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Eigenartige Sichtschärfe

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Eine Umfrage und das Verwirrspiel um die Position der Katholischen Jugend werfen ein schiefes Licht auf die heimische Friedensbewegung.

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Eine Umfrage und das Verwirrspiel um die Position der Katholischen Jugend werfen ein schiefes Licht auf die heimische Friedensbewegung.

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Ist die österreichische Friedensbewegung auf einem Auge blind? Diese Frage, jetzt durch jüngste Entwicklungen aktualisiert, wurde auch im Zusammenhang mit der großen Friedensdemonstration am 22. Oktober 1983 in Wien (FURCHE 42/1983) kontrovers diskutiert.

Eine eben im „Journal für Sozialforschung" (Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft) publizierte Umfrage unter den Teilnehmern der Friedensdemonstration des Vorjahres kommt jedenfalls — als eine in diesem Fall unverdächtige Quelle — zum Schluß: Zwischen dem Bedrohungsbild der österreichischen Gesamtbevölkerung und dem der aktiven Friedensbewegung gibt es erhebliche Differenzen.

Nämlich: „Während fast auf das Prozent genau beide Supermächte gleich für die Aufrüstung verantwortlich gemacht werden (Bevölkerung insgesamt: 68 Prozent, Friedensdemonstranten: 69 Prozent), beurteilen die jeweiligen Minderheiten, die einer Supermacht die Verantwortung zuweisen, die Lage vollkommen anders."

Die Wahl der Worte bagatellisiert zumindest. Denn während bei der Gesamtbevölkerung lediglich sechs Prozent in der „Politik der USA" Ursache der Friedensbedrohung sehen, stimmten 30 Prozent der Friedensdemonstranten laut Umfrage dieser Ansicht zu. Hingegen wird die Bedrohung durch die Sowjetunion, von der Bevölkerung insgesamt mit 16 Prozent bejaht, nur von zwei Prozent der Teilnehmer an der Friedensdemonstration ins Treffen geführt.

Kurzum: Eine große und repräsentative Mehrheit widerlegt den Vorwurf der Blindheit auf einem Auge, eine starke Minderheit — ein schwaches Drittel jedenfalls — weist aber auffällige Eigenarten bei der Seh- (oder in diesem Zusammenhang besser: Sicht-) schärfe auf.

Weitere Details der Umfrage: # Während in politischen Parteien und Verbänden Frauen stark unterrepräsentiert sind, erreicht ihre Beteiligung bei der Friedensdemonstration (46,7 Prozent) beinahe den Anteil, den sie an der Bevölkerung insgesamt haben.

• Das Durchschnittsalter der (befragten) Teilnehmer lag knapp über 29 Jahren, der „typische" Friedensdemonstrant kann nach der Regel „unter 35 plus Matura" beschrieben werden.

• 45 Prozent der Teilnehmer kamen aus Wien, 54,6 Prozent aus den Bundesländern — über die Teilnahme von Ausländern sagt die Untersuchung nichts aus.

• Interessant die Parteipräferenz der Demonstranten: Laut Umfrage fand sich kein einziger in einem Nahverhältnis zur FPÖ, nur 1,3 Prozent werden der ÖVP zugerechnet, dafür 27,3 Prozent der SPÖ, 25 Prozent der Alternativen Liste und 10,6 Prozent der KPÖ.

Interessante Ergebnisse mit einem (von den Befragern eingestandenen) Schönheitsfehler: Der mit Sicherheit größte Demonstrationszug des Vorj ahres (vom Wiener Westbahnhof) blieb dabei fast unberücksichtigt.

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