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Dünne Haut und schwache Basis

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Die politische Karriere des FPÖ-Langzeitparteiobmanns Friedrich Peter nähert sich mit raschen Schritten ihrem Ende. Erst zerstörte die absolute Parlamentsmehrheit der SPÖ die gerade von Peter genährte Hoffnung der FPÖ auf eine Regierungsbeteiligung. Und nur wenige Tage nach dem 5. Oktober mußte die Öffentlichkeit erfahren, daß es dunkle Punkte in der Vergangenheit Friedrich Peters gibt, die aus staatspolitischen Gründen die Übertragung einer Regierungsfunktion an den FPÖ-Obmann geradezu ausschließen. Wenn Bundeskanzler Kreisky in dieser Frage anders denkt, so hängt das offenbar mit seiner virtuosen Vertrautheit mit dem „gesunden Volksempfinden“ zusammen.

Jedenfalls bekam Friedrich Peter kaum zwei Wochen nach dem Wahltag deutliche Kritik aus den eigenen Parteireihen zu spüren. So empfahl der steirische FPÖ-Landesobmann Götz eine eingehende Untersuchung darüber, „ob und inwieweit Versäumnisse oder doch zu geringe Betonungen unserer Grundsatzpolitik vorlagen... Entscheidend wird immer wieder die klare Darstellung sein, worin wir uns von anderen politischen Gruppen eindeutig und unverwechselbar unterscheiden und nicht, worin wir mit dieser oder jener Partei übereinstimmen“. Nicht minder scharf pointierte der Bannerträger des rechtsnationalen Lagers in der FPÖ, Otto Scrinzi, seine Kritik an der „grundsatzlosen“ FPÖ. Nach der Wahlniederlage Peters zählt er zu den eigentlichen

Siegern im innerparteilichen Bewegungskampf. Noch vor zwei Jahren war er fest davon überzeugt, daß eine um die Regierungsbeteiligung werbende FPÖ an Attraktivität bei den Stammwählern verlieren müsse. Diese Überzeugung ließ er sich nach langwierigen Gesprächen mit Friedrich Peter gegen das Versprechen auf ein Staatssekretariat in einer SPÖ-FPÖ-Regierung abkaufen. Nun, da auch diese Hoffnung gefahren ist, braucht sich Primarius Scrinzi noch weniger Zwang bei Äußerungen über Friedrich Peter anzutun, als er das schon bisher getan hat. Ebenfalls aus der jüngsten FPÖ-Wahlniederlage gestärkt hervorgegangen sind einige Jungtürken, vor allem in der Wiener FPÖ. Sie sind zwar nicht alle so liberal, wie sie sich gerne geben, doch immerhin auch davon überzeugt, daß mit der nationalen Welle heute in Österreich kein Wahlerfolg zu erzielen ist. Zum Parteiobmann bewahrten sie sich jene Distanz, die spätere Absetzbewegungen erklären können. Ein gewisses Unverständnis Peters für liberale Haltungen trug nichts dazu bei, diese Distanz zu verkürzen. Peters schärfster Kritiker aus dem Lager der Jung-Freiheitlichen, Jörg Haider, hat sich aus der Tagespolitik zurückgezogen; der Wiener Gemeinderat Holger Bauer rechnet jetzt erst recht mit einer höheren Parteifunktion (Wiener Landesobmann) und Georg Hanreich, der mit viel Glück und gegen den Willen Friedrich Peters das Grundmandat in Wien erreicht hat, hofft zumindest auf mehr Anerkennung im eigenen Parteilager.

Neben Friedrich Peter gibt es in der FPÖ zwei weitere Verlierer, die seinen Kurs in den letzten Jahren bedingungslos mitgemacht haben: Wiens Landesobmann Tassilo Brösigke, der bis 1979 wahrscheinlich seine letzte Legislaturperiode im Nationalrat abdienen wird, und Gustav Zeillinger aus Salzburg. Beide sind, wie auch Peter, erfolgreiche Parlamentarier, doch von schweren Niederlagen in Wahlkämpfen arg gezeichnet. Tassilo Brösigke steht Peters deutschnationalen Auffassungen näher als Gustav Zeillinger, neigt dagegen mehr zum rechten Flügel, von dem sich wiederum Peter und Zeillinger nur wenig versprechen. Beiden hatte Friedrich Peter schon vor dem 5. Oktober sichere Regierungsämter in einer SPÖ-FPÖ-Koalition versprochen: Brösigke als Handels- und Zeillinger als Verteidigungsminister. Peter dürfte auf das Außenministerium gehofft und mit dem Vizekanzler ohne Portefeuille gerechnet haben.

Die Wahlniederlage und wenig später die Beschuldigungen Simon Wiesenthals dürften die FPÖ Friedrich Peters viel weiter zurückgeworfen haben, als daß das mit einer Ablöse Peters wieder wettzumachen wäre. Das dürfte man im FPÖ-Füh-rungskader nur zu genau erkannt haben. Freilich weiß man dort auch, daß Peter heute nur noch durch die Unterstützung Kreiskys an der FPÖ-Macht und im Parlamerit zu halten ist. Das bedeutet für die FPÖ Abhängigkeit von der Regierung in einer Zeit, da man eine neue Profilierung schon aus Uberlebensgründen tatsächlich notwendig hätte.

Auch weiß man in der FPÖ nicht, wie lange Kreisky seinem FPÖ-

Freund noch Unterstützung gewähren wird. Denn immer mehr Spalten räumt die „Arbeiter-Zeitung“ den Resolutionen etwa des „Bundes Sozialistischer Widerstandskämpfer“ gegen Friedrich Peter ein. Zuletzt hieß es mit „tiefer Besorgnis“, daß es „noch immer nicht bekannt gewordene Tatsachen aus der Vergangenheit über Personen gibt, die heute als Politiker eine führende Rolle im öffentlichen Leben Österreichs spielen“. Schließlich aber wird scharf verurteilt, daß „jemand in der Politik tätig ist, der einer berüchtigten und an vielen Morden beteiligt gewesenen SS-Einheit angehört hat und das bisher verschwieg“. Noch deutlicher wird Josef Hindels, Vizepräsident der österreichischen Widerstandsbewegung: „Mpiner Meinung nach ist die Forderung, Peter möge alle politischen Funktionen zurücklegen, ein Gebot moralischer Sauberkeit.“ Im übrigen aber „gibt es im Statut der SPÖ keinen Pai-agraphen, der SPÖ-Mitglieder verpflichtet, sich schützend vor SS-Leute zu stellen und um die Gunst der .Ehemaligen' zu buhlen“.

Um Friedrich Peter scheint es einsamer zu werden. Seine Haut ist dünner als man ahnt und seine politische Basis in der Partei schwächer als er glaubt. Nach bald achtzehnjähriger Führung der FPÖ weiß diese Partei heute noch weniger als je zuvor, wo ihre Möglichkeiten in der Politik und bei den Wählern liegen: rechts, links oder im nationalen Lager. Von Liberalität war in der Öffentlichkeit bislang so wenig zu bemerken, daß man für die nächste Zukunft ausschließen muß, daß die FPÖ tatsächlich liberalere Züge annehmen werde.

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