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Dritter Welt jetzt helfen!

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Akute wirtschaftliche, vorwiegend finanzielle Probleme gefährden die Dritte Welt. Diese Thematik behandelte kürzlich der Weltbankpräsident in einer Rede, aus der wir zitieren.

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Akute wirtschaftliche, vorwiegend finanzielle Probleme gefährden die Dritte Welt. Diese Thematik behandelte kürzlich der Weltbankpräsident in einer Rede, aus der wir zitieren.

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Die Rezession hat strukturelle Veränderungen im Welthandel bewirkt, die den Entwicklungsländern nicht zum Vorteil gereichen. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, daß der Welthandel in den kommenden Jahren langsamer wächst als in den Jahren vor der Rezession. Das bedeutet geringeres Wachstum für den Export der Entwicklungsländer. Auch wenn zu erwarten ist, daß die Entwicklungsländer ihren Anteil am Welthandel in den kommenden Jahren steigern werden, so ändert dies nichts an der Tatsache, daß der Handel allein noch nie genügend Ressourcen mobilisiert hat und dies auch nie tun wird.

Die Entwicklungsländer waren immer auf einen beständigen Zufluß von Kapital aus dem Ausland angewiesen. Wenn es wieder zu einem dynamischen Entwicklungsprozeß kommen soll, dann muß den ärmeren Ländern auch ein erheblicher Strom ausländischen Kapitals zufließen.

Trotz eines Rückgangs in den Wachstumsraten kommerzieller Ausleihungen in den Jahren 1981 und 1982 hat der Anteil der mittel - und langfristigen Verschuldung der Entwicklungsländer bei den Geschäftsbanken eine geschätzte Höhe von zwei Dritteln der gesamten, Ende 1982 ausstehenden Verschuldung erreicht.

Die Geschäftsbanken sind besorgt darüber, ob die Liquidität ihrer Schuldner für die Rückzahlung ihrer Darlehen ausreicht. Darlehen in Höhe von über 500 Milliarden Dollar zu bedienen, ist ein gewaltiges Problem. Wenn die Geschäftsbanken insgesamt auch -weiterhin in angemessenem Umfang neue Darlehen gewähren, dann wird es leichter sein, dieses Problem zu lösen. Wenn jedoch einzelne Banken das Vertrauen verlieren und dadurch bewirken, daß die Banken sich auf breiter Front zurückziehen, dann könnte das katastrophale Folgen haben.

Wir müssen jedoch gestehen, daß die Probleme einiger hochverschuldeter Länder das Vertrauen der Geschäftsbanken in das internationale Darlehensgeschäft in der Tat erschüttert haben, was zur Folge hatte, daß das Wachstum dieses Kreditsektors sich erheblich verlangsamt hat. Mit einem gewissen Wachstumsrückgang mußte gerechnet werden, das 1982 eingetretene Absinken der Zuwachsraten war jedoch dramatisch.

Die vorläufigen Daten für die ersten Monate des Jahres 1983 zeigen, daß die Zusagen für neue Kredite weiterhin fallen. Selbst für diejenigen Entwicklungsländer, deren Leistungen zufriedenstellend waren, haben sich die Kreditzusagen verringert. Es besteht die Gefahr, daß aus kurzsichtigen Überlegungen heraus erlassene Gesetze oder regulative Bestimmungen selbst diejenigen Banken zwingen werden, ihr Kreditvolumen einzuschränken, die bereit sind, ihr Auslandsgeschäft auszuweiten.

Derartige Maßnahmen müssen dem Wirtschaftsaufschwung der Dritten Welt schaden. Und ich möchte feststellen, daß derartige Maßnahmen auch den Industrieländern schaden, die für ihren anhaltenden Aufschwung expandierende Märkte brauchen.

Die Länder mit niedrigen Einkommen benötigen dringend offizielle Entwicklungshilfe, denn sie haben keinen Zugang zu nennenswerten kommerziellen Darlehen und können sich deren Bedingungen auch nicht leisten. Und dennoch sind über eine Dekade lang nur 30 Prozent der gesamten bilateralen Entwicklungshilfe an die Länder mit niedrigen Einkommen vergeben worden.

Es ist schockierend zu sehen, daß diejenigen Länder, die diese Hilfe am nötigsten brauchen, absolut und relativ so wenig bekommen. Diese Länder haben besondere und dringende Probleme, wie jeder von uns hier sehr wohl weiß. Und dennoch finden die unwiderlegbaren wirtschaftlichen Argumente für einen größeren Anteil der bilateralen Entwick lungshilfe für diese Länder kein Gehör.

Die Argumente für eine Aufstockung der Entwicklungshilfe und eine Verbesserung ihrer Verteilung sind unwiderlegbar. Diejenigen Länder, deren Entwicklungshilfeleistungen noch unterhalb des gegenwärtigen Durchschnitts von 0,37 Prozent des Bruttosozialprodukts der DAC-Mit- gliedsländer liegen, sollten die Vergabe ihrer realen Entwicklungshilfe schneller steigern als das Wachstum ihres Bruttosozialprodukts. Das Volumen der offiziellen Entwicklungshilfe ist gegenwärtig gemessen an den öffentlichen Ausgaben so gering, daß das Argument, Haushaltsprobleme verhinderten eine bedeutsame Anhebung oder rechtfertigten gar eine Kürzung, nur schwer zu akzeptieren ist.

Hier geht es nicht einfach um eine Frage von Wohltätigkeit. Es ist vielmehr ein komplexes Problem weltweiter wirtschaftlicher Interdependenz. Ich kann jedoch nicht glauben, daß dies Problem so komplex ist, daß reiche und mächtige Länder nicht in der Lage sind zu erkennen, worin ihr eigenes Interesse liegt und sie den politischen, kommerziellen und Sicherheitsargumenten, die für eine Erhöhung der Hilfe sprechen, nicht folgen können.

Noch ist es nicht zu spät, diese Fähigkeit in eine großangelegte Aktion zur Beschleunigung des Wachstums der Länder mit niedrigen Einkommen und zur Reduzierung ihrer Armut umzusetzen. Aber das Hinauszögern muß ein Ende haben. Und zwar jetzt. Die wirtschaftliche Notlage der ärmsten Länder ist eine Zeitbombe, deren Zünder bereits tickt. Wenn wir das Entschärfen der Bombe weiter verzögern, tun wir dies auf eigene Gefahr!

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