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Dumping belastet zunehmend Ostöffnung

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Dumpinglieferungen belasten die Öffnung des Warenverkehrs mit den Oststaaten. Ein akuter Beispielsfall sind die Landmaschinen, die zu extrem tiefen Preisen nach Österreich geliefert werden.

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Dumpinglieferungen belasten die Öffnung des Warenverkehrs mit den Oststaaten. Ein akuter Beispielsfall sind die Landmaschinen, die zu extrem tiefen Preisen nach Österreich geliefert werden.

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Seit nahezu zwei Jahren kommen Landmaschinen aus Tschechien zu unvorstellbar niedrigen Preisen nach Österreich, nicht sehr hochwertige wie Traktoren oder Mähdrescher, vielmehr Pflüge, Eggen, Stallmiststreuer, Mähmaschinen. Ihr Preis beträgt oft nur die Hälfte des österreichischen, oft auch nur ein Drittel, sogar noch weniger. Weil derartige Preisdifferenzen nicht mehr mit Qualitätsunterschieden begründet werden können, hat die Wirtschaftskammer im Sommer vorigen Jahres einen offiziellen Dumpingantrag gestellt.

Die Verordnung, die diesem Tatbestand Rechnung tragen soll, ist zwar unterschriftsreif, Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel hat aber nach einem Treffen mit seinem Prager Kollegen Dlouhy Ende Juni noch einmal Beamtengespräche über dieses Thema veranlaßt. Die österreichische Delegation wurde schon namhaft gemacht, Prag hat sich damit offenbar noch Zeit gelassen. Der Fall eines Dumpings sei hier eindeutig gegeben, betonen Wirtschaftskreise in Wien und besonders in Oberösterreich, dessen einschlägige Firmen vor allem betroffen sind.

Laut dem GATT, dem allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen, liegt Dumping dann vor, wenn Waren unter dem Inlandspreis oder unter den Gestehungskosten exportiert werden und eine bedeutende Schädigung des betroffenen Wirtschaftszweiges bewirken oder zu bewirken drohen. Dann können Strafzölle verhängt werden, die im Falle der Landmaschinen sehr spürbar wären, zumal derzeit Zollfreiheit besteht.

Abschotten?

In der Wirtschaftskammer wird mit Nachdruck betont, man habe nichts gegen einen fairen Wettbewerb, aber der sei gerade in diesem Fall nicht gegeben. Man vermutet, daß große Lagerbestände an Landmaschinen, die nicht mehr wie früher nach Osteuropa geliefert werden können, einfach zu Schleuderpreisen verkauft werden. Deshalb sei ein vorübergehender Schutz gerechtfertigt, denn man könne nicht durchaus konkurrenzfähige Produktionen - auch Düngemittel und Zement sind in ähnlicher Weise betroffen - durch solche Dumpinglieferungen zugrunderichten lassen.

In den früher kommunistischen Ländern gebe es auch weiterhin indirekte Subventionen, oft würden auch keine Abschreibungen in die Kostenrechnung (soweit es eine solche überhaupt gibt) einbezogen, wogegen unsere Firmen voll kalkulieren müssen und ihren Eigentümern Gewinne erwirtschaften sollen.

Muß der Westen nicht aber den Ländern in Mittel- und Osteuropa helfen, zu Devisen zu kommen und allmählich ihre Wirtschaft aufzubauen? Darf man sich abschotten gegen deren Lieferungen, auch wenn sie sehr billig sind? Zumal die derzeitige Krise keineswegs nur auf solche Importe zurückzuführen ist, sondern vor allem auf den weltweiten Konjunkturrückschlag und auf gewichtige Strukturprobleme.

Ein guter Kenner der europäischen Probleme, Universitätsprofessor Franklin Dehousse aus Lüttich, rief vor kurzem mit Nachdruck zur Hinwendung auf den großen, gesamteuropäischen Markt auf. Niedrigpreisimporte hinzunehmen sei allemal billiger als ständige Finanzhilfe für Länder mit zerrütteten Wirtschaften; andernfalls würde die Produktionsverlagerung nach Osten noch zunehmen und immer stärkere Einwanderungsströme wären nicht zu verhindern. Man solle aus den Problemen lernen, die Westdeutschland mit der Eingliederung seiner neuen Bundesländerhabe, sonst könnte sich Ähnliches in ganz Europa wiederholen.

Solche Argumente verlieren freilich an Gewicht, wenn eklatantes

Dumping vorliegt. Und möglicherweise ist der traditionelle Dumpingbegriff nicht mehr zeitgemäß und muß sogar weiter gefaßt werden. Es gibt Tendenzen, über das Dumping im klassischen Sinne hinauszugehen.

Wenn mit betriebswirtschaftlichen Kalkulationen argumentiert wird, warum nicht auch das sogenannte Sozialdumping anprangern? Dabei geht es nicht primär um besonders niedrige Löhne, sondern darum, daß in vielen Ländern, keineswegs nur in Osteuropa, die Betriebe keine Arbeitslosen- oder Pensionsbeiträge in vergleichbarer Höhe zu bezahlen haben, von Pflegegeldern und ähnlichem ganz zu schweigen.

Und wie steht es mit dem Umweltdumping? Ist es nicht ebenso zu bekämpfen, wenn bedenkenlos (und damit kostenlos) Gewässer verschmutzt werden, wenn die Luft verseucht, der Boden mit Schadstoffen belastet wird? Zumal ja das Umweltproblem grenzüberschreitende Dimensionen hat.

Umweltaspekt im GATT

,.Für uns gibt es das Umweltdumping nicht”, betont man freilich in der Wirtschaftskammer. Man habe dieses „Schlagwort” auch in den Gesprächen über Schutzmaßnahmen für heimische Erzeuger nie gebraucht.Die EG hat allerdings in ihre Europa-Abkommen mit den Visegrad-Ländem (Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen) den Umweltfaktor einbezogen. Mehr noch: Im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT wurde von der EG, aber auch von den USA die Umweltproblematik als ein Aspekt im internationalen Handel deponiert.

Frankreich geht da noch einen Schritt weiter. Der Präsident von „Generation Ecologie” und frühere Minister Brice Lalonde wurde von Ministerpräsident Edouard Balladur zum Sonderbeauftragten für diese Problematik bestellt. Lalonde will gegen das Umweltdumping ankämpfen. „Wir müssen Rio (die Ergebnisse der internationalen Umweltkonferenz) in das GATT einbringen und nötigenfalls Ausgleichszölle vorsehen”, betont er. Für Ende November soll der neue Sonderbeauftragte jedenfalls einen Bericht über das Umweltdumping im internationalen Handel fertigstellen.

Strafzölle schrecken nicht

Inzwischen gehen die Dumpingimporte von Landmaschinen aus unserem nördlichen Nachbarland weiter. Auch wenn die Beamtengespräche mit Prag negativ verlaufen sollten, und es damit zur Verhängung von Strafzöllen käme, die sogar rückwirkend für drei Monate eingehoben würden, wirkt das derzeit kaum abschreckend, denn diese Rückwirkung gilt nicht für stückweise Einfuhren. Bäuerliche Direktimporteure haben also auch dann nichts zu befürchten.

Doch bleibt die Frage offen, ob die Erzeugung von Pflügen und Eggen auf die Dauer vor auch noch so unlauterer Konkurrenz geschützt werden soll oder ob nicht gerade da auch ein Beispielsfall für die Notwendigkeit industrieller Strukturverbesserung gegeben wäre. Die Umstellung auf höherwertige Erzeugnisse ist ja ein erklärtes Ziel unserer Wirtschaftspolitik.

Ein Kompromiß, eine amikale Lösung, wie sie mit Prag in der Frage des Landmaschinen-Dumpings offenkundig angestrebt wird, würde durchaus sinnvoll erscheinen - sofern auch die tschechischen Stellen zum Entgegenkommen im gutnachbarlichen Sinne bereit sind. Das könnte ein weiterer Schritt auf dem Wege zu langfristiger Kooperation sein, der durch die Verträge Österreichs im Rahmen der EFTA mit den osteuropäischen Ländern eingeschlagen worden ist.

Verführerische Arbeitskosten

Der Kapitalfluß in Richtung Osteuropa wird schnell breiter. Statt 446 Millionen Dollar wie im Jahre 1989 flössen im vergangenen Jahre 4.550 Millionen Dollar für Direktinvestitionen in die ehemalige Tschechoslowakei, nach Polen, nach Slowenien und vor allem nach Ungarn (für die übrigen osteuropäischen Länder liegen keine Angaben vor).

Was die Unternehmer nach Osteuropa zieht, ist klar: Die Arbeitskosten sind verführerisch niedrig. Selbst in den „teuersten” osteuropäischen Ländern liegen sie nur bei einem Zehntel dessen,was beispielsweise in Deutschland bezahlt werden muß. Im Osten produzieren, im Westen verkaufen, das ist eine Formel, die Gewinn bringt - und im Westen Arbeitsplätze kostet.

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