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EG-Beitritt mit einer Preis-Frage

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„Ihre Schlüsse sind zu gymnastisch, das heißt, zu gewagt; Sie überspringen alles mögliche“, würde vielleicht Nestroy heute dem österreichischen Außenmi* nister entgegenhalten.

Alois Mock hat am Rande der Konferenz der Europäischen Demokratischen Union in Rhodos erklärt, er sehe keinen Anlaß für einen Neutralitätsvorbehalt bei einem Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft. Aber man könne sich die Option offenlassen, im konkreten Einzelfall bei Sanktionen zuzustimmen oder abzulehnen, wie beispielsweise auch bei den Vereinten Nationen praktiziert.

Der Vergleich ist mehr als gewagt, ein Purzelbaum nach Brüssel als Kürübung, ohne zuvor die Pflicht absolviert zu haben. Ein bisserl zu überstürzt.

Ob sich die EG davon beeindruckt zeigt, muß bezweifelt werden. Und daß wir den Anschein erwecken, gleichsam um jeden Preis bedingungslos dabeisein zu wollen, schwächt die österreichische Verhandlungsposition mehr, als das vielleicht unser Selbstbewußtsein zu stärken vermag. Unser Selbstbewußtsein, daß wir selbst unsere Neutralität interpretieren.

Herbert Schambeck, Vizepräsident des österreichischen Bundesrates — und sicher kein Mann, der seinem Parteiobmann leichtfertig in den Rücken fällt —, hat in den jüngsten „österreichischen Monatsheften“ eine Bedingung formuliert, die jedenfalls zu gelten hat: „Eine Teilnahme Österreichs am Binnenmarkt und ein allfälliger Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft sind nur dann mit dem Grundsatz der immerwährenden Neutralität vereinbar, wenn die militärische Sicherheitspolitik aus dem Tätigkeitsbereich der EG ausgeklammert wird.“ De jure, nicht nur de facto.

Weil die Teilnahme Österreichs am Binnenmarkt nach Staatsvertrag und unserer Neutralitätserklärung durchaus ein großes nationales Anliegen ist, sollte alles vermieden werden, es zu einem innenpolitischen Streitthema zu machen. Aber genau das zeichnet sich immer deutlicher ab. Wir bieten das Bild eines zerstrittenen. Haufens, laden andere - der Bogen spannt sich von Brüssel bis Moskau - geradezu ein, mitzumi-schen, danach damit beschäftigt, diese Orakelsprüche zu deuten. Das war vor dem Besuch des Außenministers in Moskau nicht anders und wird nach der Visite des Bundeskanzlers im Kreml nicht viel anders sein.

Die österreichische EG-Politik hetzt sich derzeit selbst. Der Preisfrage, wann wir günstig unser Ansuchen in Brüssel deponieren sollen, wird dabei mehr Augenmerk geschenkt als der Preis-Frage, die sich uns im Zusammenhang mit der Neutralität stellt. Heute — und nicht irgendwann bei einer Abstimmung über Sanktionen.

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