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Droht Österreich der letzte Ausverkauf?

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Der Beitritt Österreichs zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) führt unabwendbar zum Ausverkauf von Grund und Boden, sagen Skeptiker. Der Grazer Universitätsprofessor Reinhard Rack, Europarechtsexperte und EG-Beauftragter des Landes Steiermark, sieht erfolgversprechende Möglichkeiten, dies zu verhindern.

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Der Beitritt Österreichs zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) führt unabwendbar zum Ausverkauf von Grund und Boden, sagen Skeptiker. Der Grazer Universitätsprofessor Reinhard Rack, Europarechtsexperte und EG-Beauftragter des Landes Steiermark, sieht erfolgversprechende Möglichkeiten, dies zu verhindern.

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FURCHE: Ein Grundelement des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ist die Gleichbehandlung von Inländern und EWR-Bürgern. Dies gilt auch für den Erwerb von Grund und Boden. Haben wir noch eine Gnadenfrist?

REINHARD RACK: Grundsätzlich ist im EWR in Aussicht genommen, die vier Freiheiten des Binnenmarktes schon ab 1. Jänner 1993 nicht nur innerhalb der EG, sondern im gesamten EWR-Raum in kraft zu setzen. Das bedeutet, daß auch im Fall des Erwerbs von Grund und Boden dieses Datum der entscheidende erste Stichtag wäre. Aber für diesen Bereich haben die österreichischen Verhandler - wie andere Länder auch - Übergangsvorschriften ausverhandelt, die diese Frist bis zum 1. Jänner 1996 erstrecken. Für den Erwerb von Grund und Boden wird das EG- beziehungsweise EWR-Recht erst mit 1. Jänner 1996 zwingend verbindlich. Erst dann sind Diskriminierungen rechtswidrig.

FURCHE: Ändert ein EG-Beitritt Österreichs zu einem späteren Zeitpunkt daran etwas?

RACK: Alles, was im und für den EWR ausgehandelt wurde, soll eigentlich 1:1 für den Beitrittsfall gelten. Das heißt, Übergangsvorschriften wird es aller Voraussicht nach ein zweites Mal nicht geben. Diese soll es auch für solche Fälle nicht geben. Denn man braucht sich ja nur einmal umzustellen und anzupassen.

FURCHE: In Österreich laufen schon länger Bemühungen, dieses Gleichbehandlungsrecht abzuschwächen. Ist es klug, gleich wieder Extrawürste braten zu wollen?

RACK: Ich glaube, man war es sowohl der österreichischen Bevölkerung als auch den Verhandlungspartnern schuldig, hier eine klare Sprache zu sprechen. Wir haben in Österreich aufgrund unserer topographischen Gegebenheit - vor allem in Westösterreich - schon jetzt eine große Knappheit an besiedel- und bewirtschaftbarem Grund und Boden. Es gibt eigentlich für die Situation der österreichischen und auch der Schweizer Alpentäler in der Gemeinschaft keine richtigen Vergleichsfalle. Wir mußten daher der Gemeinschaft klar machen, daß aus österreichischer Sicht eine der EG-Freiheiten nicht sofort und nicht uneingeschränkt zum Tragen kommen kann.

FURCHE: Einzelne Regierungen haben das ebenfalls schon versucht. Dänemark wird hier immer wieder als Modellfall für Österreich zitiert.

RACK: In der Gemeinschaft haben sich schon zwei Länder um solche Ausnahmeregelungen bemüht. Griechenland hat es mit einer etwas „schlitzohrigen" Vorgangsweise versucht. Die Regierung erklärte alle Inseln und Küstengebiete des Landes zum militärischen Sperrgebiet und dort, so hieß es, dürfen Ausländer keinen Grund und Boden erwerben. Das war zwar EG-konform, aber 1987 hat der Europäische Gerichtshof diese Regelung durch eine Klage der EG-Kommission als eindeutigen Umgehungsversuch aufgehoben.

Diese Vorgangsweise kann also für uns kein Vorbild sein. Das ist nur Dänemark. Das Land hatte 1972 -noch vor dem EG-Beitritt - eine ähnliche Diskussion über den Ausverkauf von Grund und Boden geführt wie Österreich jetzt. Noch vor der Beitritts-Abstimmung wurde eine neue Regelung gesetzlich festgelegt. Die Grundkonzeption ist, daß der Ankauf und auch die Vermietung von

Grund und Boden in bestimmten Gebieten - wo dieser Boden knapp ist - den Ortsansässigen beziehungsweise den Ansässigen und ihren Wirtschaftsbedürfnissen vorrangig möglich sein muß. Nur wer bereits seit fünf Jahren in Dänemark ansässig ist und einen ordentlichen Wohnsitz hat, kann ohne Bewilligung dort Grund erwerben. Umgehungs-, Zweitwoh-nungsgeschäfte und ähnliches konnte und kann man durch präzise gesetzliche Textierung ausschließen. Es geht also nicht darum, die Ausländerdrau-ßen zu halten. Es geht um die Bereitstellung von Grund und Boden in ausreichendem Maß und zu halbwegs vernünftigen Preisen für die Ortsansässigen. Das Thema Grund und Boden spielt durch diese Regelung in Dänemark in der politischen Diskussion derzeit überhaupt keine Rolle.

