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Duell im Äther

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Der gemeinsame Vorschlag von Zeitungsherausgeberverband (VÖZ) und ORF zur beschränkten Liberalisierung des Rundfunks hat die bisher auf Spar-flamme betriebene medienpolitische Diskussion angeheizt. Die FPÖ wollte mit ihrem Rundfunk-Volksbegehren (FURCHE 48/1989) die Diskussion für sich nutzen und die ÖVP legte ebenfalls den Entwurf für ein liberaleres Rundfunkgesetz vor.

Genaueres Hinschauen zeigt aber, daß ein eingeengter Liberalisierungsbegriff verwendet wird: Medienvielfalt wird mit Unternehmensvielfalt gleichgesetzt, Meinungsfreiheit mit Erwerbsfreiheit. Radio sollen, so der VÖZ-General-sekretär Franz Ivan, nur „Medienerfahrene, die bewiesen haben, verantwortungsvoll mit .Medienmacht' umgehen zu können" (FURCHE 50/1989) machen. Gerade jene „Ausgewogenheit" und „Professionalität", die zum Weglassen exponierter Meinungen und nicht breitenwirksamer Themen führt, ist in all den Vorschlägen der etablierten politischen Institutionen zu finden. Auch sollen nur finanzkräftige Wirtschaftsunternehmen, die sich auf die Jagd nach Werbeeinahmen begeben wollen, den Zutritt zum Hörer erlangen.

Außer acht gelassen wird, daß der Äther nicht bloß „Rundfunkmarkt" ist, sondern in der Demokratie besondere kulturelle und politische Bedeutung hat als pluralistisches Informations- und Kommunikationsmedium.

In Europa gibt es nun in fast allen Ländern nichtkommerzielle Radios, die sich politischer und kultureller Vielfalt verschrieben haben und die jenen offen stehen, die im Konzert der großen Kommerzmedien keine Stimme haben, insbesondere an den Rand der Gesellschaft gedrängte Gruppen.

Platz für alle gäbe es genug. Im kleinen und flachen Belgien wurden gar rund 600 Lokalsender zugelassen. Die noch junge „Europäische Föderation Freier Radios" (FERL) fordert daher die Dritte-lung des Äthers: ein Drittel der Frequenzen für öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ein Drittel für Kommerzsender und ein Drittel für die Nichtkommerziellen.

Zwei Jahre nach sporadischen Piratensendern im Herbst 1987 haben sich auch in Österreich Initiativen gebildet, die nichtkommerziellen Rundfunk betreiben wollen. „Das andere Radio für Kärnten/ drugacni radio za Korosko" sendet bereits seit März 1989 jeden Sonntag von einer Alm in Italien aus ein deutsch-slowenisches Programm, das sich vor allem gegen die Politik Jörg Haiders richtet, nach Kärnten. Das Alternativradio hat in Klagenfurt Antrag auf Sendemöglichkeit in Kärnten gestellt. Da mit einem ablehnenden Bescheid gerechnet wird, brachten die Querfunker gemeinsam mit der FERL unter Berufung auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention - Freiheit auf Verbreitung von Meinungen in allen Medien -Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof in Straßburg ein.

Dem kärntnerischen multikulturellen Projekt verbunden ist die im November in Wien als Verein gegründete Initiative „FM Plural". Sie will ebenfalls kritisches, sozial und politisch engagiertes Programm machen. Einstweilen produziert sie Programm für nichtkommerzielle Sender außerhalb von Österreich.

Ebenfalls in Wien hat sich „Radio ABC" zu Wort gemeldet. Die Initiatoren, der Ex-Musikchef des süddeutschen Rundfunks Otto Tomek, der Rechtsanwalt Heinrich Wille und die Erziehungswissen-schafterin Gertraud Diem wollen einerseits professionell arbeiten und sich teilweise über Werbung/Kultursponsoring finanzieren, andererseits wollen sie kommerzfreies Programm machen, das engagierten Gruppen Artikulationsmöglichkeiten bieten will. Der Antrag an die Post wurde schon gestellt. Bei abschlägigem Bescheid ist auch der Gang nach Straßburg geplant.

