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Digital In Arbeit

Eher Ruhe vor dem Sturm

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Die Media-Analyse 1978 verrät einen gewissen Trend zur Qualitätszeitung und eine Einbremsung der Konzentrationstendenz. Nun geht es freilich darum, daß auch die Werbewirtschaft erkennt: Anzeigenpolitik ist Gesellschaftspolitik, und eine Förderung der Konzentrationstendenz kann ins eigene Auge gehen!

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Die Media-Analyse 1978 verrät einen gewissen Trend zur Qualitätszeitung und eine Einbremsung der Konzentrationstendenz. Nun geht es freilich darum, daß auch die Werbewirtschaft erkennt: Anzeigenpolitik ist Gesellschaftspolitik, und eine Förderung der Konzentrationstendenz kann ins eigene Auge gehen!

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Zittern und Hoffen der österreichischen Zeitungsverlagsmanager sind nach Veröffentlichung der diesjährigen Media-Analyse der Freude oder gelegentlich dem Zorn und der Ratlosigkeit gewichen. Tatsächlich haben die veröffentlichten Ziffern für die durchschnittlichen Leserzahlen pro Zeitungsausgabe heuer für die meisten Objekte eine positive Tendenz gegenüber der letzten Media-Analyse gezeigt. Erster Schluß könnte daher sein, Österreichs Zeitungsleser lesen mehr und lesen auch, wenn man die Steigerungszahlen in Prozenten zur bisherigen Auflage angibt, mehr Qualitätszeitungen.

Der Schluß ist jedenfalls nicht unberechtigt, wenn die statistischen Schwankungsbreiten durchaus auch die Folgerung zulassen, daß sich nicht sehr viel verändert hat, sondern diesjährige Gewinner bei früheren Analysen eben in einer günstigeren Position innerhalb der Schwankungsbreite ausgewiesen wurden und diesmal schlechter wegkommen und umgekehrt. Die konkrete Analyse des Abschneidens der einzelnen Zeitungen, auch was die Verschiebungen innerhalb ihres Leserspektrums (Frauen - Männer, jung - alt) betrifft, bleibe diesen überlassen.

Unbestreitbar bleibt jedenfalls eines: Der österreichische Zeitungsmarkt hat sich im wesentlichen stabilisiert, denn, wenn auch Prozentgewinne über 10% spektakulär aussehen, so sind sie, gemessen an den - leider - absolut nicht sehr hohen Zahlen der Nicht-Boulevardpresse, doch nicht als Erdrutsche zu betrachten.

Spektakuläre Veränderungen bei den großauflagigen Zeitungen sind diesmal ausgeblieben. Ist der unaufhaltsam erscheinende Aufstieg der „Kronen-Zeitung“ gestoppt? Jedenfalls hat es bei ihr eher interne Verschiebungen im Bundesgebiet gegeben. Ob dies auf einen allgemeinen Stopp des Trends zur Boulevardisie- rung zurückgeht oder ob einfach in den letzten zwei Jahrzehnten neu gewonnene Leserschichten nun einfach ausgeschöpft sind, wird erst die weitere Entwicklung zeigen.

Erfreulich ist sicher, daß die Ergebnisse der Media-Analyse, die ja mit den steigenden Verkaufszahlen der österreichischen Zeitungen korrespondieren, einen Trend zum Mehrfachleser und damit zum umfassend informierten Leser zeigt. Hier hat ja Österreich, gemessen an den skandinavischen und westeuropäischen Ländern, die einen bis zu 60% höheren Prozentsatz von Tageszeitungslesern in der Bevölkerung haben, noch einiges nachzuholen.

Signalisiert das Ergebnis der Media-Analyse also eine Ruhe vor dem Sturm oder sind wir in eine Phase langfristiger Stabüität eingetreten? Für beides lassen sich Gesichtspunkte aus einer Vorschau gewinnen. Für die bloße Ruhe vor einem kommenden Sturm spricht, daß die Media-Analyse doch als weiterhin entscheidendes Instrument für die Werbepläne der Agenturen und Industrieunternehmen gilt und Anteilsverschiebungen von auch nur wenigen Prozenten zu Millionenverlusten in den Werbeetats führen können.

