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Ehrliche Reformer?

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Taktik bei der Personalpolitik und Manipulationen mit dem Parteivermögen schmälern die Chancen der ungarischen Kommunisten bei den geplanten Wahlen 1990. Die vom Urlaub zurückgekehrten Reformpolitiker sind aber selbstbewußter denn je.

„Wir müssen uns von all jenen trennen, die die gegenwärtige Krise des Landes herbeigeführt haben“, so sprach der junge Regierungschef Miklös Nemeth, Mitglied des Parteipräsidiums, beim Fest des Reichsgründers Stefan des Heiligen am 20. August, und erntete stürmischen Beifall

Der reformprogressive Parlamentspräsident Mätyas Szürös, dessen Wahl ins Politbüro von den Konservativen erfolgreichbekämpft worden war, schlug ähnliche Töne an. Und Präsidentschaftskandidat Imre Pozsgay, Gründer einer neuen Plattform für ein demokratisches Ungarn, blieb seiner Vorsichtsrhetorik treu. Worte wirken oft Wunder - auch in Ungarns erwartungsgeladener Reformlandschaft.

An eben jenem 20. August ließ der in vielerlei Hinsicht als Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) gescheiterte Käroly Grösz seine Pensionierungsabsichten durchsickern. Kurz darauf hat sich zwar herausgestellt, daß es doch nicht ganz so gemeint war, aber das Dementi will man bis heute nicht so richtig zur Kenntnis nehmen.

Die Inhaftierung von zwei ungarischen Oppositionellen in Prag sowie die Ausreise Tausender DDR-Bürger über Ungarn stehen heute so sehr im Mittelpunkt öffentlichen Interesses, daß eine der unverschämtesten Manipulationen seit Jahrzehnten seelenruhig über die Bühne gehen kann.

Um der immer peinlicher werden-den Auseinandersetzung um das KP-Vermögen am Runden Tisch mit der Opposition ein Ende zu setzen, ließ Grösz-Intimus, ZK- und Politbüromitglied György Fejti einige Top-Erholungsheime der Partei im Wert von 100 Millionen Forint (etwa 20 Millionen Schilling) über Nacht einer Ein-Mann-GesmbH überschreiben, die freilich vom neuen Reformgesetz weitgehend geschützt ist.

Dabei - so ein Sprecher der Parteizentrale - handle es sich um eine Entscheidung des Präsidiums. Wohlgemerkt jenes Präsidiums, dem Pozsgay, Nemeth und die andere große „Reformhoffnung“, der bereits etwas amtsmüde wirkende Vorsitzende, Rezsö Nyers, angehören - neben Karoly Grösz, versteht sich.

Nun hat sich die Partei ihr Vermögen größtenteils - gelinde gesagt auf illegalem Wege verschafft.

Die Höhe dieses Besitzes wird heute mit 8,4 Milliarden Forint angegeben.

Und angesichts dieser Summe stellen sich schon einige Fragen. Es geht dabei nicht so sehr darum, wovon die Opposition ihren Wahlkampf beziehungsweise den gesamten Aufbau ihrer Parteien finanzieren wird; es geht um die Glaubwürdigkeit der ungarischen Reformpolitik. Wird in Ungarn tatsächlich ein Rechtsstaat angestrebt? Und wenn ja, von wem?

Die Gespräche am Runden Tisch -vor Monaten noch als „das öffentlichste Forum aller Zeiten“ angekündigt - sind erst vor kurzem der Presse zugänglich gemacht worden, nachdem der Verdacht nicht mehr zu entkräften war, man verhandle da zu offensichtlich über die Köpfe der Nation hinweg.

Geheimniskrämerei hatte allerdings ihren Grund. Kaum war nämlich durchgesickert, daß die KP entgegen vorherigen Ankündigungen die Teilung ihres Vermögens abgelehnt hatte, gewann das oppositionelle Forum ungarischer Demokraten auch in jenen Städten parlamentarische Nachwahlen, in denen die Bürger zwei Wochen davor aus Gleichgültigkeit erst gar nicht zu den Urnen gegangen waren.

Auf dem außenpolitischen Parkett macht Ungarngewißgute Fortschritte. Von Bonn kommt Lob wegen der Haltung in der Frage der DDR-Flüchtlinge. Die Belohnung wird nicht lange auf sich warten lassen. Allerdings muß man sich fragen, was aus all diesen Wohltaten werden wird, wo in Ungarn doch nach wie vor in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft die KP schalten und walten kann, wie sie will.

Dazu kommt noch die ständige Beteuerung, daß das Parteieigentum mit dem Staatsvermögen identisch sei. Diese Angelegenheit ist ein grundlegender Aspekt des ungarischen Reformprozesses.

Der Durchschnittsbürger, der sich darauf einstellen muß, anstatt Fleisch bald nur noch wohlklingende Reformphrasen zu bekommen, wird ihn bei den kommenden Wahlen sicher nicht außer acht lassen. Insbesondere, wenn er sich ständig anhörenmuß, daß die KP den Wahlkampf aus ihrem Vermögen zu finanzieren gedenke.

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