In Salzburg wollen Studen-t(inn)en mit Unterstützung der Universität Radio machen. Großes Vorbild ist „Radio stjudent" in Laibach, das nach anfänglicher Illegalität nun wegen seiner kritischen Berichterstattung beliebt ist und landesweit in ganz Slowenien empfangen werden kann.

In Österreich beginnen sich nun neben kommerziell konzipierten Privatsendern (FURCHE 31/1989) engagierte Bürger gegen eine von oben verordnete staatliche beziehungsweise kommerzielle Berieselung zu wehren. Daß von „unten" Zugang zum Radio zumindest in Ansätzen möglich ist, beweisen über 1.000 nichtstaatliche und nichtkommerzielle Sender in Europa. Ihre Vielfalt in 13 Ländern beleuchtet das Forschungsprojekt „Lokales, nicht-kommerzielles Radio" des Hamburger Politologen Hans J. Kleinsteuber.

Am Anfang der Entwicklung standen die legendären „radios libres" in Italien, wo Mitte der siebziger Jahre politisch militante Sender gegen das Staatsmonopol funkten. Dieses fiel. Da es keinen geregelten Zugang zum italienischen Äther gibt, wurden die „freien Radios" im Laufe der Zeit von leistungsstärkeren Kommerzsendern gleichsam weggeblasen.

In mehreren romanischen und nordischen Ländern wurden „freie Radios" auf eine gesetzliche Grundlage gestellt oder zumindest geduldet. In Frankreich können die etwa 400 „radios associatives" (Vereinsradios), die auf Werbeeinnahmen verzichten, sogar aus einem staatlichen Unterstützungsfonds schöpfen, der von Werbe-Abgaben kommerzieller Sender gespeist wird.

Unterversorgt bietet sich in dieser Beziehung der deutsche Sprachraum dar, zeigt sich hier der Staat auch am rigidesten. In der Schweiz wurden nur drei Bürgerradios zugelassen: „Lokalradio Zürich" („Radio Lora"), „Radio Riesbach" in Zürich und „Radio Acidule" in Lausanne. In der Bundesrepublik Deutschland konnten trotz hoher Post- und Urheberrechtsgebühren das schon als Piratensender berüch-tige „Radio Dreyeckland" sowie „Radio 100" (Berlin), „Radio Z" (Nürnberg) und „OK Radio" (Hamburg) die ersehnte Sendefreiheit erlangen.

In Großbritannien konnten sich nichtkommerzielle Projekte gegen finanzkräftigere Firmen behaupten. Den in der „Community Radio Association" vereinten Gruppen wurde aufgrund ihrer besseren inhaltlichen Konzepte von zwanzig im Frühjahr 1989 neu ausgeschriebenen Frequenzen zehn zugesprochen. Die CR A-Mitglieder konnten oft mit der Unterstützung der Gemeinden rechnen und arbeiten meist nach dem „Zwei-Säulen-Modell". Eine professionelle Betreibergesellschaft, an der auch lokale Unternehmen beteiligt sein können, stellen der uneigennützigen Programmanbietergesellschaft die technische Infrastruktur zur Verfügung.

Einen gänzlich anderen Weg gingen die skandinavischen Staaten mit den „Naerradios". Sozusagen wohlfahrtsstaatlich von oben werden dort von der Post lokale Sender zur Verfügung gestellt. Örtliche Gruppen (politische und kulturelle Organisationen, Gewerkschaften, Kirchen) schließen sich zusammen und erhalten eine Sendelizenz. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es keine kommerzielle Konkurrenz. In Dänemark sind zirka 300, in Schweden zirka 160 und in Norwegen rund 400 Sender lizenziert.

Modelle nichtkommerziellen Lokalfunks gibt es also. Aus ihren Erfahrungen und Fehlern kann auch Österreich lernen.

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