7023120-1989_01_07.jpg
Digital In Arbeit

Ehe-Ideal an Grenzen ?

19451960198020002020

„Beziehung leben in Ehe und Familie“ stand über der Pastoraltagung 1988 vorige Woche in Wien-Lainz. Es ging um Theologie, aber auch um Gesellschaftspolitik.

19451960198020002020

„Beziehung leben in Ehe und Familie“ stand über der Pastoraltagung 1988 vorige Woche in Wien-Lainz. Es ging um Theologie, aber auch um Gesellschaftspolitik.

Werbung
Werbung
Werbung

Zu groß erscheint der Anspruch, zu sehr übersteigt menschliche Kräfte und Grenzen der schon im Alten Testament vom Propheten Hosea verwendete bildhafte Vergleich des Ehe-Bundes mit dem von Gott mit den Israeliten geschlossenen Bund. Und in der Verzeihung Gottes gegenüber seinem Volk wird dem schuldvergebenden Neuanfang zwischen Ehepartnern die Latte auch recht hoch gelegt, wie die Erfahrungen des Alltags beweisen. Eine Frage scheint, ob nicht jenes biblisch begründete hohe Ehe-Ideal durch den Druck überfordernder Erwartung — Bundespartner ist schließlich Gott — gleichzeitig selbst zum immer beklagenswerten Scheitern von Ehen beiträgt.

Den theologischen Schwerpunkt dieser Pastoraltagung setzte der in Luzern lehrende österreichische Bibeltheologe Walter Kirchschläger mit seinen Ausführungen über Ursprung und Entfaltung des ehelichen Bundes im Alten und Neuen Testament. Um Gottes Bund mit den Menschen darzustellen, hätten die biblischen Verfasser vielfach den Vergleich mit einer ehelichen Beziehung verwendet. Analog dazu sei das biblische Bild vom Ehe-Bund durch absolute Treue, lebenslange Dauer und ausdrückliche Verbindlichkeit geprägt worden. Die zu verwirklichende Einheit der

Ehepartner liege in der im Ephe-serbrief dargestellten Einheit Christi mit seiner Kirche begründet.

Für eine solche auf Christus bezogene Ehe zieht Kirchschläger Konsequenzen vor allem schon in der Vorbereitung auf die Ehe. Ähnlich der Erstkommunionoder Firmvorbereitung - aber auch der Vorbereitung auf die Ehelosigkeit - müßte sie sich über einen längeren Zeitraum erstrek-ken. Als eine Form der Nachfolge Christi erfordere die Ehe auch verschiedene Formen der Ehebegleitung, die Gemeinsamkeit mit anderen Paaren sei hilfreich.

Die Praxis Jesu - der Vorrang von Liebe und Vergebung vor der Gerechtigkeit - müßte auch gegenüber den Geschiedenen und wiederverheirateten Geschiedenen Geltung haben.

Den unterschiedlichen ethischen Folgerungen, die sich durch religiöse Sinngebung, aber auch durch Tradition, Umwelteinflüsse und Geschlechterdifferenz für die Wirklichkeit der gelebten Ehe ergeben, ging der Innsbrucker Moraltheologe Hans Rotter nach. Neben der Fruchtbarkeit sei die gegenseitige Liebe Hauptziel der Ehe. Der Offenheit zum Partner entspreche die Bereitschaft zum Kind, wobei der Begrenzung der menschlichen Fruchtbarkeit einerseits und der - in europäischen Ländern - erwünschten Steigerung der Geburtenrate ethisch verantwortbar Rechnung getragen werden müsse.

Nicht das Kirchenrecht

Erotik und Sexualität seien in ihrem Eigenwert als Beglückung des Menschen anzuerkennen, wobei die Bewertung von Normen in diesem Bereich differenziert vorgenommen werden müsse. Das Rollenbild der Frau bedürfe auch innerhalb der Familie der Korrektur.

Ehe als Sakrament und als anzustrebenden verbindliche Le- , bensform sollte von der Kirche immer wieder gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften in ihrer Bedeutung hervorgehoben werden. Zur Beseitigung des Auseinanderklaffens von lehramtlichen Aussagen und der Praxis vieler Katholiken sieht Rotter den angstfreien Dialog als notwendig an.

Nicht die Beachtung kirchenrechtlicher Aspekte, sondern die Hilfe zu geglückten Beziehungen sieht der Linzer Familienseelsorger Bernhard Liss als Aufgabe der Kirche an. Daraus ergeben sich für Liss als Schwerpunkte der Familienpastoral die bereits in der elterlichen Familie einsetzende Ehevorbereitung und das Erlernen von partnerschaftlichem Umgang sowie verstärkte Partner- und Ehebegleitung in den kirchlichen Gemeinden und eine-Geschiedenenpastoral, die den einzelnen Betroffenen angemessen sei.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung