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EG-konforme Ingenieure

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Österreichs Weg nach Europa bleibt auch im Bereich der Bildungspolitik nicht ohne Auswirkungen. Zwar wird uns international oft ein hohes Ausbildungsniveau zugestanden, qch muß noch vieles verbessert werden. Ein Wichtiger Schritt in Richtung europäischer Bildungsraum ist die Schaffung von Fachhochschulen, von denen man sich die Lösung einiger dringend anstehender Probleme im Bildungsbereich verspricht.

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Österreichs Weg nach Europa bleibt auch im Bereich der Bildungspolitik nicht ohne Auswirkungen. Zwar wird uns international oft ein hohes Ausbildungsniveau zugestanden, qch muß noch vieles verbessert werden. Ein Wichtiger Schritt in Richtung europäischer Bildungsraum ist die Schaffung von Fachhochschulen, von denen man sich die Lösung einiger dringend anstehender Probleme im Bildungsbereich verspricht.

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Obwohl sich die Zahl der Studenten, die jährlich ein Hochschulsstudium abschließen, in den letzten zwanzig Jahren nahezu verdoppelt hat, gibt es in Österreich im Vergleich #u anderen Industriestaaten noch relativ wenige Akademiker und auch die Studentenquote ist bei uns niedriger als 4nderswo.

Zurückgeführt wird diese Situation auf das Fehlen einer Bildungseinrichtung zwischen Matura (18-19 Jahren) und Vollzeitstudium (24 bis 28 Jahren). Die Fachhochschulen (FHS) könnten diese Lücke füllen. Maturanten - vor allem der AHS - haben heute ijiur die Wahl zwischen Kollegs, Pädagogischen Akademien oder Universi-tjätsstudium, obwohl \ so zeigen Maturan-tjenbefragungen - 90 Prozent der Maturanten eine beruflich verwertbare Bildung und Ausbildung wollen. Fach-Hochschulen, mit ihrer praxisnahen Ausbildung wären eine attraktive Alternative zur Universität, i Die Lehrausbildung wiederum leidet unter einem nicht sehr guten Ruf und dies, obwohl die Wirtschaft immer stärker den Bedarf an hochqualifizierten Facharbeitern reklamiert und die Erfolgsaussichten dieses beruflichen Bildungsweges hervorhebt. Ein erster Schritt, die Lehre aus der „Bildungssackgasse" herauszuführen, wurde mit den Fachakademien der Wirtschaftsförderungs-mstitute der Handelskammern getan (Furche Nr. 21/1991). i Eine weitere Forderung um die Lehrausbildung attraktiver zu machen ist die nach der „Durchlässigkeit der Lehre". Im Konzept des ÖVP-Schulausschusses für die Fachhoch-Schulen ist diese „Durchlässigkeit" demnach auch vorgesehen. Nach Abschluß der Lehre, aber auch einer Berufsbildenden Mittleren Schule

(BMS), soll in zwei bis vier Semestern auf die Einstiegsprüfung, die zum Besuch der Fachhochschule berechtigt, vorbereitet werden. Das Studium an der Hochschule selbst dauert acht Semester und schließt mit dem Diplom, Absolventen von Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS) oder Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) können das Studium an der Fachhochschule sofort beginnen, das heißt ohne Vorbereitungskurse und Einstiegsprüfung.

Ausbildung mit Europaniveau Um den Bildungsanforderungen im gemeinsamen Europa begegnen zu können, befürwortet auch die Industrie die Einführung von Fachhochschulen. Gerhard Riemer, Leiter der Abteilung für Bildungspolitik der Vereinigung Österreichischer Industrieller (VOI) präzisiert Vorstellungen der Industrie so: ,Als Ausbildungsfelder sollen vor allem folgende Bereiche angeboten werden: Technik, Wirtschaft, Soziales und Gesundheit und eventuell Medienausbildung..."

Zur klaren Abgrenzung zum höheren Schulwesen einerseits und den Universitäten andererseits wird ein eigenes Fachhochschulgesetz gefordert. Die Hauptzuständigkeit sollte beim Wissenschaftsministerium mit starker Kompetenz des Unterrichtsministeriums liegen. Das Studium würde je nach Fachrichtung und Voraussetzung der Studienanfänger zwischen drei und vier Jahre dauern und sollte auch einen Praxisteil einschließen, der auch im Ausland abgeleistet werden kann.

Die Absolventen der Fachhochschulen werden dann mit einem neuen akademischen Grad abschließen (zum Beispiel Dipl.Ing. FH, Dkfm. und so weiter).

Ein einfaches, bestechendes Konzept. Der Haken dabei: So einfach wie es sich anhört, dürften sich die Vorstellungen nicht realisieren lassen. Die Frage, Fachhochschulen mit oder ohne HTL-Reform, wird zunehmend zum Streitpunkt der Diskussion.

Während das Unterrichtsministerium an konkreten Modellen ohne BHS-Reform arbeitet, hat das Wissenschaftsressort seine Vorliebe für eine große Lösung (mit HTL-Reform) entdeckt. Riemer dazu: „Der zentrale Punkt einer Reform ist die Frage, ob .wir es uns leisten können, diesen Bildungsbereich, (Berufsbildende Höhere Schulen), mit dem die Wirtschaft wie mit keinem anderen bisher zufrieden war und der von der OECD (Bildungsbericht 1979) als Juwel in der österreichischen Krone' bezeichnet wurde, völlig zu verändern, ja sogar zu zerschlagen?"

Die im Zusammenhang mit der Errichtung von Fachhochschulen vom Verband Österreichischer Ingenieure (VÖI) diskutierte Verkürzung der HTL-Ausbildung von fünf auf vier Jahre, käme in den Augen der Industrie solch einer Zerschlagung gleich. Denn eine vierjährige HTL mit Studienberechtigung, so Riemer, bringe nicht dasselbe Maß an praktischer, allgemeinbildender und fachspezifischer Ausbildung wie eine fünfjährige. Viele der Absolventen würden nach vier Jahren die Chance ergreifen, auszusteigen, ein Studium an einer Universität oder an der neuen Fachhochschule beginnen und nur wenige mit einer geringeren Qualifikation im Vergleich zum HTL-Ingenieur ins Berufsleben einsteigen.

EG-kompatible Ingenieure Herbert Putz, Präsident des Verbandes Österreichischer Ingenieure wiederum plädiert für eine Reform der heimischen Ingenieurausbildung. In den EG-Ländern wird für die Erlangung des Ingenieurtitels eine dreijährige postsekundäre Fachhochschul-Ausbildung verlangt, österreichische Ingenieure mit HTL-Ab-schluß würden daher in der EG zu Technikern mit hohem Ausbildungsniveau degradiert. Putz geht noch einen Schritt weiter:„Die60.000 HTL-Ingenieure müssen den Richtlinien der EG gemäß durch einen Formalakt aufgewertet werden, denn unser Land braucht künftig viermal so viele EG-kompatible Ingenieure wie bisher."

Mit der Darlegung dieser beiden unterschiedlichen Vorstellungen über die Fachhochschulen wurde die Diskussion fürs erste ad acta gelegt. Bis Ende 1992. Dann sollen OECD-Forscher einen Bericht über die „Bedingungen und Möglichkeiten für den Aufbau eines nicht-universitären Sektors in Österreich" vorlegen.

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