Es wird also sicher von den „Verlierern“ nichts unversucht gelassen werden, ihre Scharten auszuwetzen, und die Gewinner werden versuchen, ihre Positionen auszubauen. Ich wage die These, daß dies in der kommenden Periode allerdings nicht mehr durch gigantische Materialschlachten im Werbebereich durch Werbegeschenke, Preisausschreiben und Ähnliches geschehen wird - nicht nur wegen der oberstgerichtlichen Entscheidung -, sondern daß die vor uns liegende Phase primär von der redaktionellen Konkurrenz bestimmt sein wird. Nichtleser können durch Werbemaßnahmen allenfalls zum gelegentlichen Lesen und Probieren gewonnen werden, langfristig bei der Stange bleiben sie nur auf Grund des Vergleiches ihres Produktes mit anderen.

Auf die Gefährlichkeit der Abstützung auf ein einziges Instrument, eben die Media-Analyse, bei der Planung der Werbeaufwendungen wird oft hingewiesen. Einer solchen Behauptung kann man sicher entgegenhalten: Wie anders sollen Wirtschaftsunternehmungen, die ja nach dem ökonomischen Prinzip Vorgehen müssen, ihren Werbeaufwand einsetzen, wenn nicht nach der günstigsten Kosten-Nut- zen-Relation, das heißt mit dem geringsten Einsatz von Geld eine größtmögliche Zahl von Zielpersonen durch ihre Werbebotschaft zu erreichen?

-io &i Silaloa ‘©fi-riiH sifa įlsG …®ie sich/auch an anderen öHqrjomi- schen Beispielen leicht beweisen läßt, ist vor allem unter dem Gesichtspunkt einer langfristigen Perspektive eine wirtschaftliche Optimierung freilich nicht immer in einer Maximierung des wirtschaftlichen Erfolges zu finden. Was kann denn passieren, wenn die günstigste Kostenrelation beim Werbeeinsatz die alleinige Perspektive wird?

Heute schon sind Zeitungsunternehmen zu einem sehr hohen, in vielen Fällen überwiegenden Teil für ihre wirtschaftliche Gestion auf die Einnahmen aus Werbung angewiesen. Kommt es hier zu einer weiteren Konzentration des Werbeeinsatzes auf ganz wenige Medien, so muß dies zwangsläufig zu einem weiteren Absterben von Zeitungen führen. Damit geht Medienvielfalt verloren. Das ist sicher vom Standpunkt einer lebendigen Demokratie aus ein Nachteil, und unser marktwirtschaftliches System baut schließlich auf dem gegenwärtigen Gesellschaftsmodell auf.

Weiters kommt es schließlich zum Preisdiktat durch den Monopolinhaber: was also heute ein Vorteil sein mag, kann sich morgen in das Gegenteil verkehren. Und schließlich ist es nicht ausgeschlossen, daß eine größere Konzentration zu einer verstärkten Diskussion über staatliche Eingriffe führt. Man bedenke, daß in Schweden ein wichtiger Teil der Presseförderung damit finanziert wurde, daß anzeigen- und ertragsstarke Blätter eine eigene Abgabe leisten mußten, ja daß auch in manchen Medien-Papieren der SPÖ der Vorschlag eines Anzeigenpools auftaucht, der darin bestehen soll, Anzeigenerträge insgesamt in einen gemeinsamen Topf einzubringen und dann umzuverteilen.

Die Wirtschaft muß sich also bewußt sein, daß Anzeigenpolitik Medienpolitik und damit Gesellschaftspolitik ist und daß die Freiheit zur unabhängigen Gestaltung des Werbewesens eine verantwortete Freiheit sein muß. Österreichs Zeitungsleser haben laut Media-Analyse begriffen, daß Konzentration nicht gut tut. Es wäre zu wünschen, wenn alle Mediennutzer sich diesen Gesichtspunkt zu eigen machten. WALTER

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