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„Eheroman" - ironisch gebrochen

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Durch vier Romane, vor allem aber durch eine gelungene Übersetzung von Dantes „Divina Commedia" ins Slowenische, hat sich Andrej Capu-der in seinem Land einen Namen gemacht, in der ersten demokratischen Regierung nach dem Sturz des Kommunismus war er Kulturminister.

Das vorliegende Buph ist die Geschichte einer Clique von Studenten und Professoren in der Zeit der großen europäischen Unruhe um das Jahr 1968, das auch in Slowenien ihre Spuren hinterlassen hat. In vier Teilen, streng gegliedert in je 30 Unterteile, erzählt Capuder über die aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Probleme, vor allem aber über die Beziehungen und Konflikte, die das Leben der intellektuellen Gruppe prägen.

Der Autor hat einen „Eheroman" geschrieben und dabei mit Hilfe der ironischen Brechung und der surreal gefärbten Szenerie dieser traditions-beladenen Literaturform eine neue Dimension dazugewonnen: der nicht genannte Erzähler und der zweite Mann der ehemaligen Frau des englischen Lektors irischer Abstammung Patrick ist zugleich selbst ein Betroffener, denn „wir sind also schlecht auf das Ende vorbereitet". Vor allem trügt der schöne Schein. Freunde, die diskutieren und polemisieren, kommen einander näher. Es gibt aber Auseinandersetzungen und Entfremdungen. Die Risse in den Beziehungen und in der slowenischen Gesellschaft werden erkennbar.

Die slowenische Ausgabe des Buches erschien in zensurierter Fassung

1975 in Mari bor und wurde wegen des für die damalige slowenische Literatur ungewöhnlichen modernistischen „französischen" Stils viel diskutiert. Capuders Text verbindet Bericht und Reflexion, Alltagsrealität und Vision. In merkwürdig verschlüsselten Gleichnissen steht die Unsicherheit der menschlichen Existenz im Vordergrund.

PEITSCHE UND KREISEL. Kurzroman von Andrej Capuder. Aus dem Slowenischen von Andrea Greistorfer-Vrbinc. Hermagoras Verlag, Klagenfurt/Ljubljana/Wien 1992. 114 Seiten, öS 165,-.

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