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Dritte Welt braucht Hilfe und Geschäft

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Entwicklungspolitik ist mehr als Entwicklungshilfe: sie umfaßt alle Maßnahmen der Wirtschaftspolitik der Industriestaaten, die sich zugunsten der Entwicklungsländer auswirken und damit einen Beitrag zur Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Analphabetismus und anderen typischen Kennzeichen der Unterentwicklung in dieser Welt leisten.

Viele Menschen in unseren Breiten identifizieren sich mit dieser Zielsetzung: aus moralischen, politischen oder aus wirtschaftlichen Überlegungen. Uber die Wege zur Verwirklichung dieser Ziele ist man hingegen sehr unterschiedlicher Auffassung.

Manche reden- einer Abkapselung der Entwicklungsländer von den Industriestaaten das Wort: Jene hätten von uns („Neokolonialisten“!) nur Böses zu erwarten und sollten ihr Glück lieber im Alleingang versuchen. Diese Ansicht läßt folgende Tatsachen außer Betracht:

Eine wesentliche, wenn auch nicht die einzige Voraussetzung zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Unterentwicklung ist ein stärkeres wirtschaftliches Wachstum der meist sehr geburtenfreudigen Entwicklungsländer selbst: Dieses könnte die Basis sowohl erhöhter öffentlicher Leistungen in diesen Ländern als auch der Hebung des Lebensstandards im Rahmen nationaler Wirtschafts- und Sozialpolitik dieser Staaten sein.

Dieses gesteigerte Wachstum wird aber nicht durch Abkapselung, sondern im Gegenteil, nur durch ein Hineinwachsen in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung möglich sein. Die Märkte der westlichen Industriestaaten sind schon heute für die Entwicklungsländer ungleich bedeutender als deren Handel untereinander oder mit den osteuropäischen Ländern. Ob diese Märkte wachsen und damit auch deren Importmöglichkeiten, ist für Entwicklungsländer so bedeutsam wie die ebenfalls unentbehrliche Entwicklungshilfe -übrigens ein starkes Argument dafür, auf das Wachstum unserer Wirtschaften nicht zu verzichten, wie dies gelegentlich gefordert wird.

Wenn Entwicklungsländer oft nach einer internationalen Planwirtschaft rufen - da ihnen die Kräfte der Marktwirtschaft ein ausreichendes Wachstum bisher „versagt“ hätten -, so muß dem entgegnet werden, daß gerade darin die größte Gefahr für die

Entwicklungsländer selbst liegt: Nichts wäre leichter, als deren Exporte im Rahmen einer solchen geplanten Weltwirtschaft auf einen im voraus festgelegten und daher beschränkten Anteil an unserem Gesamtverbrauch zu begrenzen. Dies ist bei den derzeit weitgehend offenen Märkten der Industriestaaten nicht der Fall. .

Natürlich sind die Probleme, die gerade diese offenen Märkte für die eigene Erzeugung darstellen, keineswegs zu unterschätzen. Sie wird von niedrigpreisigen Importen in vielen Bereichen hart bedrängt; die empfohlene Umstrukturierung ist leichter gefordert als verwirklicht.

Tatsächlich mußten in manchen Bereichen, um schwere Schäden von der heimischen Erzeugung abzuwenden, sehr rasch wachsende Importströme aus Entwicklungsländern eihgebremst werden. Man denke an das internationale Multifa-serabkommen. Selbst bei solcher Einbremsung bleibt den Entwicklungsländern ein bereits errungener Marktanteil und eine Zuwachsmöglichkeit erhalten.

Das eigentliche Argument für die Aufrechterhaltung eines möglichst schrankenfreien Welthandels ist dieses: Wenn dadurch die Entwicklungsländer erstarken, werden sie auf lange Sicht für die Industriestaaten neue und wesentlich interessantere Exportmärkte als heute darstellen.

Etwas anders hegen die Dinge im Bereich der Rohstoffausfuhren. Viele Rohstoffpreise schwanken sehr stark, was für die auf die Ausfuhr eines oder weniger Rohstoffe angewiesenen Länder fast unüberwindliche Probleme aufwirft. Ein gewisser Eingriff in das Marktgeschehen zur Glät-tüng dieser Rohstoffschwankungen ' ist sicher zu begrüßen. Künstlich überhöhte Rohstoffpreise würden aber wiederum ä la longue den Entwicklungsländern selbst zum Nachteil gereichen: Nicht vermarktbare Uberschüsse und andere Nachteile wären die Folge.

Daß die Entwicklungsländer nach wie vor erhebliche Mittel in Form von Geschenken und Krediten als Entwicklungshilfe brauchen, steht außer Frage; die Besorgnis darüber ist verständlich, daß die meisten Industriestaaten das Ziel, welches sie sich selbst hiebei gesetzt haben, nicht erreichen. Umso mehr müßten aber die weniger entwickelten Länder dieser Erde auch an der privaten Kapitalzufuhr interessiert sein, welche neben Kapital meist auch Technologie, Marketingerfahrungen und Schulungsmöglichkeiten bringt.

Schlecht vereinbar mit einem solchen Interesse ist aber die weltweite, wenn auch in letzter Zeit wieder etwas abgeflaute Kampagne gegen die multinationalen Firmen; schlecht vereinbar wären auch nationale Regelungen, etwa was die Verstaatlichung anlangt, die Kapital nicht anziehen, sondern abschrecken. Schließlich sollten sich die Entwicklungsländer vor Illusionen der Art hüten, als ob dieser Kapitaltransfer durch Entscheidungen internationaler Gremien erzwungen werden könnte.

Gelegentlich wird in der Diskussion unterschieden zwischen der Entwicklungshilfe („gut, weil selbstlos“) auf der einen Seite, und dem Geschäft („schlecht, weil profitorientiert“) auf der anderen. Diese Optik ist falsch. Die Entwicklungsländer brauchen beides: Hilfe und Geschäft, letzteres etwa in Form der erwähnten Investitionen oder Exporte. Die schwierige Aufgabe, die sich unserer Wirtschaftspolitik stellt, ist, das eine zu ermöglichen, das andere - soweit dies die Rücksichtnahme auf die eigenen Erzeuger zuläßt - zu erleichtern.

Die Entwicklungsländer selbst, denen überhaupt im ganzen Entwicklungsprozeß eine entscheidende Funktion zufällt, könnten diese schwierige Aufgabe unserer Wirtschaftspolitik dadurch vereinfachen, daß wenigstens jene von ihnen, die bereits einen höhren Entwicklungsgrad erreicht haben - die Unterschiede zwischen Entwicklungsländern sind ungeheuer - ihre Märkte unseren Produkten langsam öffnen. Dies würde dem am Inlandsmarkt von billigen Produkten aus Übersee hart bedrängten heimischen Erzeuger das Gefühl geben, wenigstens nach und nach auch seinerseits neue Märkte in diesen Ländern zu finden.

Der Autor ist Leiter der Abteilung für Handelspolitik und Außenhandel der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.

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