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Ehemann Jesus?

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War Jesus verheiratet? Diese Frage haben die meisten Christen bis heute kaum gestellt; denn in den Evangelien und in der kirchlichen Tradition ist niemals von einer Heirat Jesu die Rede. Umso mehr erstaunt es, wenn die in den Medien oft zitierte ehemalige Theologieprofessorin Ute Ranke-Heinemann diese Frage eindeutig mit „Ja“ beantwortet (so in ihrem wissenschaftlich unqualifizierten

Buch mit dem reißerischen Titel „Eunuchen für das Himmelreich. Katholische Kirche und Sexualität“, Hamburg 1988).

Sie beruft sich dafür nicht auf neuere bibelwissenschaftliche Untersuchungen — diese werden kaum zur Kenntnis genommen —, sondern auf das Buch des Schriftstellers Schalom Ben Chorin, „Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht“, München 1967,3. Auflage 1970 (ähnlich in dessen Buch „Mutter Mirjam. Maria in jüdischer Sicht“, München 1971).

Als Gründe für ein Verheiratetsein Jesu führt der Jesus grundsätzlich positiv gegenüberstehende jüdische Autor an, daß bei den Rabbinen die Pflicht zur Ehe bestand und Jesus sich als Rabbi dieser Pflicht nicht entziehen konnte. Dabei übersieht der Autor allerdings: Jesus wird zwar in den Evangelien als Rabbi angeredet, war aber doch wohl kein ordinierter Rabbi. Außerdem war in den Gemeinden von Qumran, wie die neueren Funde belegen, die Ehelosigkeit bekannt, wie ja auch schon Jeremia und Johannes der Täufer ehelos lebten.

Die angeführte Vorschrift für Rabbinen ist uns hingegen nur aus jüngeren, Jahrhunderte später fixierten Texten im Talmud bekannt und wurde nicht allgemein befolgt. In den Evangelien werden niemals eine Ehefrau oder gar Kinder Jesu erwähnt, auch nicht in dem Zusammenhang—wo es zu erwarten wäre —, da von seinen Brüdern und Schwestern in

Nazaret die Rede ist (zum Beispiel Mk 6,3).

Schalom Ben Chorin argumentiert weiter damit, daß in den Evangelien die Ehelosigkeit Jesu nicht erwähnt werde. Er verweist dafür unter anderem auf Jesu Wort (Mt 19,12) über diejenigen, die vom Mutterschoß an zur Ehe unfähig (impotentes) sind oder von den Menschen dazu gemacht werden (Kastraten). Dabei erwähnt Schalom Ben Chorin zwar noch Jesu Rede über eine dritte Gruppe von Eheunfähigen („Eunuchen“), übersieht aber (oder übergeht bewußt?) den Zusatz „um des Himmelreiches willen“.

Dieses ursprünglich wohl nicht mit dem Gespräch über die Ehescheidung (Mt 19,3-10) verbundene, sondern in anderem Zusammenhang überlieferte Wort Jesu über die „Beschnittenen (eunou-choi) um des Himmelreiches willen“ betrifft eindeutig, wie neuere katholische und evangelische Kommentare vertreten, nicht Selbstkastraten, sondern in bildhaft-übertragener Redeweise jene, die im Blick auf die Verwirklichung der Gottesherrschaft freiwillig auf die Ehe verzichten. Mit Recht vermuten sehr viele Exege-ten, daß Jesus hier auf seine eigene Ehelosigkeit sowie den Eheverzicht der zu radikaler Nachfolge berufenen Jünger Bezug nimmt und diese sogar verteidigt.

Daß alle Jünger Jesu verheiratet waren und später ihre Ehe weiterführten, steht übrigens nirgendwo in der Bibel (auch nicht in dem oft dafür herangezogenen Text 1 Kor 9,5). Hingegen hat Jesus Verheiratete wie Petrus aufgefordert, während seines öffentlichen Lebens alles, auch ihr Haus (die Familie), zu verlassen (Mk 10,28f; schärfer noch Lk 14,26).

In Jesu eigenem Eheverzicht und seinen radikalen Forderungen wie auch in der Naherwartung nach Ostern liegt der Grund, warum zur Zeit des Paulus die Christen in Korinth nicht etwa die heutige Frage nach Berechtigung des Zölibats stellten, sondern darüber diskutierten, ob es nach der Predigt Jesu und im Hinblick auf die bevorstehende Parusie überhaupt noch erlaubt sei zu heiraten oder eine bestehende Ehe weiterzuführen (so der evangelische Exeget K. Niederwimmer).

Vor diesem Hintergrund sind auch die so oft mißverstandenen Antworten des Apostels Paulus (1 Kor 7) zu verstehen. Daß Paulus, der sicherlich ehelos war — das Gegenteil läßt sich nicht beweisen —, sich für einen Eheverzicht nicht auf ein „Gebot des Herrn“ beruft (1 Kor 7,25), ist - entgegen der Meinung von Schalom Ben Cho-rim — kein Argument gegen Jesu persönliche Ehelosigkeit und die an seine ersten Jünger gerichteten radikalen Forderungen (die von einem Gebot für alle zu unterscheiden sind).

Wenn einzelne Kreise heute an Jesu Ehelosigkeit und seiner Forderung der radikalen Nachfolge Anstoß nehmen und die von den Bibelwissenschaftlern allgemein (abgesehen von wenigen Ausnahmen) und mit Recht als unbegründet abgelehnte Hypothese einer Heirat Jesu vertreten, hängt dies wohl mit ihrer Annahme zusammen, einzig der verheiratete sei ein vollwertiger Mensch. Sie verkennen dabei, daß keineswegs alle Menschen die Möglichkeit zu einer Eheschließung haben und zudem nicht alle Ehen gelingen.

Nur Eheleute vollwertig?

Müssen nicht Jesu Ehelosigkeit und der von seinen Jüngern (zumindest für ihre vorösterliche Mitarbeit) geforderte Verzicht auf die Ehe auch unter diesem Aspekt gesehen werden: Als Ausdruck der besonderen Hingabe für die Verwirklichung der Gottesherrschaft, damit alle Menschen, ob verheiratet oder nicht, aus der Verstrickung in die Sünde mit ihren unheilvollen Folgen für das menschliche Zusammenleben errettet werden und ewiges Glück erlangen?

Der Autor ist Vorstand des Instituts für Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien.

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