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Dunkle Wolken

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Mitten hinein in die sommerliche Hitze platzte die „Wochenpresse" mit der Frage: „Wer braucht die Piefkes?" Gemeint sind jene bundesdeutschen Bürger, die Sommer und Winter den Löwenanteil an den ausländischen Feriengästen stellen, nämlich an die 80 Prozent.

Und während die Zeitungsmacher mit der Rede vom „Ausverkauf" Österreichs an landesfremde Urlaubsgäste die latente Fremdenfeindlichkeit im Land schürten, waren die heimischen Tourismusmacher gerade dabei, mit zusätzlichen Werbemitteln von zehn Millionen Schilling gegen eine sich abzeichnende Buchungsflaute anzukämpfen.

Allein im Juni dieses Jahres betrug der Rückgang gegenüber dem Vorjahr fünf, mancherorts bis zu 15 Prozent. Für das laufende Sommergeschäft wird kaum noch eine Verbesserung erwartet.

Schon im Vorjahr hatten sich die langjährigen Zuwachsraten im Fremdenverkehr nicht mehr eingestellt. Im Winterhalbjahr 1982/83 betraf der Rückgang der Nächtigungszahlen auch den bislang krisensicheren Wintertourismus: Die Ubernachtungen gingen insgesamt um 2,2 Prozent zurück.

Rückläufige Buchungsziffern im Tourismus nagen aber auch am Nerv der österreichischen Volkswirtschaft insgesamt.

Uber ein Drittel unserer Deviseneinnahmen, nämlich 95 Millionen Schilling, bringt der Fremdenverkehr ins Land. Und mit einer Pro-Kopf-Quote von rund 12.000 Schilling Einnahmen aus der Tourismus-Wirtschaft ist Österreich europäischer Spitzenreiter.

Wenn man dazu noch in Rechnung stellt, daß manche Gegenden hierzulande ihr Ein- und Auskommen fast ausschließlich dem Fremdenverkehr verdanken.

kann erst ermessen werden, was Stagnation beziehungsweise Rezession in diesem Wirtschaftszweig für die Menschen bedeuten.

60.000 Unternehmer und etwa 300.000 Beschäftigte trifft nunmehr die Flaute im Urlaubsgeschäft direkt. Köche, Kellner, Zimmermädchen mit Saisonverträgen belasten die gewerblichen Herbergsbetriebe auch dann, wenn die Urlauber ausbleiben. Die vielen privaten Zimmervermieter - zumeist Familienbetrie-be - müssen die Kredite für die Investitionen der letzten Jahre zurückzahlen, auch wenn ganze Zimmerfluchten leerstehen.

Aber die Flaute im heimischen Urlaubsgeschäft war vorhersehbar - nicht zuletzt auf Grund der weltwirtschaftlichen Lage.

Dennoch setzten viele Touristik-Manager bis zuletzt noch auf die Formel: Mehr Urlaub und mehr Freizeit sichern die steigende Niachfrage nach Hotelbetten und Freizeiteinrichtungen.

Ein Tourismusboom, wo selbst das berühmte „Besenkammerl unterm Dach" noch an den Mann zu bringen war, kömmt, sind sich alle Verantwortlichen einig, nicht wieder.

Schon vor zehn Jahren hat denn auch die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft einen Umdenkprozeß versucht.

Hatte man zuvor ganz auf die Ausweitung der Bettenkapazität gesetzt, galt es nun, die gestiegenen Ansprüche der Urlauber zu befriedigen. Vielerorts kam diese Trendumkehr von der Quantität zu mehr Qualität allerdings schon zu spät.

Ungehemmte Bauwut hatte Appartementdörfer mitten in Landschaftsschutzgebiete geknallt, die rücksichtslose Abholzung ganzer Berggipfel hatte die Verödung ganzer Landstriche zur Folge. In ihrem Expansionsdrang haben ' viele Fremdenverkehrsmacher erst gar nicht bemerkt, daß am Ende der extensiven Tourismuswirtschaft schließlich und endlich auch der Feriengast ausbleibt.

Viel wird deshalb heute vom „sanften Tourismus" geredet: ein Tourismus, der sozial- und umweltverträglich gestaltet ist.

Eine unter diesem Motto arbeitende Fremdenverkehrsbranche lehnt den Ausverkauf der bodenständigen Traditionen ab, sie schwimmt gegen den Strom der Kultur-Prostitution, wie sie sich etwa in der Germanisierung der Speisekarten zeigt.

Mit einer solcherart wiedergewonnenen regionalen Identität lassen sich wahrscheinlich mehr Touristen ins Land holen, als wenn die Urlauber für die im Fremdenverkehr Beschäftigten nicht viel mehr als eine Ware sind.

Dennoch: Wenn die österreichische Regierung aus volkswirtschaftlichen Erwägungen zum „Urlaub im eigenen Land" rät, dann wird man auch akzeptieren müssen, wenn etwa die deutsche Bundesregierung von den Bundesbürgern das gleiche Urlaubsverhalten verlangt.

Gerade deshalb gibt es in wirtschaftlich angespannten Zeiten nicht viel Hoffnung für eine Branche, in der die Konsumenten — sprich Urlauber - auf ökonomische Entwicklungen äußerst sensibel reagieren und auch immer schärfer ihr Urlaubsbudget kalkulieren.

Positives Beispiel dafür: Seit der Dollarkurs angezogen hat, kommen wieder mehr US-Urlauber ins Land. Aber erst ein Konjunkturfrühling in der Bundesrepublik wird die dunklen Wolken über den österreichischen Touristik-Betrieben, vertreiben.

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