FURCHE: Gilt diese Fünf-Jahres-Frist für alle?

RACK: Von dieser Regelung hat man alle Bürger ausgenommen, die nach Dänemark kommen, um zu arbeiten, einen Betrieb zu gründen oder sich auf Dauer niederlassen wollen. Vor Genehmigung des Kaufgeschäftes mußte allerdings eidesstattlich versichert werden, eine echter Zuzieher und nicht etwa ein Zweitwohungsbe-sitzerzu sein. Wenn sich jemand nicht daran hielt, wurde das Grundgeschäft für nichtig erklärt und es gab gerichtliche Strafen. Daher ist es in Dänemark kaum zu Umgehungsversuchen gekommen.

FURCHE: Läßt sich dieses Modell eins zu eins auf uns übertragen?

RACK: Es läßt sich für alle anderen Lagen entsprechend umformulieren und das sollten und werden wir auch tun. In Dänemark funktioniert die Regelung ja sehr gut.

Im Grunde geht es beim Erwerb von Grund und Boden um folgendes: Beide - also diejenigen, die schon da leben und diejenigen, die erst zuziehen - sollen die Möglichkeit haben, an dem Ort, wo sie leben, arbeiten und in Pension gehen wollen, eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, Raum für Gebäudeerrichtung zu bekommen und so weiter. Und zwar ohne jede Form der Diskriminierung.

FURCHE: Ist in Österreich diese Vorsicht nicht trotzdem etwas überzogen? Wo gibt es denn noch schöne Grundstücke für dicke Brieftaschen? Ist nicht längst alles ausverkauft.

RACK: Das ist ein wunder Punkt bei denjenigen, die heute so lautstark ihre Sorgen kundtun. Wir haben in der Vergangenheit relativ strikte Aus-ländergrundverkehrsgesetze gehabt. Trotzdem wurde unbekümmert verkauft. Um des Geldes willen wurden sehr häufig Ausnahmen gemacht und jetzt steht man vor dem Scherbenhaufen einer verfehken Politik. Kitzbühl, die Umgebung von Salzburg und Innsbruck sind da besonders negative Beispiele.

Im Burgenland und auch in der Steiermark sieht man aber heute die Ansiedelung von ausländischem Kapital zuerst einmal durchaus als etwas Positives. Man muß nur dafür sorgen, dieselben Fehler nicht nochmals zu machen.

FURCHE: Wer also noch was haben will, muß sich jetzt schnell noch Grundstücke sichern?

RACK: Wir haben ja die Hürde des Ausländergrundverkehrsrechts und es geht nur darum, daß unsere Grundverkehrskommissionen endlich Nein zu Kaufwünschen sagen. Das gleiche gilt übrigens auch für Inländer. Wir haben ja entsprechende Nutzungs- und Bebauungspläne und Raumordnungspläne. Nur wurden sie in vielen Fällen viel zu großzügig und inkonseqent eingesetzt. Der kurzfristige finanzielle Vorteil war halt verlockender und Bauland wurde großzügig ausgewiesen. Dort wurde gebaut und es war völlig irrelevant, wer eingezogen ist.

FURCHE: Müßte es nicht in Wirklichkeit darum gehen, den Ausverkauf der schönen Gegenden Österreichs generell zu verhindern? Also GrundundBoden weder an Aus- noch an Inländer zu verkaufen?

RACK: Das ist richtig. Doch das wird den Mitgliedstaaten im EWR ja ohnehin in keiner Weise untersagt. Jedes Land kann mit Raumordnungsoder Umweltschutzvorschriften dafür sorgen, daß die Umwelt halbwegs intakt bleibt und nicht verbaut wird.

FURCHE: Der EWR als günstige Möglichkeit für mehr Natur- und Landschaftsschutz?

RACK: Er bietet die beste Gelegenheit der Auseinandersetzung mit Fragen des Schutzes von Grund und Boden. Es geht im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraumes darum, Leben und Wirtschaften möglich zu machen. Andererseits sollte man auch noch nach Jahren und Jahrzehnten durch eine schöne Landschaften fahren können. Wir könnten daher froh sein, durch die EWR-Entwicklung zu etwas gezwungen zu werden, was wir ohnedies seit geraumer Zeit hätten tun sollen.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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