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Eigenkapital bilden!

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„Umbruch der Industriestrukturen" lautete der Titel eines Diskussionsfo-rums in Alpbach. Wir zitieren aus einem Beitrag des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages.

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„Umbruch der Industriestrukturen" lautete der Titel eines Diskussionsfo-rums in Alpbach. Wir zitieren aus einem Beitrag des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages.

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Strukturwandel gehört elementar zu jeder Wirtschaftsentwicklung. Manchmal vollzieht er sich kantiger, manchmal gleitender, geräuschlos eigentlich nie, weil vom Strukturwandel immer Unternehmer wie Arbeitnehmer betroffen sind, sei es, daß Unternehmen Produktion oder Standort neu disponieren, sei es, daß Arbeitnehmer umschulen müssen, um einen Arbeitsplatz in neuer Beschäftigung zu finden.

Lassen Sie mich mit einer These und einem Postulat beginnen.

Die These: Permanenter Strukturwandel in der Wirtschaft hat bisher die von Keynes ausgespro-

chene Vermutung von der säkularen Stagnation, jene Vermutung also, daß wir auch an die Grenzen des Wachstums von der Nachfrageseite her stoßen müssen, widerlegt. Und das wird — und ich werte das nicht einmal als kühne Prognose - auch in Zukunft so sein.

Das Postulat: Wirtschaftlicher Strukturwandel ist Sache der Wirtschaft und er sollte das bleiben. Die Aufgabe des Staates ist leicht definiert. Erstens: Er darf diesen Strukturwandel nicht behindern. Zweitens: Er hat Investitionsbedingungen zu setzen, die der Wirtschaft den für Strukturwandel notwendigen Freiraum lassen — administrativ und auch steuerpolitisch.

Grundsätzlich muß die derzeitige strukturpolitische Vorgabe lauten: weniger Konsumation, mehr Investition; weniger in absoluten, sondern mehr in relativen Größen gerechnet. An diesem Rezept orientierte sich erfolgreich die Wirtschaftspolitik der Jap^aner und will sich die Wirtschaftspolitik der Amerikaner ausrichten.

Der Wachstums- und strukturpolitische Imperativ „Mehr Investition, weniger Konsumation" aber berührt alle Bereiche, mit denen Verteilungspolitik betrieben wird: die Einkommenspolitik, die Sozialpolitik und die Steuerpolitik. Man kann auch in europäischer Dimension keinem der Bereiche bescheinigen, daß bisher, das Notwendige getan worden sei. Vielmehr gibt es auf jedem dieser Gebiete viele Unterlassungssünden.

Doch die größte strukturpolitische Sünde Europas lautet: Subventionismus statt Eigenkapital. Was sich Europa im Wettlauf der Subventionen auf verschiedenen Gebieten, in verschiedenen Branchen leistet, mutet an wie ein Akt’ wirtschaftlicher Selbstverstümmelung. Angepaßte und gut strukturierte Unternehmen in verschiedenen EG-Ländern werden durch dauerhafte und wachsende Staatshilfe an markt-

schwache Unternehmen in anderen EG-Ländern wettbewerbsunfähig gemacht.

So entstand als Verteidigung für deutsche Stahlsubventionen der Ausdruck: Akt nationaler Notwehr. Das Eigentümlichste der Entwicklung ist, daß gerade die Länder mit den höchsten Inflationsraten und mit den höchsten Staatsdefiziten am meisten subventionieren. In Europa stehen dafür als Paradebeispiele: Belgien und Italien.

Die. Stahl- und die Textilindustrie bewegen somit endlos ein Subventionskarussell, bei deren Umdrehungen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht Kapital zunehmend verschleudert wird, Kapital, das vor dem Hintergrund des enormen allgemeinen Investitionsbedarfs knapp ist und immer knapper wird.

Ist es finanzwirtschaftlich nicht eine Absurdität, frage ich, wenn die wegen Kapitalknappheit ho-

hen Zinsen nicht selten über staatliche Subventionen heruntergeschleust werden, wobei sie dann ihrerseits selbst mit dazu beitragen, über zunehmende Staatsdefizite das allgemeine Zinsniveau selbst hoch zu halten?

Wäre es da nicht wesentlich sinnvoller, frage ich, wem» über einen breiten Subventionsabbau und damit verbunden auch Abbau von Staatsdefiziten eine allgemeine Zinssenkung wenigstens unterstützt würde oder wenn statt der Subventionen allgemeine steuerliche Erleichterungen im Bereich der Abschreibung der Unternehmensbesteuerung ge-

währt würden und auf diese Weise zu einer allgemeinen Verbreiterung des risikotragenden Haftungskapitals beigetragen würde?

Denn gerade Haftungskapital braucht die Wirtschaft, um von der Finanzierungsseite her für den strukturwirtschaftlichen Wandel gerüstet zu sein. Bisher sind - z. B. in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in Osterreich - die Finanzierungsvoraussetzungen äußerst ungünstig. In den deutschen Unternehmen der verarbeitenden Industrie ist der Anteil des Eigenkapitals in der Bilanzsumme von über 30% Ende der 60er Jahre auf derzeit unter 24% gesunken. Ein ähnlicher Schwund traf auch die österreichische Industrie.

Wenn in der Bimdesrepublik aus dem bisher noch recht beachtlichen Sparvolumen der privaten Haushalte das Angebot von Risikokapital durch Erwerb von Aktien auf die Minimalgröße von derzeit ein Prozent zusanunenge-schnunpft ist, so überrascht das aber nicht.

Daher ist es zunächst auch nicht das schwerer gewordene Gewicht der Zinskosten, das die strukturbewältigende Wirtschaft so in Schwierigkeiten bringt. Sondern es ist vielmehr die Tatsache, daß in den Investitionsrechnungen das Ertragsmotiv abgewürgt wird, weil staatlich gewährte Zinserträge im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt gar nicht durch entsprechende Wertschöpfung in den Unternehmen erwirtschaftet werden. Genau hier drückt der Schuh.

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