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Ecclesia Austriaca

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Treten wir heraus aus der Sakristei, meine Damen und Herren, und beginnen wir unsere Führung, zu der Sie erfreulicherweise so zahlreich erschienen sind. Bitte beachten Sie rechts den Abgang in die Krypta aus der Zeit der Gegenreformation ,und Inquisition. Es ist sicher der häßlichste Teil des Hauses, ein nicht wiedergutzumachender Schönheitsfehler, ein warnendes Beispiel für alle künftigen Epochen. Da ist es auch kein Trost, daß andere Institutionen ebenfalls manche Leichen im Keller haben.

Wenn wir nun geradeaus in den Kirchenraum treten, dann sehen Sie links den barocken Hochaltar und davor den Volksaltar aus dem 20. Jahrhundert. Für manche ist dieser Volksaltar stilstörend, wie auch manche den stehenden Kommunionempfang mit der Hand ablehnen. Auf jeden Fall wird dadurch die alte Kommunionbank hier kaum mehr verwendet. Es gibt aber Leute, die meinen, daß die Kirche noch immer zu viel für Banken, etwa die Vatikan-Bank, und Bankette übrig habe.

Auch die barocke Kanzel dort drüben wird nicht mehr verwendet, weil man es den Politikern und Ex-Kanzlern überläßt, andere als „miesen Charakter” abzukanzeln. Parteipolitik spielt in diesem Haus ja so gut wie keine Rolle mehr, Priester als Politiker sind hierzulande verpönt, ja verstorbene Priesterpolitiker müssen sogar mit der üblen Nachrede „alter Gangster” rechnen. Nur wenn in Nikaragua ein Priester Minister wird, wird das von manchen bejubelt.

Wenn wir nun nach rückwärts zum Haupteingang gehen, sehen Sie oben die Empore für den Chor, der früher meist einstimmig sang. Jetzt gibt es bisweilen Dissonanzen, die sehr häßlich, aber auch sehr interessant wirken können.

Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist die Orgel nicht die größte des Landes, sie kann aber zu bestimmten Zeiten sehr laut und voll klingen und, wenn — so wie in diesen Tagen — ein hervorragender Organist zu Gast ist, sogar die größte Orgel des Landes dazu bringen, miteinzustimmen.

Blicken wir nun nach Süden, so sehen wir den Marienaltar, der von vielen gemieden, von anderen aber besonders verehrt wird. Von den vielen kleinen, oft jungen Gruppen, die sich in diesem Gebäude zu Hause fühlen, wenden sich einzelne gerade diesem Altar und dem Rosenkranzgebet zu.

Daß hier eine Frau verehrt wird, soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß Frauen in diesem Haus noch immer weniger als Männer zu reden haben, obwohl sie in der Mehrheit sind. Immerhin gibt es bereits Ministrantin- nen, Kommunionausteilerinnen und andere Funktionen für Frauen, die vor einigen Jahrzehnten noch kaum denkbar waren.

Wenn mir hier eine private Be merkung gestattet ist: Kein Führer durch dieses Gebäude mußte so oft seinen Text umlernen wie ich in den letzten 20 Jahren. Meine Vorgänger hatten es viel leichter und konnten oft die alten Texte unverändert von ihren Vorgängern übernehmen.

Beachten Sie aber vor allem jene Teile des Gebäudes, die unverändert sind und das Haus trägem, zum Beispiel diese Säulen, deren Sockel das Alte und das Neue Testament, die Zehn Gebote und die Bergpredigt, darstellen.

Beachten Sie auch, daß in diesem Haus nur Leben ist, wenn die Menschen eine Gemeinschaft bilden und in ihnen etwas brennt. Auch Kerzen sollen brennen, nur nie wieder Scheiterhaufen!

Zum Schluß möchte ich Sie, meine Herrschaften, noch um eine kleine Spende für unseren Opferstock bitten. Unter uns gesagt: Solange Sie in diesem Haus bleiben wollen, kommen sie um einen Pflichtbeitrag ohnedies nicht herum. Bedenken Sie aber, daß damit nicht nur die Erhaltung dieses Gebäudes, sondern auch die Erfüllung großer Vorhaben im sozialen Bereich und in der Entwicklungshilfe gesichert wird.

Wir sind damit am Ende der heutigen Führung, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Wenn Sie hier noch verweilen wollen, rate ich Ihnen, nun das Wesentliche dieses Hauses innerlich aufzunehmen: die Kreuzwegstationen und den Hochaltar mit der Darstellung der Auferstehung Christi. Denn dieses Haus ist vor allem eine Stätte der Besinnung und der Hoffnung.

Zu guter Letą

Ein DDR-Rentner in Finanznöten schreibt einen Brief an den lieben Gott: ,J.ieber Gott, ich habe kein Geld, mich zu ernähren und zu kleiden. Bitte schicke mir doch 500 Mark. Ich werde es Dir nie vergessen. Dein Otto Rill, Jena, Marxstraße 5.”

Eine Woche später wird der Mann ins Parteibüro bestellt. Der Parteisekretär sagt: ,fEs gibt doch keinen lieben Gott, da haben Sie 250 Mark und lassen Sie in Zukunft diesen Unsinn:” Der Mann geht nach Hause und schreibt folgenden Brief: ,Pieber Gott, vielen Dank für die 250 Mark. Schik- ke aber, bitte, nächstes Mal das. Geld direkt an mich. Die Parteilumpen haben mich um 250 Mark betrogen. Dein Otto.”

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