotik in Tirol“, die, veranstaltet von der Stadt Wien und dem Land Tirol, vorwiegend Schätze aus dem Innsbrucker Ferdinandeum und der •österreichischen Galerie vereint.

In ihrer künstlerischen Vielfalt, die, allein schon durch die geographische Gliederung des Landes bedingt, mit seiner Nord-Süd-Achse über den Brenner zum Mittler und kulturellen .Umschlagplatz wurde, läßt sich aber doch auch ein überwölbender Charakterzug tirolischer Kunst schon damals erkennen, nämlich der Hang zu einem nüchternen Realismus, der ohne Beschönigung das Tatsächliche betont, und dem dennoch nicht wie bei dem großartigen Michael Pacher aus Bruneck manchmal eine gewisse Poesie eigen ist. Versucht man die Höhepunkte dieser sehenswerten Schau aufzuzeigen, so liegen sie in der Tatsache, daß man nun wesentliche Teile des Waldauf-Altares von Max Reichlich beisammen sehen kann, dem übrigens auch das überraschend gute Bildnis des Sigmund Grueber zugeschrieben wird, Michael Pachers Bedeutung als Raumschöpfer und Begründer einer Synthese zwischen italienischer und nordischer Kunst in der farbig delikaten und ergreifenden Darstellung aus der Laurentius-Legende deutlich erscheint, die Verbindungen nach Schwaben und Flandern etwa beim Meister von Uttenheim, den schönen Holzreliefs und beim „Meister der Habsburger“ sichtbar werden.

Höhepunkte sind auch in dem Inntaler Fastentuch und den zahlreichen hervorragenden Plastiken zu finden — darunter mehrere Neuerwerbungen der letzten Jahre —, die von den Arbeiten Hans Klofc-kers über eine schöne Unterinntaler Pieta bis zu den Figuren Jörg Köl-derers aus der Innsbrucker Hofkirche reichen. Eine durchwegs interessante und eindrucksvolle Ausstellung, die bis zum 16. September geöffnet bleibt.

In der Ausstellung „Tiroler Malerei und Graphik 1900 bis 1940“ dagegen, die in der Wiener Secession bis zum 15. Juli zu sehen ist, dominiert eindeutig die Persönlichkeit von Albin Egger-Lienz, weniger allerdings durch seine heroisierende Monumantalmalerei, als durch die erstaunlichen, nahezu abstrakt gelösten Landschaften, die Dichte und Leben atmen. Die Auswahl um ihn herum, die von dem durchaus löblichen Vorsatz geleitet war, auch Unbekanntere und Unbekanntes zu zeigen, hätte ruhig auf einige Namen und Bilder verzichten können, um die Qualität der Tiroler Kunst dieser Zeit besser augenfällig zu machen. Maler wie Rudolf Lehnert, Hans Piffrader, Friedrich Hell und Paul von Rittinger etwa, erscheinen zu unbedeutend, um entweder überhaupt oder so zahlreich vertreten aufzuscheinen. Dagegen ist der anfänglich an Schiele orientierte Alfons Walde nur unzureichend vertreten, und bei anderen hätte die Auswahl strengere Maßstäbe anlegen müssen. Trotzdem treten Max von Esterle — wie Eduard Thöny auch mit seinen Karikaturen — Wilhelm Prachensky, Carl Moser, mit seinen Skizzen und Farbhoizschnit-ten, Artur Nikodem und Hans Weber-Tyrol mit Graphiken, Erich Lechleitner mit stillen Aquarellen, Leo Putz mit wenigen „Jugend“-Bil-dern und seinen Graphiken, Johannes Troyer, Ignaz Stolz mit seinen Zeichnungen und einem an Stuck und Habermann orientiertem Bild und der von Boeckl beeinflußte Sepp Orgler stark hervor. Eine eher informative Schau mit meinem großzügigen Katalog.

Auch in der Galerie Ariadne stellt ein aus Tirol gebürtiger Maler, der Kitzbüheler Friedrich Plahl, aus, der Aquarelle und Pastelle zeigt, die Landschaften und Stilleben abstrahierend verdichten. Besonders in den Pastellen entstanden dabei Arbeiten, die in lichtgesättigten Farben bei aller Statik starke emotionelle Dichte aufweisen, von einer eigenen schwebenden Schönheit und Klarheit sind.

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